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Die Landeshauptstadt Dresden und der Umgang mit Bettlern

22. Dezember 2008 - 21:26 Uhr - 3 Ergänzungen

Bereits im April beklagte sich der Gästeführerverband der Stadt Dresden in einem in der Sächsischen Zeit in Teilen veröffentlichten offenen Brief über die zunehmende Bettelei in der Innenstadt. In Dresden ist es bspw. verboten, auf der Brühlschen Terrasse oder im Zwinger nach Geld zu fragen, während die Polizeiverordnung nach §12 nur „aggressives Betteln“ mit Platzverweisen ahnden darf. Nach Angaben der stellvertretenden Vorsitzenden des Gästeführerverbandes Kristina Kaden hätte sich die Situation in den letzten Jahren „spürbar verschärft“. Zeitgleich wurde versucht, über die inzwischen insolvente Dresden Werbung und Tourismus GmbH (DWT) bei der Stadt Druck auszuüben.

Nach mehreren Monaten der Ruhe hat sich nun das MDR-Boulevardmagazin exakt der Sache angenommen und in einer vierteiligen Serie darüber berichtet. Im ersten Teil der Serie versucht der Sender über die Hintergründe aufzuklären und stößt bei nahezu allen befragten Personen auf Ressentiments gegenüber den oft aus Rumänien stammenden Bettlern. Das wichtigste Problem scheint zu sein, dass ihnen nicht nachgewiesen werden kann, ob sie organisiert und bandenmäßig Betteln. Oft würden sie auch Behinderungen simulieren, um damit bei den PassantInnen mehr Erfolg zu haben. Die Bettler wohnen zusammen mit ihren Familien unter äußerst schlechten Bedingungen im Keller eines unsanierten Hauses in Prohlis und bezahlen dafür 100 Euro pro Person an den Vermieter Hussein Rihilati. Die Stadt Plauen so der MDR hat im Fall der Bettelei entschiedener reagiert und ihnen nach Bürgerbeschwerden für die ganze Stadt einen Platzverweis erteilt, auch eine Art mit dem Problem umzugehen.

Im darauf folgenden zweiten Beitrag wird zunächst verkündet, dass es die Polizei inzwischen geschafft hat, das Gebäude in Prohlis aus gesundheitlichen Gründen zu räumen. Kein Wort verliert der MDR dazu, dass damit die Bettler ihre Unterkunft verloren haben und mit ihren Kindern im Herbst auf der Straße leben müssen. Stattdessen stellen die Redakteure nach gründlichen Recherchen fest, dass sie sich irgendwo bei Görlitz aufhalten sollen. Leider verzichtet exakt darauf, in Rumänien zu recherchieren um sich vielleicht dort, mitten in Europa, ein Bild von den Lebensumständen der Menschen zu machen. Im mittlerweile dritten Beitrag verfolgt der MDR nach schon bekanntem Muster mit versteckter Kamera die zurückgekehrten Rumänen quer durch die Stadt.

Was ostdeutsche Provinzmedien damit wieder einmal eindrucksvoll unter Beweise stellen, ist die Bereitschaft Menschen auf Grund ihrer Herkunft zu stigmatisieren, um klassische Vorurteile in der Bevölkerung gegenüber MigrantInnen aufrecht zu erhalten. Das Fernsehpublikum wird mit einem „Problem“ konfrontiert, dessen Ursache in keinem der Beiträge auch nur erwähnt wird. Stattdessen stand das Urteil wahrscheinlich schon zu Beginn der Dreharbeiten fest. Während der vorauseilende Gehorsam im vierten Teil sogar dazu führt, dass die Polizei in Leipzig demnächst Rosenverkäuferinnen unter Betrugsverdacht festnehmen wird. Moralische Bedenken auch im Hinblick auf die Kinder scheint keine der beteiligten Personen zu haben, weder die mutmaßlichen Betteltouristen, noch die sich nach Außen offen gebende Stadt Dresden.


Veröffentlicht am 22. Dezember 2008 um 21:26 Uhr von Redaktion in News, Soziales

Ergänzungen

  • Stadtführer klagen überzu viele Bettler in Dresden

    Von Andreas Rentsch

    Der Gästeführerverband will einen offenen Brief an Stadträte schicken, um auf die zunehmende Bettelei aufmerksam zu machen.

    In der Dresdner Innenstadt gibt es offenbar immer mehr Bettler. In den vergangenen Jahren habe sich die Situation spürbar verschärft, erklärt Kristina Kaden, die stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes der Gästeführer. Deshalb solle nun mit einem offenen Brief an die Stadträte auf die Lage aufmerksam gemacht werden.

