Feminismus

Trauerkundgebung zum Gedenktag für die Opfer von Transfeindlichkeit

28. November 2022 - 21:47 Uhr

Der 20. November ist der internationale Gedenktag für die Opfer von Transfeindlichkeit. Aus Anlass des Gedenktages hatten die TIN*-Vernetzung Dresden, eine Selbstorganisierung von trans, inter und nichtbinären Menschen, sowie die Queer Pride Dresden für den vergangenen Sonntagnachmittag zu einer Mahnwache aufgerufen. Auf dem Alaunplatz versammelten sich etwa 100 Menschen, um zu trauern und der Toten zu gedenken.

Laut dem Projekt Trans Murder Monitoring, welches seit 2008 weltweit transfeindliche Morde registriert, wurden in den vergangenen 12 Monaten 327 Mordfälle an trans, nichtbinären und agender Menschen öffentlich bekannt. Das sind 48 weniger, als im bisher für trans Menschen tödlichsten Jahr 2021. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Fälle, die öffentlich werden, nur ein Bruchteil der Tatsächlichen sind. Denn die meisten Daten werden in Ländern erhoben, die über ein etabliertes Netzwerk von trans und LGBTQIA+ -Organisationen verfügen, die das Monitoring durchführen. 

In diesem Jahr waren 95 Prozent der weltweit ermordeten trans und gender-queeren Menschen Frauen oder feminin auftretende trans Menschen. 48 Prozent der Ermordeten mit erfasstem Beruf waren Sexarbeiter:innen. In Europa waren 36 Prozent Migrant:innen. 68 Prozent aller registrierten Morde geschahen in Mittel- und Südamerika. 29 Prozent davon in Brasilien. Die meisten Opfer waren Frauen of color und Frauen mit Migrationshintergrund.

„Wir müssen unsere Kämpfe verbinden, denn es gilt, jede Diskriminierung zu überwinden. Nicht zuletzt weil viele unserer ermordeten Geschwister von mehr als einer Unterdrückungsform betroffen waren. Auch in diesem Jahr weisen die Daten auf einen besorgniserregenden Trend hin, wenn es um die Überschneidungen von Frauenfeindlichkeit mit Rassismus und der Stigmatisierung von Sexarbeiter_innen geht. Die meisten Opfer sind Frauen of color, Frauen mit Migrationshintergrund sowie Sexarbeiter_innen.“

(Zero, TIN*-Vernetzung Dresden)

Auf dem Alaunplatz wurden einige der Namen der Opfer mit Kreide niedergeschrieben und Kerzen aufgestellt. Eines der 327 Opfer ist Malte C., ein junger trans Mann, der am Rande des CSD in Münster brutal niedergeschlagen wurde und später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag. Die Queer Pride Dresden erinnerte in ihrem Redebeitrag an Malte als einen Menschen, der für Gerechtigkeit einstand und aktiv gegen queerfeindliche Diskriminierung eingetreten ist. Die Antifaschistische Initiative Löbtau (A.I.L.) erteilte der Idee, sich durch Verstecken oder Anpassung der Transfeindlichkeit zu entgehen, eine Abfuhr und plädierte stattdessen für feministisches Selbstbewusstsein und gelebte antifaschistische Solidarität. Ein Beispiel seien die Selbstverteidigungstrainings der selbstironisch benannten „Homokommandos“ in Polen.

Überschattet wurde die Trauerkundgebung von der Nachricht aus Colorado Springs (USA). In der Nacht auf den 20. November 2022 war dort ein bewaffneter junger Mann in den queeren „Club Q“ eingedrungen und hatte fünf Menschen ermordet sowie 25 weitere verletzt, bevor er durch Besucher:innen des Clubs überwältigt werden konnte. Für den 20. November war im „Club Q“ eine Veranstaltung zum Transgender Day of Remembrance geplant.

Veronica Kracher wies in einem Thread auf Twitter darauf hin, dass der Hass auf queere Menschen ein wichtiger Programmpunkt republikanischer Politiker:innen in Colorado Springs darstellt. Eli Brenner, der für das Amt des Senators kandidiert hatte, machte Transfeindlichkeit sogar zum Kernpunkt seines Wahlkampfes. Eine andere ausgesprochen queerfeindliche Politikerin sei Lauren Boebert, eine QAnon-Sympathisantin. In den Midterms war sie als knappe Gewinnerin um die Repräsentant:innenwahl ihres Distrikts in Colorado hervorgegangen. Der Angriff auf den Club und seine Gäste sei ein Resultat der queer- und transfeindlicher Hetze, die tagtäglich in den Parlamenten, im Fernsehen und online propagiert werde. Es handele sich um stochastischen Terrorismus, um einen Gewaltakt also, der durch eine anstachelnde Rede wahrscheinlicher wird.

Nicht nur in den USA haben Rechte in den letzten Jahren die LGBTQIA+-Bewegung und insbesondere trans Menschen als Feindbild markiert. Auch in Europa gehört Queer- und Transfeindlichkeit seit geraumer Zeit zum Programm rechter Parteien. Die AfD lässt keine Gelegenheit verstreichen, ihre Transfeindlichkeit zur Schau zu stellen. So attackierte  Beatrix von Storch im Februar 2022 Tessa Ganserer im Bundestag und sprach ihr ab, eine Frau zu sein. Selbstverständlich agitiert die AfD auch gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz.

In Ungarn und Polen gehört Queerfeindlichkeit bereits zum Regierungsprogramm. Und erst vor wenigen Tagen hat in Russland das Unterhaus der Duma einer Verschärfung des Gesetzes gegen „LGBT-Propaganda“ zugestimmt. Das Gesetz verbietet das „Werben für nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ und stellt eine Erweiterung des bereits seit 2013 bestehenden Gesetzes zum Verbot sogenannter „Homosexuellen-Propaganda“ gegenüber Minderjährigen dar. Der Verstoß kann mit einer Strafzahlung von bis zu zehn Millionen Rubel (ca. 160.000 Euro) geahndet werden. Schon das erste Gesetz hatte einen starken Anstieg von schweren Gewalttaten gegenüber queeren und trans Menschen zur Folge.

Der Transgender Day of Rememberence wurde 1999 von einer Gruppe queerer Menschen ins Leben gerufen. Angesichts der Ermordung ihrer Freundin Rita Hester in Massachusetts in den USA wollten sie einen Gedenktag schaffen. Rita Hester war eine afroamerikanische trans Frau und wurde am 28. November 1998 Opfer eines Hassverbrechens. 


Veröffentlicht am 28. November 2022 um 21:47 Uhr von Redaktion in Feminismus

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