Feminismus

8. März – feministischer Kampftag in Dresden

13. März 2023 - 20:29 Uhr

Anlässlich des 8. März, dem feministischen Kampftag oder Frauenkampftag, versammelten sich im dritten Jahr in Folge ab 12 Uhr Demonstrant:innen am König:innenufer in Dresden zu einer Kundgebung. Eingeladen hatte ein Netzwerk aus feministischen Gruppen, darunter e*vibes, tante milli, dem Antifaschistischen Kollektiv Dresden, der AG Feministische Kämpfe in der Gewerkschaft Freie Arbeiter:innen Union (FAU), Women Defend Rojava Dresden und weiteren. Im Kontext der aktuellen Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes fand am 8. März außerdem ein weiterer Warnstreik und eine Frauentagsdemonstration der Gewerkschaft ver.di statt. 

Ver.di fordert für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Um 11 Uhr starteten bis zu 3.000 Arbeitnehmer:innen der an diesem Tag bestreikten Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB), Erzieher:innen der insgesamt 36 geschlossenen Kindertagesstätten, Mitarbeiter:innen der Sächsischen Sparkasse sowie Pflegekräfte des Städtischen Klinikums u.a. am Postplatz und legten auf ihrer Route einen Zwischenstopp an der Kundgebung des F*Streik-Netzwerkes ein. In einem Redebeitrag der ver.di-Demonstration wurde auch auf das F*Streik-Netzwerk und das ebenso wichtige Anliegen der Bestreikung unbezahlter Arbeit Bezug genommen.

Das Anliegen des F*Streik-Netzwerks ist es, anlässlich des 8. März einen politischen Streik zu organisieren, der sich gegen die Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen und Queers richtet, um damit an erfolgreiche feministische Streikbewegungen wie in Spanien oder Chile anzuschließen. Auf einer Website sammelt das Netzwerk darum zahlreiche Handlungsideen und rechtliche Hinweise zum Streikrecht. Ein feministischer Streik ist nach derzeitiger Rechtslage in der Bundesrepublik als sogenannter „politischer“ Streik verboten. In anderen europäischen Staaten ist es hingegen legal, auch für Forderungen zu streiken, die nicht über Lohnverhandlungen zu regulieren sind.

Auf der um 13 Uhr beginnenden Kundgebung waren weitere aktuelle Arbeitsniederlegungen Thema. So berichtete eine Vertreterin des Dresdner Bündnis für Pflege über den aktuellen Arbeitskampf der Arbeiter:innen von mehr als 10 Kliniken in Berlin. Dort waren am 6. und 7. März Reinigungskräfte, Hebammen, Therapeut:innen und Pflegekräfte dem Aufruf von ver.di zu Warnstreiks gefolgt. Auch für diesen Warnstreik hatte ver.di aufgerufen, um Druck für einen Lohnzuwachs von 500 Euro zu erzeugen.  Die Vertreterin des Pflegebündnisses beklagte zudem, dass Frauen immer noch im Schnitt 18 Prozent weniger verdienen, als Männer. 

‚Lasst Euch nicht die Butter vom Brot nehmen!‘

Rechnet man den Wert von 18 Prozent in Tagen um, arbeiten Frauen vom 1. Januar an 66 Tage unentgeltlich. Der Equal Pay Day, der „Tag der gleichen Bezahlung“ – welcher auf diese strukturelle Ungerechtigkeit aufmerksam machen will – fiel daher in diesem Jahr auf den 7. März. Berücksichtigt man den Umstand, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten und häufiger in Berufen, in denen prinzipiell schlechter bezahlt wird, verbleibt immer noch eine Lohnlücke von 7 Prozent, die sich ausschließlich mit Lohndiskriminierung erklären lässt und kürzlich in der taz als „größter Lohnraub der Geschichte der Bundesrepublik“ bezeichnet wurde. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – in diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht am 26. Februar 2023 ein bahnbrechendes Urteil gefällt: Niemand darf mehr Gehalt für die gleiche Arbeit bekommen, weil er besser verhandelt habe. Geklagt und gewonnen hatte die Dresdnerin Susanne Dumas, weil sie 1.000 Euro weniger als ihr männlicher Kollege bei gleicher Arbeit verdient hatte. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte, die die Klage unterstützt hat, veröffentlichte im Ergebnis des Urteils ein FAQ zur Bedeutung und zu den Folgen des Urteils. Dort wird allen Arbeitgeber:innen, die unmittelbar an das Equal Pay-Gebot in Art. 157 AEUV und im Entgelttransparenzgesetz gebunden sind, empfohlen zu prüfen, ob Gehaltsunterschiede in ihrem Betrieb nur darauf zurückzuführen sind, dass die Männer mehr Gehalt gefordert haben. Fehlen objektive Gründe wie Qualifikation, Erfahrung oder Leistung für Gehaltsunterschiede, müssen die niedrigeren Gehälter nach oben angepasst werden.

„Heute kämpfen wir nicht nur für unser Recht, sondern wir glauben, dass unser Kampf die Zukunft vieler Frauen auf der ganzen Welt verändern wird, wir werden jede hoffnungslose Frau inspirieren. Dies ist ein historischer Moment und die Iranerinnen schreiben ein Stück feministische Weltgeschichte!“

In einem weiteren Redebeitrag berichtete eine Vertreterin der Dresdner exiliranischen Community von der alltäglichen Diskriminierung und Gewalt, der Mädchen, Frauen, queere und trans Menschen im Iran seit 1979 ausgesetzt sind. Sie erinnerte auch an die Mädchen in Afghanistan, denen die Taliban im vergangenen Jahr das Recht auf Schulbildung genommen haben und nahm in diesem Zusammenhang Bezug auf gezielte Giftanschläge auf Mädchenschulen im Iran. Inzwischen liegen mehr als 2.500 Berichte über Vergiftungen vor. Die Sicherheitsbehörden waren drei Monate lang untätig – und gingen stattdessen gegen Journalist:innen vor, die darüber berichtet hatten . Wer auch immer die Urheber sind: es steht der Verdacht im Raum, das Ziel der Angriffe könnte sein, Mädchen von der Schulbildung auszuschließen und sie für ihre Beteiligung am Aufstand gegen das Regime zu bestrafen.

