Antifa

Jahrelanger Prozess nach Polizeiübergriff

17. Juli 2010 - 10:19 Uhr - 2 Ergänzungen

Auf das Geschäftsbüro des Netzwerks für Demokratische Kultur e.V. (NDK-Wurzen) war in der Nacht zum 7. November 2004 ein Anschlag verübt worden. Dabei wurde erfolglos versucht, mit zwei Sprengkörpern eine Scheibe und die Eingangstür des Büros zu zerstören. Nur wenige Tage später sollte in den Räumlichkeiten des 1999 gegründeten NDK ein vom Netzwerk „Tolerantes Sachsen“ organisiertes „Landestreffen der Projekte, Vereine und Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ stattfinden. Am folgenden Tag wurde eine Demonstration von mehreren hundert Menschen von der Polizei teils brutal angegriffen. Der Zivilprozess eines der Opfer wird demnächst am Dresdner Oberlandesgericht weitergeführt.

Der missglückte Anschlag sollte für den Teilnehmer an einer Spontandemonstration am Abend nach dem Anschlag noch schwere gesundheitliche Folgen haben. Ein am Einsatz beteiligter Polizist schlug dem damals 21jährigen Dresdner Antifaschisten mit einem Schlagstock unvermittelt ins Gesicht und verletzte ihn schwer. Es folgten etliche Operationen bei denen u.a. Teile des Kiefers entfernt werden mussten. Eine Anzeige gegen Unbekannt wurde wie so oft in solchen Fällen nach einigen Monaten durch die zuständige Staatsanwaltschaft eingestellt. Auch eine Zivilklage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Freistaat Sachsen lehnte das Landgericht Leipzig im März ab. In der Begründung des Berufungsgerichts heißt es, dass es strittig ist, „ob die Situation in Wurzen zu dem Zeitpunkt schon eskaliert war oder nicht“.

Der Geschädigte hat gegen das Urteil Berufung vor dem Oberlandesgericht eingelegt und will erreichen, dass der folgenschwere Übergriff aktenkundig wird, damit die Beamtinnen und Beamten erkennen, dass sie „mit so einem Verhalten nicht einfach davonkommen“.

Zum Zeitpunkt der Demonstration hatten sich am Bahnhof der mittelsächsischen Kleinstadt knapp 300 Menschen versammelt, um ihren Unmut gegen die Zustände in Wurzen auf die Straße zu tragen. Nur wenige hundert Meter weiter wurde die Demonstration nach mehreren Polizeiübergriffen beendet. Im Anschluss griffen mehr als 20 Nazis eine Gruppe Wurzener Jugendliche auf dem Heimweg an und verletzten dabei zwei der Jugendlichen.

Sowohl Teile des NDKs als auch der damalige Polizeichef von Grimma und jetzige Landespolizeipräsident Bernd Merbitz hatten sich nach dem Anschlag gegen eine Demonstration ausgesprochen und vor einer Eskalation der Situation gewarnt. Der Anschlag selbst konnte oder sollte bis heute nicht aufgeklärt werden. Auch das hat Kontinuität in Sachsen.


Veröffentlicht am 17. Juli 2010 um 10:19 Uhr von Redaktion in Antifa

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