Soziales

Der Dresden-Balkan-Konvoi im Interview – Teil 2

6. Mai 2016 - 14:42 Uhr

Nach dem ersten Teil unseres Interviews mit einem Vertreter des Dresden-Balkan-Konvois, die derzeit an mehreren Orten in Europa humanitäre Hilfe leisten, geht es im zweiten Abschnitt u.a. um den Besuch prominenter Politiker vor Ort und die Finanzierung des Projektes.

Wie gestaltet sich die Unterstützung aktuell in Griechenland?

In Griechenland gibt es eine sehr große Szene aus Unterstützerinnen und Unterstützern. Auch aus Dresden haben wir schon seit langem Kontakte dorthin. Mit denen haben wir uns auch viel abgesprochen, etwa wo die Unterstützung am dringendsten benötigt wird. Die sind auch wirklich gut organisiert, was sicherlich auch daher kommt, dass ihr Verhältnis zum Staat ein anderes ist, als hier in Deutschland. Aufgrund der noch nicht so lange zurückliegenden Militärdiktatur in Griechenland gibt es ein sehr kritisches Verhältnis zum Staat. Dort packen die Leute daher viel eher etwas an und stellen selbst was auf die Beine.

Mir ist als Bild von Idomeni noch in Erinnerung, dass sich der CDU-Politiker Norbert Blüm dort aufgehalten und versucht hat, für die geflüchteten Menschen Partei zu ergreifen. Was hatte es damit auf sich?

Das ist dieses Phänomen, dass Politiker in Rente keine Rücksicht mehr auf die Politik ihrer eigenen Parteien nehmen müssen. Sie sind aus den Fraktionen draußen und können damit eintreten wofür sie wollen. Ein ähnliches Beispiels ist Heiner Geißler, der sich bei attac engagiert hatte. Vom Prinzip her finde ich das sehr löblich. Er ist ja dort nicht als CDU-Mitglied, sondern weil ihm das ein persönliches Anliegen ist.

Wie sehen denn die Effekte einer solchen Aktion aus?

Vor allem die Berichterstattung schnellt in die Höhe und es fließen mit einem Schlag auch deutlich mehr Spendengelder. Deswegen finde ich, dass das durchweg positiv zu sehen ist. Auch wenn am Rande vielleicht ein paar andere Sachen dafür untergehen, wenn da so ein Flaggschiff angeschwommen kommt. Aber ohne Flaggschiff schaffen es einfach viele Nachrichten erst gar nicht in die Schlagzeilen, so ist das leider.

Sind aktuell noch Leute vom Balkan-Konvoi vor Ort in Griechenland?

Ja. In Idomeni sind noch Leute von uns. Und dann gab es eine Art „Hilferuf“ aus Calais, wo wir uns ebenfalls engagieren. Über weitere Einsatzorte finden in der Gruppe gerade Diskussionen statt.

Habt ihr neben dem Hilfeaspekt eurer Arbeit auch politische Ziele, die darüber hinaus reichen?

Protesttransparent in Idomeni (Quelle: twitter.com/DDBalkanKonvoi/)Als Hilfe definieren wir das gar nicht, sondern nennen unsere Arbeit Unterstützung. Wir versuchen schon mit den Menschen, die hierher nach Europa kommen, so eng wie möglich zusammenzuarbeiten. Als Ziel haben wir ganz klar schon eine Gestaltung von Grenzen, die durchlässig ist für Menschen. Ich persönlich finde es auch vollkommen absurd jemandem das Recht abzusprechen, sich an einem bestimmten Ort aufhalten zu dürfen. Bei diesem prinzipiellen Recht auf Bewegungsfreiheit sollten unterschiedliche Ursachen und Beweggründe keine Rolle spielen.

Wenn ich mir eure Facebook-Seite oder eure Twitter-Meldungen ansehe, fällt mir auf, dass ihr sehr viel mit Bildern arbeitet. Welches Motiv steckt dahinter?

