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Bautzen: Kulturkampf von Rechts im Trojanischen Pferd

15. Oktober 2021 - 16:22 Uhr - 3 Ergänzungen

Im ostsächsischen Bautzen hat der Hauptausschuss der Stadt das Vorhaben eines rechten Vereins, das Bismarckdenkmal auf dem Berg Czorneboh wieder aufzubauen, fast einstimmig angenommen. Während das Sorbische Institut mit einem offenen Brief gegen das Projekt protestiert, bezeichnete Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) die Kritik als „hysterisch“: Ein Lehrstück rechten Kulturkampfes.

Ohne größere öffentliche Aufmerksamkeit beschloss der Hauptausschuss der Stadt Bautzen in der zurückliegenden Woche den Wiederaufbau des historischen Bismarckdenkmals auf dem Czorneboh im Stadtwald. Die 1903 von dem Bildhauer Anton Schwarz errichtete Statue des Reichskanzlers war 1950 von FDJler:innen umgestürzt und zerschlagen worden. Der Vorschlag zur Rekonstruktion wurde von der „Bautzener Liedertafel – Verein für Liedgut und Heimatpflege e. V.“ eingereicht und soll auf eigene Kosten des Vereins umgesetzt werden. Ohne Gegenstimme wurde der Beschluss schließlich durch Stimmen der SPD, AfD und des Bürgerbündnis angenommen. Allein die beiden CDU-Rät:innen enthielten sich und sprachen sich für eine Plakette mit kritischer Einordnung Bismarcks aus.

Nun jedoch regt sich Kritik gegen das Bauvorhaben. Nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses meldete sich das Sorbische Institut mit einem öffentlichen Brief zu Wort. Die Entscheidung sei aus der Sicht des in Bautzen ansässigen Forschungsinstituts eine beispiellose Geschichtsvergessenheit: „Der Beschluss hebt eine historische Persönlichkeit auf den Sockel, die nicht im Geringsten als positiver Bezugspunkt der Erinnerungskultur einer demokratischen, solidarischen und weltoffenen Gesellschaft taugt“, erklärte der Verein addn.me. Nach Ansicht des Vereins sei die Politik Bismarcks insbesondere gegenüber der sorbischen Minderheit unnachgiebig gewesen. 

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Das Erstarken des Nationalismus und die Spannungen zwischen dem Deutschen Reich und Russland führten 1871 zu starken antislawischen Maßnahmen. Die Existenz einer slawischen Minderheit in Deutschland wurde als enorme Bedrohung angesehen. Es folgten unter ausdrücklicher Billigung Bismarcks Assimilierungsdruck, Sprachverbote und das Verbot des sorbischen Konfirmandenunterrichts. Für das Sorbische Institut zeichnete sich die deutsch-preußische Politik unter Bismarck als die eines „autoritären nationalistischen Obrigkeitsstaates“ aus. Aus diesen Gründen sei die Entscheidung des Wiederaufbaus ein „vollkommen aus der Zeit gefallener, schädlicher Akt“.

Dass es sich bei dem Vorhaben mitnichten um ein harmloses und nostalgisches Geschichtsprojekt handelt, sondern vielmehr als Teil eines rechten Kulturkampfes zu verstehen ist, macht ein Blick auf die Bautzner Volksliedertafel deutlich. Der regelmäßig Treff des Vereins findet im lokalen AfD-Büro statt. Darüber hinaus unterhält der Verein gute Beziehungen zu lokalen AfD Politiker:innen. So fanden bereits gemeinsame Liederabende mit AfD-Landeschef Jörg Urban und dem Bundestagsabgeordneten Karsten Hilse statt. In der AfD-Zeitung „Blaue Post“ wurde der Verein besonders für seine „patriotischen Texte“ gelobt.

