Nazis

Dresdner Identitäre bei rechter Kampfsportveranstaltung in Sachsen

17. Juni 2019 - 18:09 Uhr - Eine Ergänzung

Bereits zum dritten Mal fand am Samstag den 8. Juni in Crossen das „Tiwaz: Kampf der freien Männer“ Kampfsportturnier statt. Wie schon bei der ersten Veranstaltung im letzten Jahr erfolgte die Anreise der Teilnehmerinnen und Teilnehmer über einen konspirativen Schleusungspunkt. Fand die Veranstaltung 2018 im erzgebirgischen Grünhain statt, wurden die Besucherinnen und Besucher in diesem Jahr über den Schleusungspunkt in Meerane zur Outdoor Paintballanlage des ShootClub Zwickau e.V. nach Crossen navigiert. Dort fanden sich am Samstagnachmittag über 350 Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet ein, etwa einhundert mehr als noch im vergangenen Jahr. Laut Veranstalter wurden den Gästen 15 Kämpfe im Bereich MMA, Boxen und KI, sowie drei thematisch passende Redebeiträge geboten. Dass das Turnier mehr Menschen mobilisieren konnte als der zwei Wochen zuvor in Chemnitz stattgefundene „Tag der deutschen Zukunft“ zeigt erneut, dass der Szenetrend weg von Demonstrationen, hin zu Konzerten und Kampfsportevents geht. Mit dem „Schild&Schwert“-Festival und dem „Kampf der Niebelungen“ fanden im sächsischen Ostritz im Herbst 2018 zwei zentrale Events statt. Letzteres zog im vergangenen Oktober 700 aus ganz Europa angereiste Gäste in das Hotel „Neisseblick“ und zählt damit zu den größten rechten Kampfsportevents seiner Art in Deutschland.

Unter den großteils mit dem Auto aus dem gesamtem Bundesgebiet angereisten Besucherinnern und Besuchern befanden sich auch einige Dresdner Mitglieder der Identitären Bewegung (IB). Mit Ricardo Knöfel und Yannick Pochert waren zwei der aktivsten IB-Mitglieder Teil der Gruppe. Besonders für Knöfel sind solche Events nichts Neues. Bereits beim „Kampf der Nibelungen“ konnte der in der Berufsakademie Riesa Sport- und Eventmanagement Studierende als Besucher ausgemacht werden. Auch Pochert ist immer wieder bei Kundgebungen der rechten Szene anzutreffen. Am 23. Februar 2019 tanzte er zusammen mit der aus einer völkischen Familie stammenden Hellrun Kaiser auf einer Kundgebung des Holocaustleugners Nikolai Nerling auf dem Dresdner Theaterplatz. Die Veranstaltung wurde später abgebrochen, da mehrere Reden von der Polizei als volksverhetzend eingestuft wurden.

Zusammen mit Pochert und Knöfel reiste der aus Görlitz stammende Fabian Rösner an. Rösner tritt erst seit kurzem als Teil der IB auf, auch wenn er zuvor schon bei vielen rechten Veranstaltungen aktiv beteiligt gewesen ist. Immer wieder wird Rösner in Begleitung von Yannick Pochert gesehen. So legten beide 2019 auf dem Heidefriedhof einen Kranz im Gedenken an die Opfer der Bombardierung Dresdens im Februar ab. Auch bei der bereits erwähnten Veranstaltung des selbsternannten „Volkslehrers“ Nikolai Nerling war Rösner an der Seite von Pochert anwesend. Fabian Rösner ist aber nicht nur Teil der Identitären Bewegung, sondern mittlerweile auch bei Stammtischen der „Jungen Alternativen Dresden“, der Jugendorganisation der AfD, anzutreffen. Trotz des Unvereinbarkeitsbeschlusses zwischen IB und AfD ist insbesondere in Sachsen das genaue Gegenteil zu beobachten. Immer wieder gibt es Überschneidungen der beiden Gruppen. Es ist anzunehmen, dass eine Zusammenarbeit von beiden Gruppierungen ganz bewusst forciert wird, um von den jeweiligen Stärken zu profitieren. Beispielhaft dafür steht die „Jugendakademie“ der JA 2018 in Bautzen, wo ein Großteil des Dresdner Ablegers der IB vor Ort war.

Auch wenn die Identitäre Bewegung sich versucht vordergründig harmlos zu geben, ist der Besuch auf dem Tiwaz-Kampfsportturnier keine Überraschung. Viele der Gründungsväter der IB entstammen der klassischen Naziszene. Und auch jüngere Mitglieder finden in den Identitären genau das, was sie auch an Events wie dem Tiwaz anzieht: Körperkult, faschistische Ästhetik und das „sich im Kampf beweisen“ sind ebenso Grundkategorien der Identitären, wie auch der klassischen Nazis. Trotz dessen ist kritisch zu beobachten, dass von Seiten der Identitären immer weniger Hemmungen bestehen, sich auch ganz offen mit Nazis zu zeigen. Es ist auch ein Ausdruck der Normalisierungen im Freistaat Sachsen, wo Mitglieder der IB wie der Bautzner Toni Schneider für die AfD bereits in den ersten Stadträten sitzen. Warum sollte auch das harmlose Gesicht gewahrt werden, wenn doch ohnehin keine Konsequenzen folgen?

Da Veranstaltungen wie das Tiwaz aber nicht nur zur Unterhaltung, sondern vor allem auch der Vernetzung dienen, ist eine durchaus realistische Gefahr, dass die Identitären in Zukunft verstärkt versuchen werden, klassische Nazis in ihre Aktionen einzubinden. Bereits 2017 tauchten die Dresdner Identitären zusammen mit dem stadtbekannten Nazi und Althooligan Sebastian Reiche vor der Meldeadresse des Dresdner Seenotrettungsvereins „Mission Lifeline“ auf. Auch die auf Provokation ausgelegten Besuche der Dresdner Neustadt seit Dezember 2018 zeigen, dass die hiesigen Identitären durchaus daran interessiert sind, körperliche Auseinandersetzungen zu suchen und sich auch auf solche vorbereiten. So wurde 2016 bekannt, dass PEGIDA und Ex-Dynamo-Sicherheitschef Achim Exner regelmäßig mit den Identitären Dresden Kampfsport betreibt. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigen deutlich, dass Kampfsportevents in der rechten Szene immer wichtiger werden. Es soll sich mittels Betätigung im Kampfsport auf mögliche Auseinandersetzungen vorbereitet werden, bei denen Nazis – wie z. B. bei den rechten Ausschreitungen in Chemnitz – die Speerspitze stellen wollen. Auch an den Identitären geht dieser Trend nicht vorbei und beeinflusst die eigenen Handlungen. Besonders gefährlich ist dabei, dass durch die Identitären bereits Kontakte bis weit in die AfD hinein existieren.

Titelbild: Pixelarchiv [Yannick Pochert (2.v.l), Ricardo Knöfel (1.v.r)]


Veröffentlicht am 17. Juni 2019 um 18:09 Uhr von Redaktion in Nazis

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