Soziales

„Grenzenlos ist nur ihr Zynismus“ – Blockupy-Kundgebung in Dresden

18. Mai 2014 - 15:53 Uhr

Vom 15. bis zum 17. Mai fanden in 13 Ländern Europas unter der Losung „Solidarity Beyond Borders – Building Democracy from below!“ Aktionstage in Vorbereitung auf die Eröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB) im kommenden Herbst statt. Das Ziel verschiedener Gruppen und Bündnisse war es, vor den anstehenden Wahlen zum Europaparlament auf die autoritäre Krisenpolitik der Europäischen Union und ihre sozialen Folgen für weite Teile der Bevölkerung aufmerksam zu machen. Dabei ging es auch um bezahlbaren Wohnraum, gerechte Arbeitsbedingungen und die Forderung nach einer „wirklichen Demokratie“. An den vier zentralen Veranstaltungen beteiligten sich gestern in insgesamt vier deutschen Städten mehrere tausend Menschen mit Aktionen des zivilen Ungehorsams. Anders als in Düsseldorf und Stuttgart (Fotos), wo die Proteste weitestgehend friedlich verliefen, griffen in Berlin (Fotos 1 | 2) und Hamburg (Film) Polizeieinheiten die Demonstrationen gewaltsam an und nahm zahlreiche Menschen vorläufig in Gewahrsam. Am Vortag waren bei einer Kundgebung gegen das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP im belgischen Brüssel rund 250 Menschen von der Polizei festgenommen worden.

Anlässlich der Blockupy-Aktionstage war im Vorfeld auch im Dresdner Stadtteil Klotzsche zu einer Kundgebung vor der dortigen IABG-Filiale aufgerufen worden. Ein Geschäftsfeld der „Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH“ ist die zentrale Analyse- und Testeinrichtung der Luftfahrtindustrie und des Verteidigungsministeriums. Das Unternehmen arbeitet nach eigenem Bekunden als Dienstleister eng mit dem europäischen Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS und der Bundeswehr zusammen. Die etwa 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kritisierten am Donnerstag vor der so genannten „Geodata Factory“ von IABG in Dresden unter anderem deren Mitwirken am EU-Projekt LOBOS, welches dazu dienen soll, die europäische Grenzagentur FRONTEX mit immer neuen und miteinander vernetzten ܜberwachungstechnologien auszustatten. Gewonnene Satellitendaten werden in das im vergangenen Jahr gestartete EUROSUR-System für Grenzüberwachung einpflegt und sind damit künftig ein wichtiger Bestandteil der automatisierten Flüchtlingsabwehr.

Während die EU-Außengrenzen zur Migrationsabwehr aufgerüstet werden, beteiligen sich deutsche Konzerne bereits seit Jahren an der Erforschung und Entwicklung von High-Tech-Anwendungen zur satellitengestützten ܜberwachung von Küstengebieten und zum Auffinden von Schiffen in Hochseegewässern, um in Zukunft Flüchtlinge noch effektiver abwehren zu können. Viele der aus Mitteln der Europäischen Union finanzierten Projekte führen häufig jedoch dazu, dass Flüchtlinge immer größere Risiken eingehen müssen, um europäisches Festland zu erreichen. Da für die meisten von ihnen kaum eine legale Möglichkeit existiert, überhaupt einen Asylantrag in einem der zu Europa gehörenden Länder zu stellen, lassen die mit Geldern der EU finanzierten Programme zur Aufrüstung und Abschottung an den Grenzen aber auch der Umgang mit Asylsuchenden hierzulande erkennen, was unter europäischer Flüchtlingspolitik im 21. Jahrhundert verstanden werden muss. An den europäischen Außengrenzen und in Europa kamen in den letzten 15 Jahren nach Recherchen des Datenbankprojekts „The Migrant’s Files“ mehr als 23.000 Migrantinnen und Migranten ums Leben. Allein in den letzten zwei Wochen starben mindestens 50 Menschen auf der gefährlichen Überfahrt zur italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa.

Zu der Kundgebung unter den Motto: „Grenzenlos ist nur ihr Zynismus“ hatten die Dresdner Gruppen Polar und Ausser Kontrolle aufgerufen. Beide Gruppen wollten damit ihre Solidarität mit allen vom europäischen Festungszaun betroffenen Menschen ausdrücken und aufzeigen, was deutsche Austeritätspolitik mit militärisch-ziviler Exportweltmeisterschaft und der Situation von Flüchtlingen zu tun hat. Ihre Kritik richtete sich in Dresden an ein Unternehmen, welches Behörden mit Informationen versorgt, die in der Vergangenheit schon mehrfach Boote mit Flüchtlingen zur Umkehr gezwungen hatten. Im Nachgang bewerteten sie die Aktion als Erfolg. So hatte das Unternehmen in unmittelbarer Nähe zum Dresdner Flughafen schon am Nachmittag sein Pforten geschlossen, nachdem die Firmenleitung ihren Angestellten auf Grund der angekündigten Proteste einen vorzeitigen Feierabend empfohlen hatte.

Twittermeldungen zu den Aktionstagen: #Europe4the99 | #MayOfSolidarity


Veröffentlicht am 18. Mai 2014 um 15:53 Uhr von Redaktion in Soziales

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