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Außer Gewalt nichts gewesen – Der Dritte Weg in Zwickau

4. Mai 2022 - 15:47 Uhr

Am vergangenen Sonntag demonstrierten rund 700 Antifaschist:innen in Zwickau gegen einen Aufmarsch (Bilder 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8) des Dritten Weges anlässlich des 1. Mai. Zu den Protesten gegen den Naziaufmarsch hatte im Vorfeld ein breites Bündnis linker und zivilgesellschaftlicher Gruppen aus der westsächsischen Stadt aufgerufen. Während es in Zwickau selbst ruhig blieb, kam es im Vorfeld an zwei Bahnhöfen zu rechten Angriffen auf Antifaschist:innen.

Noch bevor der Aufmarsch des Dritten Weges überhaupt begann, machten schockierende Nachrichten in den sozialen Medien die Runde. Bei einem Zwischenstopp des Zuges am Chemnitzer Hauptbahnhof trafen aus Dresden anreisende Antifaschist:innen auf eine Gruppe von 50-60 Personen der neonazistischen Kleinstpartei. Die Nazis griffen dabei die sich im Zug aufhaltenden Antifaschist:innen an, erklärte ein Augenzeuge des Geschehens gegenüber addn.me: „Die Nazis haben mit Gewalt versucht, in den bereits vollen Zug einzudringen und mehrfach auf Menschen eingeprügelt“. Als ein erster Versuch scheiterte, seien die Antifaschist:innen mit Flaschen beworfen worden. Ein Eindringen der Nazis konnte jedoch verhindert werden. Die Polizei, so der Augenzeuge, sei erst spät eingetroffen und habe die Angreifer:innen nur zögerlich festgesetzt und später ohne Personalienfeststellung nach Zwickau weiterfahren lassen. Bilanz des kurzen Zwischenstopps in Chemnitz: mehrere leichtverletzte Personen.

Dass die Polizei Sachsen im Nachgang von „verbalen Auseinandersetzungen“ sprach, macht den Augenzeugen fassungslos. „Die eingesetzten Beamt:innen müssen am Bahnhof gesehen haben, dass überall Scherben rumlagen und es sich um einen Angriff gehandelt haben muss und nicht nur um eine verbale Auseinandersetzung. Auch das Personal des Zuges muss die Gewalt der Nazis gesehen haben“, so der Betroffene gegenüber addn.me. Nach ersten Informationen von Recherchegruppen beteiligten sich neben Nazis aus Chemnitz auch Mitglieder des Dritten Weg aus Berlin.

Für die Antifaschist:innen, die mit einer Viertelstunde Verspätung weiterfahren konnten, sah es zunächst so aus, als könnten sie nun in Ruhe zur Demonstration in Zwickau reisen. Doch bereits zwei Haltestellen später, am Bahnhof von Glauchau, erwartete die Bahnreisenden erneut eine Gruppe von rund 40 Nazis. Auch hier berichtete ein Augenzeuge gegenüber addn von ähnlichen Szenen, wie in Chemnitz: „Die Nazis sind sofort als die Türen aufgingen auf uns losgegangen. Sie hatten bereits Flaschen und Steine in der Hand, die auch massiv zum Einsatz kamen. Im Gegensatz zu den meisten Mitteilungen war das kein Angriff auf den Zug, sondern auf die sich im Zug befindenden Antifaschist:innen“. Polizist:innen der Bundespolizei trafen erneut erst mehrere Minuten nach dem Angriff ein, als die Nazis bereits das Gleis verlassen haben sollen. Ein Antifaschist musste im Nachgang aufgrund einer Platzwunde am Kopf im Krankenhaus behandelt werden, mehrere Personen wurden leicht verletzt. 

https://twitter.com/benjamin_meyer2/status/1520684777866735617

Laut der Gruppe „Recherche Nord“ soll an dem Übergriff auch der langjährige Döbelner Nazi Stefan Trautmann beteiligt gewesen sein. Das „Antifa Recherche Team Dresden“ (ART) schrieb in seiner Auswertung zum 13. Februar 2022, dass Trautmann erst wenige Monate zuvor gemeinsam mit Kadern des „Dritten Weg“ als Ordner beim Trauermarsch in Dresden fungierte. Wie die Polizei Sachsen mitteilte, wurden im Nachgang des Angriffes 38 Personen in Glauchau festgesetzt und in Gewahrsam genommen. Ihre Flucht wurde von einem herbeigerufenen Hubschrauber verfolgt, wie die Freie Presse berichtete. Es wurden Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch, wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und wegen Körperverletzung eingeleitet. Nach der Spurensicherung der Polizei konnten die Antifaschist:innen mit einer Stunde Verspätung ihre Reise nach Zwickau fortsetzten.

