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Ein König bekommt niemals kalte Füße

16. März 2013 - 00:18 Uhr - Eine Ergänzung

"Lothar König bekommt niemals kalte Füße" (Quelle: twitter.com/KatharinaKoenig/status/312191839073615872)

Gestern fand im Dresdner Landtag in Vorbereitung auf den Prozess gegen Lothar König eine Pressekonferenz statt, um noch einmal an die Hintergründe des Verfahrens, aber auch die spezielle Situation in Sachsen zu erinnern, bei der in den letzten Jahren immer wieder zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen Naziaufmärsche zum Ziel staatlichen Ermittlungseifers geworden war. In einer zu Beginn verlesenen Erklärung seines Verteidigers, erinnerte dieser an die eigentliche Funktion des Stadtjugendpfarrers, welcher es als seine Pflicht angesehen habe, auch an jenem Tag seinen „seelsorgerischen Pflichten“ als Geistlicher nachzugehen. Nach Ansicht seines Rechtsanwalts Johannes Eisenberg „überdehne“ die Dresdner Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage bewusst die Strafttatsbestände des „schweren und aufwieglerischen Landfriedensbruchs“. König habe seiner Ansicht nach lediglich versucht, in einer Konfliktsituation zu einem „geordneten und Eskalation vermeidenden Verhalten beizutragen“.

Für Dresdens früheren Superintendenten Christof Ziemer steht fest, dass König nicht mit der Absicht nach Dresden gekommen war, „um den Landfrieden zu brechen“, sondern um gegen den „faulen Frieden mit Falschen“ in der Stadt zu protestieren. Auch das Recht auf friedliche Demonstrationen habe im Herbst 1989 zunächst gegen den Willen der DDR-Führung erstritten werden müssen und schließe, so Ziemer weiter, heutzutage andere Formen von Demonstrationen, wie friedliche Blockaden mit ein. Ihm schloss sich auch der ehemalige Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel und Anetta Kahane an, die in dem bevorstehenden Prozess den Versuch sehen, Menschen für ihr zivilgesellschaftliches Engagement einzuschüchtern und Proteste gegen Nazis zu diskreditieren. Nicht Parteien, sondern vor allem die Bürgerinnen und Bürger hätten in diesem Landes zu einer Veränderung politischer Kultur beigetragen, so das Fazit von Wolf-Dieter Narr, der als Vertreter des „Komitees für Grundrechte und Demokratie“ ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesend gewesen war.

Annetta Kahane von der Amadeo Antonio-Stiftung erinnerte an die Bedeutung des Engagements von Lothar König in den schwierigen Jahren nach der Wiedervereinigung und der ständigen Bedrohung, denen sowohl alternative Jugendliche, als auch Migrantinnen und Migranten ausgesetzt gewesen sind. Er war einer der wenigen Menschen, die damals frühzeitig vor einem Wiedererstarken des Rechtsextremismus gewarnt und entsprechend gehandelt hätten. Dass er mit seiner Einschätzung angesichts der Taten des Jenaer Bombentrios „Nationalsozialistischer Untergrund“ NSU recht behalten sollte, habe nach ihrer Einschätzung die Institutionen „wütend“ gemacht. König selbst äußerte sich auf dem gestrigen Podium nicht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Lediglich zum Abschluss der Runde kommentierte er auf Nachfrage seine aktuelle Verfassung mit den Worten: „Ich erlebe Tage, da geht es mir richtig gut, da bin ich voller Hoffnung. Und dann hänge ich wieder ganz schön durch.“.

Dem Jenaer Stadtjugendpfarrer wird unter anderem vorgeworfen, am Rande der Proteste gegen mehrere für den 19. Februar 2011 geplante Naziaufmärsche, aus dem Lautsprecherwagen der JG Stadtmitte, Demonstrantinnen und Demonstranten zu Gewalttätigkeiten gegen Personen und Sachen aufgewiegelt zu haben. Außerdem soll der Wagen dazu gedient haben, Personen zu verbergen, die sich zuvor an Straftaten beteiligt haben sollen. Im Laufe des Tages war es in der Dresdner Südvorstadt mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und der Polizei gekommen. Bei den erfolgreichen Protesten zehntausender Menschen waren neben etwa 100 Einsatzkräften auch mehrere hundert Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten zum Teil schwer verletzt worden.

Erst im Januar war ein Berliner Antifaschist am Dresdner Amtsgericht wegen ähnlicher Tatvorwürfe zu einer Haftststrafe von 22 Monaten verurteilt worden. Dem 36jährigen Familienvater war vorgeworfen worden, für einen Durchbruch auf der Bernhardstraße verantwortlich gewesen zu sein. Damals waren mehrere hundert Menschen durch eine Polizeiabsperrung durchgebrochen unf vier Beamte dabei leicht verletzt worden. Das Gericht sah in dem Angeklagten einen der Verantwortlichen und verurteilte ihn, obwohl ihm weder eine konkrete Tatbeteiligung, noch eine Beleidigung zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, zu einer fast zweijährigen Gefängnisstrafe ohne Bewährung. Die Staatsanwaltschaft ging gegen des ihrer Meinung nach zu milde Urteil ebenso wie die Verteidigung wenige Tage später in Berufung. Ein neuer Prozesstermin wurde noch nicht anberaumt.

Der große Erfolg in Dresden in diesem, aber auch im vergangenen Jahr ist nur möglich gewesen, weil sich Menschen wie Tim und Lothar dafür eingesetzt haben, Nazigroßaufmärsche auch Jahrzehnte nach dem Ende des Nationalsozialismus nicht zur Normalität werden zu lassen. Die direkte Folge der Ereignisse vom 19. Februar 2011 ist nicht nur eine juristische, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Debatte darüber, ob das Verhindern von rechten Demonstrationen wie in Dresden legitim ist oder nicht. Es war keineswegs die besondere Form der sächsischen Demokratie, die einen der größten Naziaufmärsche Europas verhindert hat, sondern der spektrenübergreifende Widerstand tausender Menschen, die spätestens nach den staatlich gebilligten Morden des NSU nicht mehr tatenlos zusehen wollten, wie Nazis auch mehr als 60 Jahre nach Kriegsende mit geschichtsrevisionistischen Parolen durch die Straßen ziehen. Die noch immer von Repression betroffenen Menschen brauchen auch heute noch eure Unterstützung. Organisiert Soliparties und spendet für die Kosten der noch immer laufenden Verfahren! Der Prozess gegen Lothar König beginnt am 19. März um 9 Uhr vor den Dresdner Amtsgericht und wurde zunächst auf sechs Verhandlungstage angesetzt.

Für die Unterstützung in dem Fall bitte spendet an:

JG-Stadtmitte Förderkreis e.V.:
Kontonummer: 80 25 320
Bankleitzahl: 520 604 10
Evangelische Kreditgenossenschaft
Verwendungszweck: „Prozesskostenhilfe“


Veröffentlicht am 16. März 2013 um 00:18 Uhr von Redaktion in Antifa

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