Soziales

Verwaltungsgericht Dresden erklärt mutmaßlich rassistische Kontrolle für rechtswidrig

3. Februar 2022 - 18:49 Uhr

Am 18. Januar entschied das Verwaltungsgericht Dresden Zugunsten eines Klägers, der sich gegen eine mutmaßlich rassistisch motivierte Polizeikontrolle gerichtlich zur Wehr setzte. Mit dem jetzt zugestellten Gerichtsbeschluss wurde die Kontrolle als rechtswidrig anerkannt. Der Opferverband RRA-Sachsen zeigte sich im Nachgang zufrieden mit der Entscheidung und kritisierte die unter dem Begriff Racial Profiling seit Jahren bekannte polizeiliche Praxis.

Es war der 13.02.2018, als sich der zum Zeitpunkt des Geschehens 19 Jahre alte Kläger gemeinsam mit einem Freund am Hauptbahnhof in Chemnitz aufhielt und auf einer Bank auf die Straßenbahn wartete. Unvermittelt seien Polizisten an die beiden jungen Männer herangetreten und hätten sie in „nicht höflicher“ Ansprache nach ihren „Passports“ gefragt. Als nach dem Grund der Kontrolle gefragt wurde, hätten die beiden keine Antwort erhalten. 

Dafür aber einen grobe Behandlung, wie aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts hervorgeht. So hätten die beteiligten Polizist:innen versucht, den Kläger an den Haaren hoch zu ziehen. Anschließend brachten mehrere Beamt:innen den 19-Jährigen zu Fall, fixierten ihn auf seinem Rücken knieend und verbrachten ihn auf die Dienststelle in der Nähe des Hauptbahnhofes. Dort habe sich der Betroffene fast vollständig entkleiden und rund 20 Minuten an Armen und Beinen fixiert auf den Boden liegen müssen. Die gesamte Kontrolle dauerte rund eine Stunde.

In Folge der Kontrolle verlor der Betroffene wenig später das Bewusstsein und musste stationär behandelt werden. Bei der ärztlichen Behandlung wurde eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit, eine Verstauchung der Halswirbelsäule sowie eine Prellung des linken Knies festgestellt. Die konkreten Ursachen der einzelnen Verletzungen blieben jedoch unklar.

Der Betroffene stellte im Anschluss Anzeige wegen Körperverletzung gegen die Beamt:innen, welche jedoch im Januar 2019 durch die Staatsanwaltschaft Chemnitz abgelehnt wurde. Die  Generalstaatsanwalt bestätigte wenig später die Ablehnung. Ein Verfahren gegen den Betroffenen wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt:innen, Beleidigung und Körperverletzung hingegen wurde im September 2018 stattgegeben und zur Hauptverhandlung vor dem Jugendgericht zugelassen.

Einen Erfolg konnte der Betroffene jetzt zumindest vor dem Verwaltungsgericht erlangen. Dort hatte er gemeinsam mit der Dresdner Rechtsanwältin Kati Lang gegen die Rechtsmäßigkeit der Kontrolle geklagt. Das Verwaltungsgericht gab dem Betroffenen recht und stellte fest, dass die „durchgeführte Kontrolle des Klägers (Identitätsfeststellung, Verbringung auf die Dienststelle, Fixierung sowie körperliche Durchsuchung, Durchsuchung von Sachen und Anwendung von unmittelbarem Zwang) rechtswidrig war“. So sei „die Hautfarbe des Klägers für den Entschluss, ihn einer Befragung und Kontrolle zu unterziehen, zumindest mitursächlich gewesen“, wie das Gericht ausführte. Damit handelte es sich um einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 Grundgesetz.

Der Kläger nahm das Urteil mit Freude und Erleichterung auf. „Die Belastung durch den ungewissen Ausgang des Verfahrens wog schwer über die Jahre. Er hofft, dass dieses Urteil eine Strahlkraft hat und daran mitwirkt, polizeiliches Handeln diskriminierungsarmer zu gestalten“, erklärte Andreas Löscher  von der Opferberatung für ihren Klienten. Auch für die Rechtsanwältin Kati Lang stellt das Urteil einen Erfolg im Kampf gegen rassistische Polizeipraxen dar. „Es reicht aber nicht, dass rechtswidrige Vorgehen immer wieder im Nachhinein gerichtlich klären zu müssen. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, endlich Regelungen zu schaffen, die Diskriminierung nicht Tür und Tor öffnen“, führte die Anwältin gegenüber addn.me weiter aus.

Racial Profiling ist eine bis heute umstrittene und diskutierte polizeiliche Praxis. 2020 sorgte die Weigerung des damaligen Innenminister Horst Seehofer, eine Untersuchung zu Rassismus in der deutschen Polizei einzuleiten, für Diskussionen. Laut Seehofer hätte ein solches Vorhaben vor allem zu einer „Verunglimpfung“ der Beamt:innen geführt. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) kam 2020 zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland starke Indizien für ein ausgeprägtes Racial Profiling gäbe. Es handelt sich um Racial Profiling und damit um ein rechtswidriges polizeiliches Vorgehen, wenn die Auswahl einzig und allein nach Merkmalen, wie etwa der Hautfarbe erfolgt.


Veröffentlicht am 3. Februar 2022 um 18:49 Uhr von Redaktion in Soziales

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