Dass es rund um den 1. Mai zu Angriffen durch Nazis kommt, ist keine neue Sache. In den letzten Jahren machten immer wieder Übergriffe auf vermeintliche Linke Schlagzeilen. So schlugen 2015 Nazis drei Punks in Saalfeld zusammen, so dass diese im Krankenhaus behandelt werden mussten. Wie sich später herausstellte, waren unter den Nazis auch später teilweise zu langjährigen Haftstrafen verurteilte Mitglieder der „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD). Im Jahr  darauf löste die Polizei die Versammlung des „Dritten Weg“ in Plauen mit Wasserwerfern auf, nachdem aus dieser heraus versucht worden war, Antifaschist:innen anzugreifen. 

In Zwickau selbst kam es in diesem Jahr jedoch zu keinen weiteren Auseinandersetzungen. Die Polizei riegelte den Demonstrationszug des „Dritten Weg“ mit einem Großaufgebot von 1.100 Beamt:innen weiträumig ab. Unterstützung erhielten die sächsischen Einsatzkräfte dabei aus Berlin, Brandenburg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, sowie von der Bundespolizei. Mehrere Versuche, die Route der Nazis zu blockieren, wurden von den eingesetzten Beamt:innen verhindert. Auch der angekündigte Protest in Sicht- und Hörweite wurde untersagt. Nur bei der Abreise konnte die Antifaschist:innen einen kurzen Blick auf die Endkundgebung werfen und ihren Protest zum Ausdruck bringen. In Crimmitschau waren laut Bericht der Polizei, vier abreisende Nazis von Unbekannten angegriffen worden. Der „Dritte Weg“ bemühte sich anschließend, die Geschehnisse vom Vormittag als Angriffe seitens der Antifaschist:innen darzustellen, die in der Attacke am Abend kulminiert seien.

So zog die mit rund 700 Antifaschist:innen gut besuchte Demonstration unter dem Motto „Faschismus, Krieg und Krise – Schuld ist das System!“ durch Zwickau. „Bei Vielen scheint der linke Urgedanke, an diesem Tag für die internationale Arbeiter*innenklasse einzustehen, in Vergessenheit geraten. Der „III. Weg“ und seine Neonazis bieten auf der Gegenseite zudem lediglich eine verkürzte Kapitalismuskritik, gepaart mit ihrer rassistisch-völkischen Ideologie, welche auf Ungleichheit und Unterdrückung beruht“, hieß es in einem zuvor veröffentlichten Aufruf. Ziel der Demonstration sei es demnach gewesen, dem „eine echte antikapitalistische und gleichzeitig solidarische Bewegung entgegenzustellen!“. Auf der Auftaktkundgebung wurden so nicht nur klassisch antifaschistische Themen behandelt. Antifaschismus wurde vielmehr als wichtiger Teil des Kampfes verschiedener politischer Strömung, etwa der Klima- oder der Friedensbewegung benannt. Nur eine Überwindung des herrschenden Kapitalismus führe auf Dauer zur Überwindung von Faschismus und Krieg.

Zu der Demo der rechten Kleinstpartei waren lediglich 270 Nazis angereist. Damit dürfte die Veranstaltung weit unter den Erwartungen geblieben sein. Angemeldet waren 500 Personen, also fast doppelt so viele, wie sich schlussendlich in Zwickau einfanden. 2019 kamen noch 500 Nazis in die Stadt Plauen. Neben Zwickau und Plauen befindet sich ein weiterer Stützpunkt der Partei im mittelsächsischen Freiberg. Bereits im letzten Jahr wollte der „Dritte Weg“ seine zentrale Demonstration in Sachsen abhalten. Aufgrund der Corona-Pandemie war jedoch nur eine stationäre Kundgebung mit 50 Personen in Plauen erlaubt worden

Der Misserfolg dürfte nicht zuletzt auch auf interne Zerwürfnisse zurückzuführen sein. Eine Abspaltung des „Dritten Weg“, die Partei „Neue Stärke„, organisierte in Erfurt eine eigene Demonstration, an der sich 130 Nazis beteiligte. Eine weitere rechte Demonstration fand in Dortmund statt. Dort hatte die NPD und die Partei „Die Rechte“ aufgerufen. Auch hier folgten um die 250 Nazis dem Aufruf der beiden Parteien. Im nicht weit von Zwickau entfernten Zwönitz versammelten sich wenige hundert Personen zu einer Veranstaltung der „Freien Sachsen“. Auch dort beteiligten sich bekannte rechte Kader aus Sachsen.

Bild: Protestfotografie Dresden


Veröffentlicht am 4. Mai 2022 um 15:47 Uhr von Redaktion in Antifa, Nazis

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