Freiräume

Märchenstunde im Innenministerium: Vorstellung der PMK-Zahlen 2011

18. April 2012 - 22:05 Uhr - 2 Ergänzungen

Konterfei von Markus Ulbig hinter Einsatzkräften der Polizei

Im Sächsischen Innenministerium wurden heute bei einer Pressekonferenz durch den erst kürzlich mit dem Big Brother Award ausgezeichneten Innenminister Markus Ulbig (CDU) und LKA-Präsident Jörg Michaelis (CDU) die Zahlen zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) im Freistaat vorgestellt. Nach einigen Sätzen zu den Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds und einer damit im Zusammenhang stehenden Aufstockung der Sonderkommission Rechtsextremismus (Soko REX) des LKA Sachsens, äußerte Ulbig einmal mehr Betroffenheit und kündigte eine umfassende Aufarbeitung durch die entsprechenden Gremien an. Es folgte eine mit Videos unterlegte Darstellung dessen, was sich das Sächsische Innenministerium unter Politisch motivierter Kriminalität vorstellt und in dem es vor allem auch darum ging, das eigene polizeiliche Versagen sowohl vor, als auch nach dem 19. Februar 2011 zu rechtfertigen.

Markus Ulbig und Jörg Michaelis auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der PMK Zahlen 2011
Markus Ulbig und Jörg Michaelis auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der PMK Zahlen 2011

Die Gesamtzahl der politisch motivierten Kriminalität lag demnach mit 2.794 erfassten Straftaten etwa zehn Prozent über den Zahlen von 2010. Der Grund für den Anstieg lag dabei laut Innenministerium vor allem im Demonstrationsgeschehen des letztjährigen Februars in Dresden. Am 19. Februar war es in der Sächsischen Landeshauptstadt zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demonstrationen und der Polizei gekommen. Der ebenfalls daraus resultierende Anstieg im Bereich linker Straftaten erreichte mit insgesamt 952 Fällen einen neuen Höchststand in der erst 2001 eingeführten Kriminalitätsstatistik zu politisch motivierten Straftaten. Ulbig verwies auf die „beunruhigende Tendenz“ in den letzten fünf Jahren, der sich angesichts der Zahlen vor allem im Februar in „zunehmenden Hass gegen die Polizei“ in Form von „Steinwürfen und Barrikadenbau“ ausgedrückt habe.

Bei einem Blick auf die vorgelegten Zahlen zu rechten Gewalttaten fällt auf, dass sie in deutliche Diskrepanz zu denen der Opferberatung des RAA Sachsen e.V. stehen. So sei es im vergangenen Jahr nach Angaben des Sächsischen Innenministeriums zu lediglich 84 rechtsmotivierten Gewalttaten gekommen. Die Opferberatung hatte in ihren im März vorgestellten Zahlen jedoch von insgesamt 186 Fällen gesprochen, bei denen ein rechtes Motiv eine Rolle gespielt hat. Mehr als 70% der insgesamt 1693 rechten Straftaten waren auf Propagandadelikte zurückzuführen. Der Rückgang von rund sieben Prozent bei Straftaten mit einem rechten Hintergrund lag nach Angaben des Sächsischen Innenministers vor allem an der Aufstockung der Soko REX, dem Einsatz mobiler Einsatz- und Fahndungsgruppen und dem Förderprogramm „Weltoffenes Sachsen“.

Im Bereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität wurde 2011 lediglich eine Straftat festgestellt. Für das kommende Jahr rechnet Ulbig mit einem „deutlichen Rückgang“ der Zahlen, da es im Vergleich zu den Vorjahren im Februar in Dresden verhältnismäßig ruhig geblieben war. Die Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität werden seit 2001 erhoben und bezeichnen Delikte, die eine „Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung“ darstellen. In Sachsen sind nach Aussage von Jörg Michaelis vom Landeskriminalamt ca. 150 der insgesamt rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im polizeilichen Staatsschutz und damit der Aufklärung politisch Straftaten aktiv. Der Anteil der rund 2.800 politisch motivierten Delikte im Vergleich zur Gesamtzahl aller im Freistaat erfassten Straftaten bewegte sich mit rund 0,95% (!) etwa auf dem Niveau des Vorjahres.

Die Landtagsabgeordnete der Linken, Kerstin Köditz, nannte in einer Presseerklärung die Bilanz eine „politisch motivierte Tatsachenverdrehung“ und warf der Behörde vor, auch nach den Verbrechen der Zwickauer Neonazi-Terrorgruppe noch an einer Extremismusdoktrin festzuhalten, die „Linksextremismus“ als mindestens ebenso gefährlich darzustellen versucht, wie die Gewalt von Rechts. Sie erinnerte an die „völlig verfehlte Polizeistrategie“ am 19. Februar und die „zum Teil rechtswidrigen Maßnahmen“ sowie der „eigenwilligen Interpretation der Rechtslage“ bei den anschließenden Ermittlungen. Zudem seien rechte Übergriffe wie zuletzt in Mittelsachsen von der Polizei in die Statistik „Politisch motivierte Kriminalität – links“ eingeordnet worden.

Weiterer lesenswerter Artikel: Politisch motivierte Kriminalität in Sachsen 2011: Ein Innenminister interpretiert frei


Veröffentlicht am 18. April 2012 um 22:05 Uhr von Redaktion in Freiräume

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