Antifa

Proteste, Wahlkampf, Streitigkeiten – AfD hält Bundesparteitag in Dresden ab

7. April 2021 - 17:29 Uhr

Trotz des Beginns der dritten Coronainfektionswelle plant die AfD am 10. und 11. April in der Dresdner Messe ihren Bundesparteitag abzuhalten. Über 600 Delegierte aus dem gesamten Bundesgebiet sollen dafür anreisen. Auf dem Parteitag wird neben der Absegnung des Programms zur Bundestagswahl auch der Machtkampf zwischen dem scheinaufgelösten völkisch-nationalistischen Flügel und den Liberal-konservativen im Mittelpunkt stehen. Nachdem im Februar der Landesparteitag an gleicher Stelle nur von wenig Protest begleitet war, ruft für das zweite April-Wochenende ein Zusammenschluss mehrerer Dresdner Gruppen zu Corona-konformen Protesten rund um den Parteitag auf. Die Wahlen am 26. September sind für die AfD richtungsweisend, während sie 2017 auf 12,6% der Stimmen kam, liegt sie entgegen ihrem Trend in den neuen Bundesländern aktuell bei 10%.

Soziale Bewegungen sind die beste Waffe gegen Faschist*innen!

Mehrere Gruppen, darunter die „Antifaschistische Jugend Dresden“ , „Ende Gelände“ und „Hope“ rufen dazu auf, am 10. April gegen den Bundesparteitag der AfD auf die Straße zu gehen. „Neutralität hin oder her: Wir haben ein Problem damit, wenn Faschist*innen sich hier treffen. Deswegen wollen wir am 10. April dafür sorgen, dass Dresden keine Wohlfühlzone für die AfD ist“, heißt es dazu in einem gemeinsam veröffentlichten Aufruf auf der Seite der „Undogmatischen radikalen Antifa Dresden“ (URA). Unter dem Motto „Soziale Bewegungen sind die beste Waffe gegen Faschist*innen!“ wird bisher zuzwei Fahrradkorsos aufgerufen, die als Zubringer zu einer von Dresden Nazifrei angemeldeten Kundgebung vor dem Messegelände dienen sollen. Gegenüber addn.me erklärten die Veranstalter:innen, dass nicht nur gegen die „faschistische AfD“ protestiert werden soll. Vielmehr gehe es darum, der „Politik der sozialen Spaltung einen solidarischen Gesellschaftsentwurf entgegenstellen“. Der Aufruf spricht auch die Kämpfe von FLINT*-Personen, Kämpfe um Klimagerechtigkeit, für bessere Arbeitsbedingungen und den Widerstand gegen Zwangsräumungen an: „Wir wollen die Stimmen all derer stark machen, die sich täglich in sozialen Bewegungen für ein anderes, ein solidarisches Miteinander einsetzen“.

Kritik üben die Organisator:innen an der Stadt, deren Tochtergesellschaft „Messe Dresden“ der Partei die Räumlichkeiten zu Verfügung stellt. Während andere Parteien mittlerweile ihre Parteitage in digitalen Formaten abhalten, ist die Alternative für Deutschland die einzige Partei, bei der sich die Mitglieder trotz weitreichender Ausgangsbeschränkungen präsent treffen. Schon zum Landesparteitag der AfD im Februar hatte dieser Umstand und die räumliche Nähe zum Impfzentrum für Unmut gesorgt. Gegenüber addn.me äußerte sich die Pressesprecherin der Proteste fassungslos, dass der Partei erneut Raum geboten wird: „Während Pflegekräfte um Menschenleben kämpfen, die Intensivbetten an ihre Kapazitätsgrenzen kommen und Menschen alles tun, um die Pandemie abzumildern, hält die selbsternannte Alternative einen Parteitag mit mehreren hundert Menschen ab“. Weiter führt sie aus, „dass die Messe Dresden in der Nähe zum Impfzentrum einer Partei Platz bietet, die in den Wochen zuvor mit Leugner:innen der Pandemie durch die Straßen zog und mit populistischer Angstmacherei Stimmung gegen Impfen macht, ist nicht nur skandalös, sondern auch ein gefährliches Bild das nach außen gegeben wird“. Möglich wird die Durchführung des Parteitages trotz weitreichender Beschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund einer Ausnahme in der Corona-Schutzverordnung, auf die sich die Partei beruft.

Gewohnt reaktionär

Inhaltlich wird es beim kommenden Bundesparteitag vor allen um das Programm zur anstehenden Bundestagswahl gehen. In dem bereits veröffentlichten 73 Seiten umfassenden Vorentwurf bleibt die Partei ihren rassistischen, antifeministischen und klimawandelleugnenden Positionen treu. So fordert sie, das Pariser Klimaabkommen vom 12.12. 2015 aufzukündigen und „jegliche Form der CO2-Besteuerung […] abzuschaffen“. Dass die Partei dabei nicht Wissenschaft, sondern Bauchgefühl als Gradmesser nimmt, zeigt die Behauptung, dass die „Menschheitsgeschichte belegt, dass Warmzeiten immer zu einer Blüte des Lebens und der Kulturen führten, während Kaltzeiten mit Not, Hunger und Kriegen verbunden waren“. Darüber hinaus sei ihrer Ansicht nach „bis heute nicht nachgewiesen, dass der Mensch, insbesondere die Industrie, für den Wandel des Klimas maßgeblich verantwortlich ist“.

