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Status Quo: „Für ein Dresden, das den Titel „Sicherer Hafen“ verdient“

23. Oktober 2023 - 10:25 Uhr

Ein Debattenbeitrag der Seebrücke Dresden

Status Quo ist eine Debatten-Reihe über den Rechtsruck in Dresden, geschrieben von linken, emanzipatorischen sowie progressiven Gruppen.

„Ich widerspreche, dass wir ein Rassismusproblem haben, was in Größenordnungen über das Problem jeder anderen deutschen Großstadt hinausgeht.“

Dieses Zitat stammt von Oberbürgermeister Dirk Hilbert, aus einem Interview mit „TableBerlin“ am 08. September 2023. Wir finden es beschämend, wie der Oberbürgermeister von Dresden die Situation der Stadt derart verharmlost, anstatt die Tatsachen anzuerkennen und aktiv zu werden. Dresden hat durchaus ein Rassismusproblem. Und auch bei politisch rechten und linken Anliegen werden hier traditionell völlig andere Maßstäbe angelegt. Als Seebrücke Dresden haben wir oft genug am eigenen Leibe erfahren, wie schwer es linken Gruppen und Vereinen hier gemacht wird. Wenn wir auf die zu erwartenden Entwicklungen der Kommunalwahlen 2024 blicken, wird uns schlecht.

(Ent-)Haltung zeigen – Hilberts Umgang mit linken Initiativen

Unser Eingangszitat zeigt, dass OB Hilbert die aktuelle politische Situation in Dresden entweder falsch einschätzt oder bewusst öffentlichkeitswirksam falsch darstellt. Ein Blick auf die Chronik der RAA Sachsen zeigt das Gegenteil seiner Behauptung. Die Zahl politisch motivierter Straftaten in Sachsen ist im Vergleich zum Bundesdurchschnitt hoch.

Dirk Hilbert stellt die Stadt Dresden und sich selbst gern als weltoffen und tolerant dar. Wo über Dresden und Rassismus gesprochen wird, entkräftigt er die Debatte durch Relativierung. Er hebt linksaktivistische Arbeit hervor, wo es oberflächlich für ihn und die Stadt gut aussieht, aber inhaltliche Unterstützung ist von ihm nicht zu erwarten.

Das haben wir von ihm und der Stadt in der Praxis immer wieder erlebt. Unser Antrag Dresden zum Sicheren Hafen zu erklären, zuerst im Jahr 2018 ein zweites Mal im Jahr 2020, wurde zweimal abgelehnt. Dafür war seine Stimme ausschlaggebend. Unser dritter und letztlich erfolgreicher Antrag wurde zweimal vertagt, beim zweiten Mal trotz mehrerer Gastredner:innen. Üblicherweise werden solche Tagesordnungspunkte in den Stadtratssitzungen vorgezogen, damit die Redner:innen nicht lange warten müssen oder umsonst anreisen. Dass unser Antrag nicht nach vorne gezogen wurde, ist ungewöhnlich und auffällig. Es zeigt das generelle Desinteresse bis hin zu Ablehnung der Thematik im rechten Block des Stadtrats und von Hilbert selbst.

In unseren persönlichen Gesprächen mit ihm wirkte er immer aufgeschlossen und offen gegenüber unseren Anliegen. In seinem Wahlkampf zur Oberbürgermeister:innenwahl 2022 war er sich auch nicht zu schade, auf einer Podiumsveranstaltung der Sächsischen Zeitung den Sicheren Hafen Dresden zu instrumentalisieren, um sich als Macher darzustellen. Zwischen dem, was er im persönlichen Gespräch mit uns formulierte und seinem Abstimmungsverhalten in den Stadtratssitzungen, besteht eine erhebliche Diskrepanz. Wir finden dieses widersprüchliche Verhalten unprofessionell. Es wirft die Frage auf, worin es begründet liegt und ob es sich lohnt, mit ihm überhaupt weiterhin das Gespräch zu suchen, wenn auf Worte keine Taten folgen.

Der Dresdner Stadtrat und die Rolle der CDU

Aktuell besteht eine Pattsituation im Stadtrat – rechter und linker Block sind mit exakt gleich vielen Stadträt:innen vertreten. (aktuell: „rechter Block“ durch CDU, AfD, FDP und freie Wähler, „linker Block“ durch die Linke, Bündnis90, SPD, Dissidenten) Die entscheidende Stimme liegt bei Dirk Hilbert. Das ist keine ideale Situation: Schon jetzt ist es bei „linken“ Anträgen mit Glück verbunden, überhaupt ein Anliegen durchzubekommen.

Nach den Wahlen in 2024 ist unserer Meinung nach nicht einmal eine 50:50-Aufteilung zu erwarten. Mit einer rechten Mehrheit wären Anträge quasi von vornherein entschieden. Auch Hilberts Stimme würde damit an Bedeutung verlieren. Linke Anträge hätten unter diesen Bedingungen kaum eine Chance durchzugehen. Bei rechten Anträgen hätte der linke Block kaum Möglichkeiten zu intervenieren. Zudem besteht die Gefahr, dass bereits entschiedene linke Anträge wieder rückgängig gemacht werden. Die CDU hat das bereits Anfang dieses Jahres mit unserem Antrag, Dresden zum Sicheren Hafen zu machen, versucht. Damit sind sie zwar in der aktuellen Stadtrats-Zusammenstellung gescheitert. Nach sechs Monaten kann ein solcher Antrag aber erneut gestellt werden. Es ist zu erwarten, dass die CDU das Thema wieder aufnehmen wird.

