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Substanzlose Konferenz gegen Extremismus in Riesa

23. Juni 2012 - 21:40 Uhr - Eine Ergänzung

Protest gegen die Extremismuskonferenz in Riesa

Am Mittwoch protestierten vor einer von der CDU als Extremismuskonferenz deklarierten Veranstaltung in Riesa etwa 30 junge Menschen aus dem Umfeld der Kampagne „Sachsens Demokratie“ und der Grünen Jugend. Zum zweiten mal schon nach 2007 trafen sich politische Vertreterinnen und Vertreter vor allem aus dem konservativen Lager, um gemeinsam über Konzepte im „Umgang mit Extremismus in unserer Gesellschaft“ zu beraten. Die von der sächsischen Landesregierung organisierte Konferenz mit mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stand unter dem Titel „Für Sachsen – gegen Extremismus“. Neben Teilen der sächsischen Landesregierung beteiligten sich auch Bürgermeister, Schulleiter sowie Vereins- und Kirchenvertreter. Auf einem „Markt der Möglichkeiten“ präsentierten mehr als 30 ehrenamtliche Initiativen, Vereine und sächsische Behörden ihre Projekte und Angebote. (Werbevideo des Freistaates)

In seiner Rede erinnerte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) daran, „dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern jeden Tag neu erlernt und verteidigt werden muss“. Sachsen habe zwar „funktionierende demokratische Institutionen“ und sei „das wirtschaftlich erfolgreichste ostdeutsche Bundesland“. Dennoch, so Tillich weiter, „haben jahrelange Arbeitslosigkeit, unsichere Arbeitsverhältnisse und Armut so manchen frustriert“ und macht damit klar, dass das was seine Partei unter Extremismus versteht vor allem eins ist: ein Unterschichtsproblem. Als Reaktion auf den rechter Terror stellte er die „Generalstrategie gegen Extremismus“ vor, die auf vier Säulen beruht: politische Auseinandersetzung, Stärkung der Demokratie, Prävention und Repression.

Dass sächsische Behörden vor allem im letzten Punkt besonders eifrig sind, wenn es um die Verfolgung von Nazigegnerinnen und Nazigegnern geht erwähnte er natürlich ebenso wenig, wie das Versagen dieser Behörden bei der Verfolgung einer rechten Terrorgruppe, die von Sachsen aus ein Jahrzehnt mordend durch die Republik gezogen war. Genausowenig thematisierte er die Probleme der Menschen und Vereine, die sich tagtäglich für Demokratie und ein tolerantes Miteinander einsetzen und sich als Reaktion darauf mit Gerichten auseinandersetzen müssen anstatt ihrer wichtigen Arbeit nachzugehen, um die Lücke zu füllen, die der Freistaat in seinen Kürzungsprogrammen hinterlassen hat. Wer der Feind ist, stellte Tillich in seiner Eingangsrede auch noch einmal klar, ob Rechte, Linke oder die im Freistaat praktisch nicht existenten Islamisten, „wo die Verachtung für Demokratie als Lebensform in Terror und Gewalt umschlägt“, müsse entschlossen eingeschritten werden.

Auch im Hinblick auf das von Sachsen forcierte erneute NPD-Verbotsverfahren wurde deutlich, dass nicht das eigene Versagen oder rassistische und diskriminierende Einstellungen in weiten Teilen der sächsischen Bevölkerung zum Thema gemacht werden. So habe scheinbar einzig und allein die rechte Partei den Boden für „antidemokratische Exzesse“ des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ bereitet. Und das obwohl erst kürzlich während einer Sitzung des Sächsischen Untersuchungssausschusses festgestellt worden war, dass die Terrorgruppe nach Einschätzung des Rechtsextremismus-Experten Fabian Virchow kein Bestandteil der NPD gewesen ist und es bestenfalls einige wenige personelle Überschneidungen gegeben hat. Dennoch bleibt die Landesregierung dabei die Schuld am Naziterror, der im übrigen auch als Problem vor allem in den ländlichen Gebieten des Freistaates beginnt, nicht bei sich selbst zu suchen.

Bezeichnend für die demokratischen Defizite im Umgang mit Protest war das Vorgehen der Polizei an dem Tag. Nachdem an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung vor dem Veranstaltungsort kritische Flyer verteilt worden waren und alle Beteiligten die Veranstaltung betreten hatten, versuchte die Polizei die Personalien der an der Aktion beteiligten Personen aufzunehmen. Die Beamten begründeten das Vorhaben damit, dass angeblich eine unangemeldete Versammlung durchgeführt worden wäre. Letztlich meldete der ebenfalls anwesende Grünen-Politiker Miro Jennerjahn die Protestaktion als Versammlungsleiter an. Dass mit dem Journalisten Jürgen Liminski ausgerechnet ein Autor der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ die Moderation übernommen hatte, rundete das Bild einer an vielen Punkten überflüssigen und kostspieligen Veranstaltung ab.

So verwunderte es auch nicht, dass sehr viele Oppositionspolitiker der Veranstaltung gänzlich fern blieben. Henning Homann von der sächsischen SPD forderte die „konkrete Unterstützung“ von Beratungsnetzwerken und zahlreichen weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen, denen für ihre Arbeit im laufenden Jahr noch immer finanzielle Mittel fehlen. Auch der Grüne Landtagsabgeordnete Miro Jennerjahn sprach Angesichts einer „Vielzahl von Worthülsen und ein Verschanzen hinter dem Alibi NPD-Verbot“ von einer „sinn- und substanzlosen“ Konferenz. Von der Landesregierung forderte er stattdessen nicht nur einen „Dialog auf Augenhöhe“ sondern auch „eine gesicherte finanzielle Perspektive“ mit den zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen im Freistaat.

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Veröffentlicht am 23. Juni 2012 um 21:40 Uhr von Redaktion in Antifa

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