Eng verwoben ist die „Bautzener Liedertafel“ auch mit der „Volksliedertafel Dresden“. Gemeinsam spielten die völkischen Musiko-Kombos bei diversen PEGIDA -Veranstaltungen. Ebenso sorgten sie 2018 bei der Demonstration: „Stoppt den teuflischen Pakt“ gegen den UN-Migrationspakt in Berlin für die musikalische Untermalung. Neben Andreas Kalbitz und Lutz Bachmann nahmen damals hunderte Menschen an der vom rassistischen Cottbusser Verein „Zukunft Heimat“ organisierten Kundgebung teil. Die Dresdener Volksliedertafel trat darüber hinaus immer wieder im Umfeld von NPD-Veranstaltungen auf und macht aus ihrer völkischen Gesinnung wenig Hehl.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Bautzner Volksliedertafel versucht, als sozialer Akteur zu positionieren, um damit rechte Positionen zu normalisieren. Im vergangenen Jahr beantragte die Liedertafel erfolgreich Geld des Bundesförderprogrammes „Demokratie leben!„. Unter dem harmlos klingenden Namen „Offenes Singen nach der Krise“ sollte „gegenseitiges Verständnis, Anerkennung, Toleranz und Respekt“ gestärkt werden. Ein Unterfangen, welches in Anbetracht der engen Verbindungen der Liedertafel in das völkisch-nationalistische Milieu mindestens fraglich erscheint.

Vor diesem Hintergrund warnt das Sorbische Institut vor einem „Trojanischen Pferd, das sich rasch als Kult- und Gedenkort für Rechtsextreme, Reichsbürger und sonstige Demokratieverächter erweisen könnte“. Für das Institut sei es alarmierend, dass ein AfD, PEGIDA und Querdenken nahestehender Verein gerade mit einem Bismarckdenkmal auf offene Ohren bei Teilen des Stadtparlamentes stößt. Eine historische Auseinandersetzung mit Bismarck, so die Wissenschaftler:innen gegenüber addn.me, gehöre nicht an ein touristisches Ausflugsziel, sondern „an Schulen, Museen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen“.

Rückendeckung bekommt das Institut von der Domowina, dem bereits 1912 gegründeten Dachverbandes der sorbischen Vereine. „Bismarck aber war ein Feind der Menschenrechte, wie sie inzwischen Maßstab für die Gesellschaft sind“, erklärte der Verband gegenüber addn.me. Entsprechend sei die Kritik des Sorbischen Instituts gerechtfertigt. Es bestehe die Hoffnung, dass die weiteren Planungen dazu führen, dass die Stadt von den Plänen ablassen wird.

Danach sieht es bisher allerdings nicht aus. Die Grünen Bautzen haben mittlerweile einen Antrag im Stadtrat eingereicht, der die Entscheidung im Hauptausschuss aufheben soll. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sich an den Stimmanteilen viel ändern wird. Vor allem weil Oberbürgermeister Ahrens für das Projekt stimmte und es bislang gegenüber kritischen Stimmen vehement verteidigt hat. Die Proteste seitens des Sorbischen Institut bezeichnete der SPD-Politiker gegenüber dem MDR als „Hysterie“. Für ihn ist klar: „Bismarck war kein Verbrecher und wir müssen ihn auch nicht als solchen behandeln.“

Der Versuch der Bautzener Volksliedertafel ein geschichtsrevisionistisches Denkmal zu errichten, fügt sich ein in eine Reihe von kulturellen Bestrebungen rechter Akteur:innen. Es steht neben der kurzzeitigen Wahl von Jörg Bernig zum Kulturamtsleiter in Radebeul und dem Versuch der AfD in Dresden, ein weiteres Denkmal für die Bombardierung der Stadt zu errichten. Während die Black Lives Matter-Bewegung noch im letzten Jahr eine kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialeingeschichte eingefordert hatte, huldigen Konservative hierzulande wieder einmal den „alten Helden“. 

Lesenwert: Die Wiederkehr des Fürsten: Zum Konflikt um das Bismarck-Denkmal in Bautzen von Sönke Friedreich

Bild: Bismarck-Statue Hamburg Februar 2021


Veröffentlicht am 15. Oktober 2021 um 16:22 Uhr von Redaktion in Nazis

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