Nazis

Bautzen: Prozess wegen Anschlag auf Asylbewerberheim

11. August 2010 - 22:50 Uhr

Von Prozessbeobachter_innen der Antifaschistischen Aktion Görlitz und der Antifa Lausitz

Das Oppacher Asylbewerber_innenheim war in der Nacht zum 13. September 2008 Ziel eines rassistisch motivierten Angriffes von 5 Neonazi – Aktivist_innen (siehe dazu http://de.indymedia.org/2008/09/227821.shtml).

*Die Täter*

Tommy Domberg (geb. 20.01.1980) und Martin Richard Frenzel (geb. 22.07.1989) warfen 4 Molotowcocktails aus ca. 20 Meter Entfernung gegen die Fassade der Unterkunft, in der sich zum Tatzeitpunkt 15 Bewohner_innen aufhielten. Dabei wurden sie von Sandro Gutsche (geb. 22.06.1985) und Yvonne Müller (geb. 12.11.1982) begleitet. Eine weitere Person mit dem Namen Paul Bennert war an dem Angriff beteiligt. Er konnte jedoch nicht zum Prozess geladen werden, da er sich das Leben genommen hatte.

Dieser Angriff wurde am 02.August 2010 vor dem Bautzener Jugendschöffengericht verhandelt. Nachdem sich der zu spät gekommene Staatsanwalt vom Richter die Anklageschrift zur Verlesung auslieh (er hatte seine Unterlagen vergessen), begann die Verhandlung. Die Täter_innen waren vom Anfang an geständig. Der Tathergang gestaltete sich folgendermaßen:

*Der Tathergang*

Die Angeklagten trafen sich in der Sohlander Wohnung von Maik N., tranken und hörten bei einer dort stattfindenden Geburtstagsfeier Nazimusik. Unter anderem durch die Texte von „Landser“ angestachelt, bezeichneten Sie die Stimmung als aufgeheizt. In dieser Runde wurde dann diskutiert, dass sie den Asylbewerber_innen mal eine Abreibung verpassen müssten. Daraufhin fuhren die 4 Angeklagten mit dem Fahrzeug von Paul Bennert zum Anwesen von Domberg, um dort Benzin aus einem Moped in die mitgebrachten Bierflaschen abzufüllen. Anschließend setzten sie die Fahrt zur Unterkunft der Asylbewerber_innen fort. Zwischendurch trafen sie noch Freunde an einer Oppacher Bushaltestelle. Dann ging es mit dem Fahrzeug von Bennert weiter zum Flüchtlingsheim. Domberg und Frenzel stiegen aus und warfen die Brandsätze. Danach flüchteten sie mit dem Auto zurück zur Wohnung von Maik N..
Gutsche und Müller wollten von dem Vorhaben nichts gewusst haben. Gutsche sei erst später in die Wohnung von Maik N. gekommen, denn er war vorher bei einem Treffen der NPD in Görlitz. Auffällig ist, dass zwei der Täter ehemalige Mitglieder der NPD waren (Gutsche und Frenzel). Die Aussagen von Müller und Gutsche waren wenig glaubhaft, denn die beiden Haupttäter Frenzel und Domberg (und auch Bennert bei der polizeilichen Vernehmung vor seinem Suizid) sagten übereinstimmend aus, dass alle bei Fahrtantritt wussten, wo es hingeht und was passieren sollte. Gutsche behauptete im Prozess sogar, dass ihm selbst als ihm die Brandsätze von Domberg und Frenzel in die Hand gegeben wurden kein Benzingeruch aufgefallen ist und er auch nicht wüsste wie das riecht oder wie Molotow — Cocktails aussehen (Anmerkung: er war Bundeswehr — Soldat bei einer Transport — Einheit). Er will gedacht haben, dass es ganz normale Bierflaschen waren.

Laut der Aussage Bennerts bei der Polizei war es Yvonne Müller, die die Gruppe direkt zum Flüchtlingsheim lotste, da sie den Weg kannte. Bennert sagte bei der Polizei außerdem aus, dass Gutsche bei der Flucht aus dem Auto heraus auch noch eine Flasche auf das Flüchtlingsheim geworfen haben soll.

*Die Tatmotivation*

Frenzel antwortete auf die Frage nach dem Ziel des Anschlages: „Dass die sich mal dort wegscheren.“. Und anschließend sagte er aus: „Ich glaube nicht, dass ich die Brandsätze geworfen hätte, wenn das Anwesen leergestanden hätte.“. Somit ist klar belegt, dass der Tod von Menschen in Kauf genommen, wenn nicht sogar beabsichtigt wurde.

Weiterhin gaben Domberg und Frenzel an, „dass sie nicht auf die Fenster gezielt hätten.“. Allerdings ist es laut LKA-Gutachten gar nicht möglich, mit solchen Brandsätzen genau neben die Fenster zu zielen, so der vorsitzende Richter.

*Das Urteil*

Alle Angeklagten kamen mit Bewährungsstrafen davon.
Domberg, der seit dem Vorfall nicht mehr auffällig war, wurde zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung und 200 Arbeitsstunden verurteilt.
Frenzel, der Bewährung hatte und neben dem Anschlag auch noch 2 gefährliche Körperverletzung beging, erhielt 24 Monate Gefängnis zur Bewährung ausgesetzt. Ihm hielt das Gericht zu Gute, dass er an einem Aussteigerprogramm aus der rechten Szene teilnimmt. Was dabei dahinter steht ist allerdings mehr als nebulös. Transparenz ist bei diesem Aussteiger — Projekt Fehlanzeige. Auf der Homepage des Aussteiger — Projektes findet man weder etwas zu Kriterien, wann eine Person „Aussteiger“ ist, noch was diese Person tun muss um ihren Ausstieg und ihre ehemalige Naziaktivitäten auch glaubhaft zu machen. Die Artikel auf der Homepage des Vereins lassen an einer fachlichen Reflexion und Begleitung dieses Aussteigerprogramms dann auch ernsthaft zweifeln.
Insofern sind auch Zweifel angebracht, dass Frenzel tatsächlich „ausgestiegen“ ist. Im Gerichtssaal mutete die Aussage Michael Ankeles (Mitarbeiter im „Aussteiger — Projekt“) zu Gunsten von Frenzel eher wie ein PR – Gag an, um eine drohende Haft doch noch zu verhindern.

Das ehemalige NPD Mitglied Sandro Gutsche erhielt wegen Beihilfe 16 Monate Gefängnis auf Bewährung, der Prozess gegen Müller wird noch fortgesetzt. Fazit: Alle Täter_innen waren geständig bei dem Angriff dabei gewesen zu sein und trotzdem wollen die Unschuldsengel Gutsche und Müller davon nichts mitbekommen haben.

*Fazit*

Die verhängten Bewährungsstrafen und die Begründungen des Gerichts sind für die Prozessbeobachter_innen schwer nachvollziehbar gewesen. Zumal ja mindestens Frenzel schon unter Bewährung stand. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieses milde Urteil nicht von anderen Nazis als Einladung für den nächsten Brandanschlag verstanden wird.

Quelle: Indymedia (05.08.10)


Veröffentlicht am 11. August 2010 um 22:50 Uhr von Redaktion in Nazis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.