    Keine offizielle Statistik

    Wie viele Bettler es derzeit in Dresden tatsächlich gibt, ist allerdings nicht offiziell bekannt. Statistiken führen weder das Ordnungsamt noch die Polizei. Nur „aggressives Betteln“ sei verboten und werde auf Grundlage von Paragraf zwölf der Polizeiverordnung geahndet, sagt Rathaussprecherin Anke Hoffmann. Derlei Fälle gebe es aber nur wenige. Wenn sie denn gemeldet werden, kontrollieren die Bediensteten der Stadt die Papiere der besagten Person und erteilen dann einen Platzverweis. Generell verboten ist Betteln zum Beispiel auf der Brühlschen Terrasse oder im Zwinger, sagt Gottfried Dominik von der Schlösserverwaltung des Freistaats. Dennoch werden auch auf dem „Balkon Europas“ Touristen um milde Gaben gebeten.

    Vertreter der hiesigen Touristikbranche sind verärgert. „Ich sage meinen Gästen mittlerweile, sie sollen diesen Gestalten nichts geben“, schimpft die Stadtführerin Regine Kempe. Das gelte für die „lebenden Statuen“ am Fürstenzug genauso wie für Bettler vor der Frauenkirche. Kempe behauptet sogar, dass die Frau, die regelmäßig mit ihrer Krücke über den Neumarkt humpelt, gesund sei und ganz normal laufen könne. Kollegen bestätigen Kempes Einschätzung.

    Viele Touristen werfen dennoch Münzen in die Schachteln, die ihnen die Bettler hinhalten. Gerti Vöckler aus Naumburg ist mit ihrer Rheuma-Liga-Gruppe nach Dresden gereist. „Nicht gerade schön“, findet die Ruheständlerin die Art und Weise, wie sie als Touristin um Geld angegangen wird. Offenbar lässt sich aber mit der einen oder anderen Masche gut Geld verdienen. Das jedenfalls hat Kristina Kaden recherchiert. Als sie einmal an einem sonnigen Tag 45 Minuten auf ihre nächste Reisegruppe warten musste, habe sie die Münzen gezählt, die in den Becher einer „lebenden Statue“ neben ihr wanderten, erzählt die Gästeführerin. „Zum Schluss waren es 120 Euro.“

    Die Dresden Werbung und Tourismus GmbH (DWT) hat reagiert. „Wir haben Hinweise aufgenommen und an Ordnungsbürgermeister Sittel weitergeleitet“, berichtet DWT-Chefin Yvonne Coulin. Der Dezernent habe in Aussicht gestellt, dass die Ordnungsamtsmitarbeiter stärker Präsenz zeigen, falls sich die Situation verschärfen sollte. Gleichzeitig relativiert Coulin: „Kleinkunst befürworte ich – sie belebt einen Platz wie den Neumarkt.“

    Wanderung setzt sich fort

    Experten rechnen nicht damit, dass die Bettlerschaft in der Stadt gravierend wachsen wird. „Das, was zurzeit passiert, liegt nicht an der Spezifik von Dresden, sondern an der Dynamik von Wanderungsbewegungen“, erklärt der TU-Professor Ulrich Esser. „Diese Menschen werden weiter wandern.“ Duldsam will man auch an der Frauenkirche mit den Almosen-Sammlern umgehen. Mandy Dziubanek von der Stiftung sieht größere Zusammenhänge: „Wenn gebettelt wird, spiegelt das auch die Situation im Land wider.“

    Quelle: Sächsische Zeitung (21.04.08)

  • Betrug vereitelt – Polizei warnt vor vermeintlichen Spendensammlerinnen

    Zeit: 07.01.2009, gegen 15.00 Uhr
    Ort: Dresden-Innere Altstadt

    Am Nachmittag informierten Passanten die Dresdner Polizei über eine Frau, welche an der Prager Straße im Namen eines Dresdner Hilfsprojektes Spenden sammelte. Dass dies nur ein Vorwand war, bestätigte ein Anruf der Dresdner Polizei bei dem Hilfsprojekt.

    Alarmierte Beamte suchten daraufhin in der Innenstadt nach der beschriebenen Frau. Schließlich stellten sie in einer Einkaufspassage eine Frau (26) und ein Mädchen (12) fest, welche gerade an zwei Passanten Rosen verschenkten und dabei um eine Spende baten. Zur Übergabe von Bargeld war es in diesem Fall noch nicht gekommen.

    Die Personalienüberprüfung ergab, dass die 26-jährige Rumänin bereits durch ebensolche vermeintlichen Spendensammlungen aufgefallen war.

    Die Dresdner Polizei ermittelt wegen Betrugsverdachtes. Zudem muss sich die 26-Jährige wegen eines Verstoßes gegen das Sächsische Sammlungsgesetz verantworten.

    Quelle: Pressemitteilung der Polizei Dresden (08.01.09)

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