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Schwimmender Protest trotz scharfer Kontrolle

2. Juni 2015 - 23:27 Uhr

Zu Beginn dieser Woche fand unweit von Dresden im beschaulichen Schloss Moritzburg das G6-Treffen der Innenministerinnen und Innenminister der sechs einwohnerstärksten EU-Staaten statt. Zusätzlich waren mit Loretta Lynch und Jeh Johnson auch die Justizministerin und der Minister für Heimatschutz aus den USA eingeladen. Auf der Agenda stand neben der Bekämpfung von Cybercrime und dem islamischen Terrorismus vor allem das Thema „Flüchtlingspolitische Zusammenarbeit mit Drittstaaten“. Erst vor wenigen Tagen hatte der EU-Ministerrat angesichts hunderter toter Menschen im Mittelmeerraum einen Militäreinsatz gegen so genannte „Menschenschmuggler Netzwerke“ beschlossen. Bei Unternehmungen dieser Art sticht immer wieder die Europäische Agentur für Grenzsicherung Frontex hervor, welche trotz zahlreicher nachgewiesener Menschenrechtsverletzungen sowohl personell, als auch finanziell weiter aufgestockt wird. Angesichts der knapp bemessenen Zeit hatte das Treffen in Moritzburg insgesamt jedoch eher einen formellen Charakter. Für „eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Hintergründen einer weltweiten Thematik“ dürfte, so die Kritik, nur wenig Zeit gewesen sein.

„Push back Frontex“ stand auf dem Transparent, mit dem drei jungen Menschen der Zugang ausgerechnet zu dem Teich gelang, welcher das Schloss umgibt. Als „Push back“ werden die illegalen Aktionen bezeichnet, mit denen Menschen ohne Verfahren nach dem Aufgreifen an der Seegrenze an ihre vermeintlichen Herkunftsorte zurückbefördert werden. Passend zum großen „Familienfoto“ der Ministerinnen und Minister, die maßgeblich für die europäische „Grenzsicherung“ durch Frontex verantwortlich sind, schallte ihnen vom Wasser couragierter Protest entgegen. Die Beteiligten kritisierten nach ihrer Aktion den immer weiter vorangetriebenen Ausbau der Festung Europa. „Das Treffen“, so heißt es in ihrer Stellungnahme, „spiegelt einmal mehr die inhumane und mörderische Politik der Europäischen Union im Umgang mit Geflüchteten wieder. Es wird ein Bedrohungsszenario konstruiert das die Abschottung Europas legitimiert auf Kosten von tausenden Menschenleben.“ Dass es bei der Aufnahme von Geflüchteten, über deren „gerechte Verteilung“ beraten wurde, um die Menschlichkeit schlecht bestellt ist, verdeutlichte wieder einmal der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU), wenn er fordert, „dass man unterscheiden muss zwischen denjenigen, die aus politischen Gründen Schutz suchen und denjenigen, die aus wirtschaftlicher Not eine bessere Zukunft in Europa suchen.“

Dass es trotz einer riesigen Zahl von Einsatzkräften gelang, verhältnismäßig einfach über den Teich zur Veranstaltung zu gelangen, ist vor allem auch den günstigen Windverhältnissen zu verdanken, so dass das Boot mit dem Transparent als Segel direkt in Richtung des eigentlich für die Öffentlichkeit gesperrten Schlosses geweht wurde. Auf Seiten der eingesetzten Beamtinnen und Beamten herrschte anschließend eine große Konfusion darüber, wer denn nun für diese geglückte Protestaktion in ihren Reihen verantwortlich zu machen sei. Nachdem die Wasserschutzpolizei mit einem motorisierten Schlauchboot schließlich die unerwünschten Gäste zum Ufer zurückgebracht hatte, brauchte die Kriminalpolizei aus Dresden noch einmal geschlagene zwei Stunden, um zum Ort des Geschehens zu gelangen. Dort wurde unterdessen mit sehr viel Fachwissen beratschlagt, wie denn nun die Luft aus dem Boot der Aktivistinnen zu lassen ist, vor allem durch wen und wie die Gruppe denn überhaupt zum Veranstaltungsort kamen. Mit minimalem Aufwand ist den Protestierenden so eine beispielhafte Publicity-Aktion geglückt.

Auch wenn die von Sicherheitsbehörden herbeibeschworenen Proteste gegen das G7-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs in der Woche zuvor bis auf kleinere Ausnahmen ausblieben, zeigt diese Aktion, dass auch ein hochgerüsteter Polizeiapparat einfallsreichem Protest oft hilflos gegenübersteht. Auch anderswo wurde in diesen Tagen der notwendige Protest gegen die EU-Flüchtlingspolitik auf die Straße und in die Öffentlichkeit getragen. Alle eint die Forderung, nach der die Flüchtlingsthematik nicht mit rein sicherheitspolitischen Bedenken und polizeilichen und militärischen Mitteln begegnet werden kann. Vielmehr wurden die europäischen Staaten dazu aufgefordert, sich für eine kurzfristige Hilfe der Betroffenen genauso einsetzen, wie für eine langfristige Hilfe zur Entwicklung von Weltregionen, an deren Misere sie einen wesentlichen Anteil haben.

Festung Europa: Die Schuld der EU-Grenzwächter:


Veröffentlicht am 2. Juni 2015 um 23:27 Uhr von Redaktion in News

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