Bei den Sachen, die wir veröffentlichen, versuchen wir immer das Elend der Situation zu schildern, in der sich die Leute gerade befinden und Bilder wirken dabei emotional auch sehr viel stärker. Vor Ort fragen wir aber natürlich die Personen, ob wir das dürfen und ob es in Ordnung für sie ist, dass wir ihr Bild benutzen. Einige der Menschen in den Camps wollen das sogar, vor allem wollen sie auch, dass über die Missstände in diesen Camps berichtet wird. Oft kommen sie auch direkt damit auf uns zu und wollen ihre Äußerungen auch politisch verstanden wissen.

Wie finanziert ihr eure Arbeit als Balkan-Konvoi?

Einerseits erhalten wir Spenden und dann haben wir teilweise auch schon unser privates Geld eingesetzt. Gerade in der Zeit, steckt ja auch unheimlich viel Wert. Wenn wir dann unterwegs sind, bezahlen wir immer auch unsere Lebensmittel von eigenem Geld, weil wir der Meinung sind, dass wir das aus den Spendengeldern nicht finanzieren können. Außerdem mieten wir auch manchmal noch Wohnungen an, wenn wir uns nichts kostenloses organisieren können.

Wie würdest du das Verhältnis zu den lokalen Behörden beschreiben? Wie sind sie euch gegenüber eingestellt?

Also gerade im südlichen Teil von Serbien sind die Polizistinnen und Polizisten unheimlich solidarisch mit den Geflüchteten. Viele von den Menschen in dieser Region haben auch selber Flucht erlebt oder kennen das aus ihrer Familiengeschichte. Ich hab das so wahrgenommen, dass die albanischen Menschen auch die größte Hilfsbereitschaft gezeigt haben, für die Griechen gilt eigentlich dasselbe. Also die Leute haben oft viel weniger, als jetzt zum Beispiel die Menschen in Deutschland, aber sind dennoch auch viel eher bereit, etwas zu geben. So erlebt man dann Sachen wie, dass Menschen, die offensichtlich ebenfalls arm sind vorbeikommen, um den Geflüchteten Brot zu bringen. Das mit der Fluchterfahrung spielt bei den Griechen übrigens auch eine Rolle. Die Menschen die selber Flucht oder Vertreibung erlebt haben, sind meist auch diejenigen, die sich auch viel um die Geflüchteten kümmern.

Zum Thema Behörden: in Griechenland ist die Bürokratie ziemlich einfallsreich, wenn es darum geht, etwas zu behindern. Die Polizei genauso. Deren Aktivität hängt in der Regel damit zusammen, was politisch gerade gewollt ist. Als zum Beispiel diese „Detention Camps“ eingeführt wurden, wurde uns kurz vorher verboten, unsere Autos zu verwenden. Sie drohten damit, unsere Fahrzeuge zu beschlagnahmen und es ist echt schwer, sie dann wiederzubekommen. Als besonders schikanös würde ich sie trotzdem nicht einordnen, da finde ich die Polizei in Deutschland sehr viel schlimmer. Frontex hingegen spielt eine große Rolle. Die haben uns tatsächlich oft in unserer Arbeit eingeschränkt und stark behindert. Die treten immer mit einem griechischen Beamten zusammen auf, der dann die Maßnahmen legitimiert. Aus diesem Grund sind sie auch immer im Team unterwegs.

Wie läuft der Betrieb von euch in Idomeni ab und wie kann man euch unterstützen?

In Idomeni wird die Versorgung vor allem durch 80 Freiwillige gestemmt, die sich vor Ort befinden und zu verschiedenen Gruppen gehören. Wir kümmern uns dort vor allem um warme Getränke. Untereinander wird sich dann abgesprochen, wer welchen Bereich abdeckt. So trägt beispielsweise die Aid Delivery Mission aus den Niederlanden einen Großteil der Essensversorgung. Kontaktieren kann man uns am besten über Facebook oder Twitter. Am dringendsten benötigen wir vor allem Freiwillige, die sich vor Ort engagieren wollen und dafür mindestens drei Wochen Zeit mitbringen.


Veröffentlicht am 6. Mai 2016 um 14:42 Uhr von Redaktion in Soziales

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