Peter Krüger (CDU) forderte auf Twitter in einem Kommentar an Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Ihre Kinder ab an die Front“

Apropos CDU: Dort werden in letzter Zeit immer wieder Anträge im Stile der AfD in den Stadtrat eingebracht oder den Anträgen der AfD brüderlich zugestimmt. Es wird sich größte Mühe gegeben, von der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ wegzudriften. Der ehemalige Vorsitzende der Stadtratsfraktion Peter Krüger schoss auf Social Media unter der Gürtellinie gegen politisch Andersdenkende und gab im Parlament aber das erwartbare Bild eines durchschnittlichen weißen CDU-Mannes ab. 

Seine Nachfolgerin Heike Ahnert arbeitet inzwischen an einem neuen Image der CDU, indem sie Anträge einbringt, die wortgleich von der AfD stammen könnten. So zum Beispiel der Änderungsantrag (Tagesordnungspunkt Ö12) zur Unterbringung Geflüchteter Menschen von Anfang 2023: dort wurde gefordert, bis zu 1.000 geflüchtete Menschen auf einmal in einem großen Zelt am Stadtrand unterzubringen. Das erinnert an die Verhältnisse auf der griechischen Insel Lesbos, die schlicht und ergreifend eine menschenunwürdige Unterbringung zeigen. Selbstverständlich haben darauf ihre Freund:innen von der AfD dafür gestimmt – eine zweifelhafte Auszeichnung.

Dieser Versuch, die AfD rechts zu überholen, um Wähler:innenstimmen zu sammeln, ging nach hinten los: Der Antrag wurde abgelehnt. Zeigen wird sich das sowohl auf kommunaler, als auch auf Landes- und Europaebene. Auch auf Landesebene gibt es immer mehr Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD, wie nicht nur die Entwicklungen in Thüringen zeigen. Die politische Strategie, mit populistischen Parolen und rechten Forderungen die konservativen und rechten Wähler:innen für sich zu gewinnen, geht jedoch bisher kaum auf, sondern hilft meist der AfD.

Arbeit mit Geflüchteten Menschen in Dresden – eine Bestandsaufnahme

In Dresden haben marginalisierte Personen kein leichtes Leben. Die Situation in den Geflüchtetenheimen in Dresden und Sachsen ist zudem untragbar. Mit dem geplanten Sächsischen Integrations- und Teilhabegesetz und den zu erwartenden Entwicklungen im Stadtrat nächstes Jahr sind dazu auch keine Verbesserungen abzusehen. Bisher ist es als engagierte:r Einwohner:in oder zivilgesellschaftliche Organisation schwierig bis unmöglich, in den Unterkünften vor Ort zu helfen oder in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen. Unter einer rechten Mehrheit im Stadtrat würde sich die aktuelle Situation absehbar verschlechertern. 

Mission Lifeline auf Twitter über die Gerichtsverhandlung.

Zudem hat die Mission Lifeline, Dresdens zivile Seenotrettungsorganisation, aktuell bereits einen schlechten Stand in der kommunalen Politik. Unser Antrag zum Sicheren Hafen wurde bewusst ohne den Punkt, zivile Seenotrettung zu unterstützen, angenommen. Dirk Hilbert hatte uns das bereits vorher so angekündigt. Auch hier ist mit einer rechten Mehrheit im Stadtrat keine Verbesserung zu erwarten. Das zeigt auch ein Gerichtsverfahren nach dem Wahlkampf der Oberbürgermeister:innenwahl zwischen AfD und der Mission Lifeline, nachdem die AfD behauptet hatte, dass die Mission Lifeline sowie die Seebrücke städtische Gelder beziehen. Das war natürlich eine Falschbehauptung, wogegen die Mission Lifeline klagte und in zweiter Instanz Recht bekam. Durch mehr Einfluss von rechten Parteien würde die Arbeit mit Geflüchteten Menschen noch mehr blockiert als bisher. 

Umso wichtiger ist es jetzt, in Angesicht der zu erwartenden Entwicklungen, in Bewegung zu bleiben. Antifaschistische Präsenz und Aktivität sind wichtiger denn je und wir brauchen jede:n Einzelne:n. Dazu reicht es nicht, zum 13. Februar und am Geburtstag von Pegida auf die Straße zu gehen. Antifaschismus ist das ganze Jahr über notwendig. Lasst die Rechten, im Stadtrat und auf den Straßen, wissen, dass wir sie im Auge behalten; lasst sie wissen, was wir von ihnen und ihrer menschenverachtenden Weltansicht halten. Für ein Dresden, das den Titel „Sicherer Hafen“ verdient. Alerta!

Titelbild von Protestfotografie Dresden


Veröffentlicht am 23. Oktober 2023 um 10:25 Uhr von Redaktion in Antifa

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