Unter dem Motto „Feministischer Kampftag – international und solidarisch gegen das Patriarchat“ startete schließlich um 16:30 Uhr die Demonstration mit etwa 300 Teilnehmer:innen vom König*innenufer in Richtung Innenstadt. Zu Beginn sprach Pro Choice Dresden über die bis heute andauernden weltweiten Kämpfe für einen sicheren und legalen Zugang zum Schwangerschaftsabbruch und kritisierte, dass die Ampelkoalition mit ihrem Vorhaben „Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs“ zu prüfen, nicht voran kommt. Erst wenige Tage zuvor war bekannt geworden, wer in der gegründeten Kommission sitzen wird, die eine mögliche Entkriminalisierung durchspielen soll. 

Die FDP knüpfe ihre Zustimmung für eine Liberalisierung oder Abschaffung des § 218 StGB an die Legalisierung von Eizellspenden und Leihmutterschaft. Die Gruppe kritisierte diese Forderungen als bevölkerungspolitische Maßnahmen, die auf der Ausbeutung gebährfähiger Menschen basiere. Im globalen Süden würden Verhütungsmittel neuerdings auch mit der Begründung angeboten, eine Einschränkung des Bevölkerungswachstums sei ein wirksames Mittel gegen den Klimawandel. Im globalen Norden hingegen versuchten sich reiche Menschen ihre Nachkommenschaft mittels Reproduktionsmedizin zu sichern. Verhütungsmittel seien ein wichtiger Teil der medizinischen Grundversorgung aller Menschen, jedoch müssten feministischen Bewegungen genau hinschauen, mit welchem Ziel sie verteilt würden.

„I’ve crossed the border with bag full of medicines.

There is nothing that I can explain better in deutschen Apotheke – than

Wann war meine letzte Periode?“

Es folgte ein wütendes und verzweifeltes Poem einer Aktivistin aus Polen gegen die rechtskonservative PiS-Regierung. Sie forderte die Demonstrant:innen dazu auf, die Queer-/Feminist:innen im nur wenige Kilometer entfernten Nachbarstaat nicht zu vergessen. Trotz landesweiter, massiver Proteste hatte die Partei im Oktober 2020 das ohnehin schon restriktive Abtreibungsgesetz weiter verschärft, so dass es ungewollt Schwangeren nun nahezu unmöglich ist, eine legale Abtreibung durchzuführen. Trotzdem finden weiter Schwangerschaftsabbrüche statt – nun illegalisiert. Gegen Strukturen, die dabei Unterstützung leisten, geht die Staatsanwaltschaft vor. Justyna Wydrzyńska, langjährige Aktivistin der Initiative Abortion Dream Team, wurde wegen „Hilfe bei der Durchführung einer Abtreibung“ und wegen „Besitzes nicht zugelassener Arzneimittel mit dem Ziel, diese in den Verkehr zu bringen“ angeklagt. Dafür drohen ihr 3 Jahre Haft. Am 14. März wird das Gerichtsverfahren gegen Justyna Wydrzyńska fortgesetzt.

An der Demonstration beteiligten sich auch Menschen aus der exiliranischen Community. Mit Schildern und Transparenten machten sie auf die Forderungen der Aufständigen im Iran aufmerksam. Nach dem Mord der Sittenpolizei an Jîna Mahsa Amini im Oktober 2022, kommt es in dem Land immer wieder zu Protesten, Demonstrationen und Streiks. Die Forderung der Demonstrant:innen ist nicht weniger als der Sturz des fundamentalistischen Regimes im Iran. Tausende Menschen wurden inhaftiert, hunderte ermordet. Die kosmotique, ein linker Veranstaltungsraum in der Dresdner Neustadt, zeigte in Solidarität mit den kämpfenden Mädchen, Frauen und Queers die Ausstellung „Frau, Leben, Freiheit“ mit Illustrationen, die das iranischen Künstler:innenkollektivs Iranian Women of Graphic Design in einer Datenbank veröffentlicht hat.

Auch in der am 9. März eröffneten Ausstellung „Eine Frage der Nähe“ im Kunsthaus Dresden, geht es um feministische und queere Positionen. Und um einen Streik. Die Künstlerin Irène Mélix hat sich mit dem von August 1903 bis in den Januar 1904 andauernden Streik der Textilarbeiter:innen von Crimmitschau auseinandergesetzt. Ziel des Streiks waren Lohnerhöhungen und eine Reduzierung des 11- auf einen 10-Stundentag. Die Parolen der Zehnstundenkämpfer:innen „Eine Stunde für uns!“, „Eine Stunde für unsere Familie!“ und „Eine Stunde fürs Leben!“ hat die Künstlerin auf drei Fahnen aus sächsischem Damast gestickt – und damit eine eindrucksvolle Würdigung dieses zum großen Teil von Frauen getragenen Arbeitskampfes geschaffen. 

Alle Redebeiträge der Kundgebung und Demonstration können hier eingesehen werden.


Veröffentlicht am 13. März 2023 um 20:29 Uhr von Redaktion in Feminismus

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