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Haftstrafe für Beamtenbeleidigung

6. März 2013 - 23:59 Uhr - 6 Ergänzungen

Mehr als einen Monat nach dem harten Urteil gegen den Berliner Antifaschisten Tim ist der Verteidigung des Angeklagten vom Dresdner Amtsgericht das schriftliche Urteil zugestellt worden. Aus der kurz gehaltenen Urteilsbegründung geht hervor, dass dem Familienvater weder eine konkrete Tatbeteiligung, noch eine Beleidigung nachgewiesen werden konnte. Obwohl in der Erklärung selbst sogar festgestellt wird, dass der Angeklagte keine Gegenstände geworfen oder Körperverletzungen begangen hat, reichte dem Gericht offenbar die Vermutung, er habe einen Polizisten im Vorbeigehen mit seinem Megafon lautstark als „Nazischwein“ bezeichnet aus, um ihn für fast zwei Jahre Gefängnis zu verurteilen. Gegen das Urteil wegen „besonders schweren Landfriedensbruchs“, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung waren sowohl die Verteidigung, als auch die Staatsanwaltschaft wenige Tage nach der Urteilsverkündung in Berufung gegangen. Ein neuer Prozesstermin steht noch aus.

Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wenige Monate nach den Ereignissen war zwar eine schwarze Jacke beschlagnahmt worden, ein Megafon konnte jedoch nicht gefunden werden. Vor Gericht reichte das von einer Düsseldorfer Polizeieinheit gefilmte Video dennoch aus, um den bisher nicht vorbestraften Mann „zweifelsfrei“ als diejenige Person zu identifizieren, welche von Beginn an die Menschenmenge an der Polizeiabsperrung „aufwiegeln“ wollte. Auch in der Tatsache, dass weder der Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft noch einer der im Gericht geladenen Polizeizeugen den Angeklagten als die Person wiedererkennen konnte, welche an dem Tag mit einem Megafon Durchsagen gemacht und auf die Menschenmenge „eingewirkt“ haben soll, reichte dem Gericht nicht aus, um die Tatvorwürfe gegen ihn zu entkräften.

Nachdem Richter Hans-Joachim Hlavka dem Angeklagten in der mündlichen Urteilsbegründung im Januar noch sein Grundrecht auf Aussageverweigerung zum Vorwurf gemacht hatte und dafür im Anschluss zum Teil scharf kritisiert worden war, gestand er ihm dieses Recht in der schriftlichen Begründung zu. Zugleich betonte er jedoch, dass eine politische Erklärung nicht zu Gunsten des Angeklagten in das Urteil habe einfließen können, da sich dieser vor Gericht nicht habe äußern wollen. Gleichzeitig geht aus dem Schriftstück jedoch auch hervor, dass darin ebenso die politische Einschätzung des Richters als Begründung eingeflossen ist. Anders sind die Zeilen nicht zu deuten, nach denen die Ereignisse vom 19. Februar 2011 seiner Meinung nach für „erhebliche Unruhe“ in der Dresdner Bevölkerung gesorgt haben sollen. So sei dem Freistaat auf Grund der Ausschreitungen nicht nur ein wirtschaftlicher sondern darüber hinaus ein politischer Schaden zugefügt worden. Während er den wirtschaftlichen Schaden mit den Kosten begründete, die dem Freistaat durch die Polizeieinsätze entstanden sind, ließ er seine politische Einschätzung bewusst offen.

Das Schöffengericht sah im Verhalten von Tim H. eine Mittäterschaft durch seine bloße Anwesenheit in der Südvorstadt und verurteilte ihn für alle vor Ort begangenen Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung. Vor dem Durchbruch in der Bernhardstraße war eine zahlenmäßig unterlegene Polizeieinheit aus Nordrhein-Westfalen von mehreren hundert Menschen zunächst attackiert und etwa zehn Minuten später überrannt worden. Dabei waren insgesamt vier Beamte leicht verletzt worden. Auch wenn die Lebensumstände des 36jährigen dafür gesprochen haben, ein milderes Urteil auszusprechen, hätten nach Ansicht des Gerichtes die Umstände der Tat „qualitativ“ für eine Strafverschärfung gesprochen. Somit fehlten dem Gericht trotz eines festen Wohnsitzes, einer Anstellung in der Bundesgeschäftsstelle der Linken und familiärer Bindung hinreichende Gründe für eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung.

Solidarität mit Lothar König!

Dessen ungeachtet findet ab dem 19. März am gleichen Gericht der Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König statt. Der Anklage wegen des Vorwurfs des „besonders schweren Landfriedensbruchs“ gingen Ermittlungen wegen der angeblichen „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ voraus. Dazu hatte das sächsische Landeskriminalamt (LKA) den Pfarrer schon Tage vor den Protesten gegen mehrere für den 19. Februar 2011 geplante Naziaufmärsche in Dresden observiert. Wenige Monate nach den durch Massenblockaden verhinderten Naziaufmärschen folgte eine Hausdurchuchung und die Beschlagnahmung des Lautsprecherwagens der JG Stadtmitte durch sächsische Einsatzkräfte im benachbarten Jena.

In dem für sechs Verhandlungstage angesetzten Prozess am Amtsgericht wird König von der Staatsanwaltschaft in ihrer 18-seitigen Anklageschrift außerdem vorgeworfen, am besagten Tag Straftäter geschützt und ein Polizeifahrzeug mit dem Auto abgedrängt zu haben. Außerdem soll aus dem VW-Bus der Jungen Gemeinde Stadtmitte Jena „aggressive Musik“ abgespielt worden sein. Eine auf der Seite der Soligruppe für Lothar König veröffentlichte Solidaritätserklärung gegen die „Kriminalisierung aktiven zivilgesellschaftlichen Handelns“ wurde bisher von mehreren hundert Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet unterzeichnet.

Weiterer Artikel: Gefährliche Beamtenbeleidigung

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BLZ: 100 900 00
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Stichwort: „FREISTAAT“


Veröffentlicht am 6. März 2013 um 23:59 Uhr von Redaktion in Antifa

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