Auch im Absatz zur Familienpolitik zeigt sich die AfD gewohnt reaktionär. Ziel ist eine „Willkommenspolitik für Kinder“ sowie eine „aktivierenden, also geburtenfördernden Familienpolitik“. Die Familie ist dabei „Keimzelle unserer Gesellschaft, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern“. Rechte von homosexuellen Lebenspartner:innen kommen im Programm nicht vor. Dafür jedoch eine „Kommerzialisierung des Mutterleibes durch bezahlte Leihmutterschaften“, gegen die sich AfD „strikt“ ausspricht. Auch Schwangerschaftsabbrüche will die Alternative für Deutschland noch viel stärker reglementieren, statistisch erfassen und Verstöße „ahnden“. „Wir lehnen alle Bestrebungen ab, die Tötung Ungeborener zu einem Menschenrecht zu erklären“, fasst die Partei prägnant ihre gegen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung von Frauen abzielenden Positionen zusammen. Das  Bündnis gegen den Bundesparteitag der AfD schreibt dazu in ihrem Aufruf: „Antifeminismus gehört schon immer zu einer der wesentlichen Grundfesten von rechten Ideologien“. Trotz einiger Frauen an der Spitze der Partei, sei Antifeminismus seit der Gründung eine Konstante im Parteiprogramm, erklärte das Bündnis gegenüber addn.me.

Gewohnt zerstritten

Für Streit könnte am kommenden Wochenende auch die Auseinandersetzung zwischen dem liberal-konservativen Teil der Partei und den ehemaligen Flügel sorgen. Auch wenn die Partei versucht, im Vorfeld der Bundestagswahl Einigkeit zu demonstrieren, lässt einiges darauf schließen, dass es hinter den Kulissen rumort. So fordern 50 Abgeordnete die  Aufnahme eines Antrages, der die Abwahl von Jörg Meuthen als Bundeswahlsprecher der Partei vorsieht. Grund für die Abwahl sei die mangelnde Loyalität Meuthens gegenüber der Partei, da dieser im Fernsehen einen Fraktionsvorsitzenden als „kleinen, völlig unbedeutenden Regionalpolitiker“ und dessen Programatik mit „völkisch“ umschrieben haben soll, so die Begründung des Antrages. Und eine weitere Personalie sorgt für Streitigkeiten. In einem durch den Landesvorstand Thüringen, Brandenburg und Niedersachsen eingebrachten Antrag, wird die Wiedereinstellung des Bundestagsabgeordneten Roland Hartwig als Leiter der „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ gefordert. Hartwig war von Meuthen in die Position berufen worden und sollte sich mit einer im Raum stehenden Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz befassen. Im Dezember wurde der frühere Chefjurist der Bayer AG dann vom Bundesvorstand abberufen. Zuvor fiel der ehemalige Meuthen-Befürworter Hartwig damit auf, sich gegen den Ausschluss des Vorsitzenden der Brandenburger AfD Andreas Kalbitz ausgesprochen zu haben.

Auch der Antrag zur Wahl eines Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl durch mehrere ostdeutsche Landesverbände, inklusive des sächsischen, dürfte Jörg Meuthen und seine Anhänger:innen nicht erfreuen. Der Bundesvorstand hatt erst unlängst beschlossen, keine Spitzenkandidat:innen auf dem Bundesparteitag benennen zu wollen. Wie die Zeit berichtet, wohl auch aus Angst vor einem Spitzenduo aus dem Flügel-nahen Tino Chrupalla und der erzkonservativen Alice Weidel. Ersterer zeigte sich auch entsprechend verärgert über die Entscheidung des Bundesvorstandes: „Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundesvorstand die Entscheidung darüber, wie die AfD in den Bundestagswahlkampf zieht, dem Parteitag überlässt“, wird Chrupalla in der Zeit zitiert. Ob die Anträge vor Ort in der Dresdner Messe am Ende durchgehen ist ungewiss. Ebenso wie der seit geraumer Zeit schwelende Richtungsstreit in der Partei entschieden wird. Für die Aktivist:innen, die gegen den Bundesparteitag mobil machen, steht diese Entscheidungen jedoch nur im Hintergrund, wie sie gegenüber addn.me erklärten: „Ob Flügel oder Neo-liberaler Teil der Partei: zwei Seiten der gleichen Medaille von Ausgrenzung, Unterdrückung und Ausbeutung. Beide finden sich wieder in Antifeminismus, Rassismus und autoritärem nationalstaatlichem Handeln. Wir werden am 10. April da sein und eine emanzipatorische Perspektive stark machen.“

Bild: Leonhard Lenz – von den Protesten gegen Landesparteitag der AfD-Berlin in der Zitadelle Spandau


Veröffentlicht am 7. April 2021 um 17:29 Uhr von Redaktion in Antifa

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