Antifa

Deutliches Zeichen gegen das Sächsische Demokratieverständnis in frostigen Zeiten

19. Januar 2013 - 16:04 Uhr - 6 Ergänzungen

Als Reaktion auf das skandalöse Gerichtsurteil gegen einen Berliner Antifaschisten am Mittwoch, fand am am frühen Freitag Abend eine kraftvolle Solidaritätsdemonstration in Dresden statt. Gegen 18 Uhr hatten sich am Startpunkt der Demonstration auf dem Postplatz bereits mehrere hundert Menschen versammelt. Thematisch drehte es sich in erster Linie um den besorgniserregenden Zustand der sogenannten Sächsischen Demokratie und ihrer Auswüchse. In seinem Redebeitrag kritisierte ein Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ das Urteil als „politisch motiviert“. Die letzten Jahren hätten gezeigt, dass in Sachsen antifaschistisches Handeln als kriminell und zivilgesellschaftliches Engagement argwöhnisch beobachtet wird. Dies habe der für das Urteil verantwortliche Richter Hans-Joachim Hlavka in seiner mündlichen Urteilsbegründung noch einmal deutlich gemacht, als er dabei im Namen der Dresdner Bevölkerung sprach, die politische Auseinandersetzungen „satt“ haben würden. Davon abgesehen, sei nicht Aufgabe eines Richters eigene Werturteile zu fällen und sich mit seinem Amt politisch zu betätigen. Der Bündnissprecher kritisierte zudem das Gericht, welches dem Betroffenen das in Anspruch genommene Recht auf Aussageverweigerung nachteilig ausgelegte.

Leider sahen sich die eingesetzten Polizeikräfte nicht in der Lage die beantragte Route über den Pirnaischen Platz zu gewährleisten und begründete dies mit dem Mangel an Beamtinnen und Beamten. Daraufhin zog der auf inzwischen mehr als 400 Menschen angewachsene Demonstrationszug ohne Beeinträchtigung des Verkehrs durch die Schlossstraße zum Terrassenufer und weiter durch die nahezu menschenleere Altstadt. Vom Lautsprecherwagen aus wurde mehrmals auf den Anlass der Demonstration aufmerksam gemacht. In Anlehnung an das Urteil wurden über die zahlreich vorhandenen Megafone wiederholt die Aufforderungen, sich nach vorne zu begeben und sich nicht abdrängen lassen, gerufen, um damit an die im Verfahren für den Verurteilten nachteilig ausgelegten Sprüche zu erinnern. Entlang des Terrassenufers ging es weiter bis zum Platz vor dem Amtsgericht in der Roßbacher Straße. Von Seiten der Polizei gab es die ganze Zeit über nur lose Begleitung und trotz frostiger Minusgrade war die für Dresdner Verhältnisse und die kurzfristige Mobilisierung ziemlich große Demonstration laut und motiviert. Viele der Beteiligten trugen in Anlehnung an den Prozess Schilder mit der Aufschrift „Rädelsführer_in“ oder „Ich will Gewaltenteilung“.

Während der Abschlusskundgebung folgten weitere Redebeiträge, in denen unter anderem an frühere Urteile des Richters erinnert wurde. So war Hlavka auch für die Beschwerden gegen die Funkzellenabfrage zuständig, in denen der Stadtratsabgeordneten Hans-Jürgen Muskulus (Die Linke) gegen die Maßnahme rund um das von der Polizei noch in den Abendstunden des 19. Februars durchsuchte „Haus der Begegnung“, im weit vom eigentlichen Demonstrationsgeschehen entfernten Pieschen, Beschwerde eingelegt hatte. Dumm nur, dass der Richter die Abfrage der Mobilfunkdaten in seinem zwölfseitigen Beschluss mit insgesamt 14 Stellen in der Südvorstadt begründete und die Beschwerde des Klägers ablehnte. Eine weitere Kuriosität Dresdner Justiz war die Genehmigung der massenhaften Funkzellenabfrage nach den erfolgreichen Blockaden im Februar 2011, für die bei der anschließenden juristischen Bewertung das gleiche Gericht zuständig gewesen war, welches die Maßnahme zuvor genehmigt hatte. Dies stehe jedoch, so der Rechtsanwalt André Schollbach gegenüber dem Neuen Deutschland, im Widerspruch zu dem Gesetz.

Neben den Dresdner Piraten, die in einer Stellungnahme den Richter dafür kritisierten, „engagierte Bürger durch die Androhung von Strafe von ihrem Recht auf zivilen Ungehorsam“ abzuhalten, zeigten sich die Jusos der Stadt entsetzt und bezeichneten das Urteil als „rechtsstaatlichen Bankrotterklärung“. „Offensichtlich ist es in Sachsen deutlich unproblematischer Ausländer und Andersdenkende durch Kleinstädte zu jagen, als sich offensiv gegen Nazis zu engagieren“, so der Dresdner Juso-Vorsitzende Stefan Engel weiter. Auch der Vorsitzende der Dresdner Initiative „Bürger.Courage“, Christian Demuth, bezeichnete die politische Urteilsbegründung als „Frechheit“. „Das ist nicht die verfassungsmäßige Aufgabe von Herrn Hlavka. Auch wir sind Dresdner Bürgerinnen und Bürger und wir haben wie Zehntausende andere vor allem den immer wiederkehrenden Nazi-­Aufmarsch satt. Dass er jetzt auch noch von einem Richter politisch instrumentalisiert wird, schlägt dem Fass den Boden aus.“ Zum Nachhören gibt es die Details des Gerichtsprozesses auch im Interview mit Radio Corax: Exempel-Urteil gegen Tim H. in Dresden.

Als Fazit des Tages lässt sich festhalten, dass es in Dresden durchaus viele Menschen gibt, die mit der aktuellen Politik in Sachsen nicht mehr einverstanden sind. Es bleibt zu hoffen, dass das durch den Richter als Abschreckung gedachte Urteil am 13. Februar hoffentlich auch in diesem Jahr wieder tausende Menschen auf Dresdens Straßen bringen wird, um gemeinsam einen für den frühen Abend geplanten Aufmarsch von 1.000 Nazis zu verhindern. Dennoch ist das Urteil auch als klares Zeichen zu werten, wie in Sachsen rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft gesetzt werden, um gegen die wenigen Menschen vorzugehen, die sich überhaupt noch politisch engagieren. Getroffen hat es einen, gemeint sind wir alle. Solidarität mit Tim!


Veröffentlicht am 19. Januar 2013 um 16:04 Uhr von Redaktion in Antifa

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