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G7 Vorbereitungstreffen endet ohne konkrete Ergebnisse

30. Mai 2015 - 10:51 Uhr - Eine Ergänzung

Gestern endeten in Dresden die zweitägigen Gespräche der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben bedeutensten Industrienationen mit einer Pressekonferenz im Dresdner Residenzschloss. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise hatten sich zuvor die Vertreterinnen und Vertreter der G7 gemeinsam mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und EU-Währungskommissar Pierre Moscovici über mögliche Auswege aus der weltweiten Schuldenkrise ausgetauscht. Zu Beginn der Beratungen verwies Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) noch einmal auf die Erfolge seines Landes bei der Bewältigung der Krise. Um auch künftig ein nachhaltiges Wachstum sicherzustellen, betonte der Minister auf der abschließenden Pressekonferenz am Freitag vor allem die Bedeutung so genannter Strukturreformen, mit ihren oft weitreichenden sozialen Folgen für große Teile der Bevölkerung in den hoch verschuldeten Ländern. Kaum eine Rolle spielten hingegen die von kritischen Stimmen immer wieder geforderten Entschuldungsprogramme für ärmere Länder.

Eines der zentralen Themen der Gespräche war neben der Stabilisierung des Weltfinanzsystems die Umsetzbarkeit von Maßnahmen gegen Steuerflucht und Gewinnverlagerung international tätiger Konzerne. Wirtschaftliche Aktivitäten, so Schäuble dazu, sollten dort besteuert werden, wo sie auch erfolgen. Konkrete Ergebnisse gab es jedoch keine, vielmehr zeigte sich Schäuble zuversichtlich, bis Ende des Jahres zu einer Einigung zu kommen. Gleichzeitig warnte Bundesbankpräsident Jens Weidmann in Zusammenhang mit der derzeitigen Niedrigzinspolitik der EZB vor der Gefahr von „Vermögensblasen“ und betonte ebenso wie Schäuble die Notwendigkeit weiterer Reformen in den Krisenländern und in den Finanzsystemen. Angesichts der Naturkatastrophe in Nepal kündigten die Finanzchefs außerdem weitere finanzielle Hilfen an und sprachen sich für einen Schuldenerlass des von mehreren Erdbeben betroffenen Landes aus. Obwohl der noch immer drohende Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone bei den Beratungen offiziell kein Thema sein sollte, kritisierte Schäuble indirekt die Reformbemühungen des südeuropäischen Landes. Und während US-Finanzminister Jack Lew angesichts der bislang schleppend verlaufenden Verhandlungen alle Beteiligten zu einer pragmatischen Lösung des Problems aufrief, zeigte sich IWF-Chefin Lagarde wenig diskussionsbereit.

Von den im Vorfeld angekündigten Protesten war an beiden Tagen kaum etwas zu sehen. Lediglich am Mittwoch war es auf dem Neumarkt zu drei kleineren Aktionen gekommen. Dazu wurden vor der Frauenkirche Ballons mit den Gesichtern bekannter Politikerinnen und Politiker mit Luft gefüllt und symbolisch die auf Liegestühlen schlafenden Finanzminister geweckt, um damit auf die Schuldenkrise im globalen Süden aufmerksam zu machen. Auf dem Postplatz erinnerte „Die Linke“ an den wirtschaftlichem Kahlschlag und eine wachsenden Verelendung der Bevölkerung durch die von IWF, EZB sowie der EU geforderten Spardiktate und forderte die seit etlichen Jahren diskutierte Einführung einer internationalen Finanztransaktions- und CO2-Steuer. Tags darauf protestierten in den Mittagsstunden etwa 40 Nazis aus dem Umfeld der Jungen Nationaldemokraten (JN) an gleicher Stelle gegen Kapitalismus, kurz zuvor hatte die Polizei von sechs Landtagsabgeordneten der Alternative für Deutschland (AfD) die Personalien festgestellt, nachdem sie auf inmitten der Sicherheitszone auf dem Theaterplatz mit einem Plakat ihre Solidarität zu Russland ausgedrückt hatten. Die Gründe für den kaum wahrnehmbaren Protest dürften jedoch weniger mit dem nicht zu übersehenden Polizeiaufkommen überall in der Stadt zu tun gehabt haben, als vielmehr damit, dass repräsentativen Treffen wie dem in Dresden in der kritischen Öffentlichkeit hierzulande kaum noch eine Bedeutung beigemessen wird.

„Mein Herzenswunsch: Kommen Sie bald wieder – oder wenn Ihnen das nicht möglich ist, werden Sie zu einem Botschafter unseres schönen Freistaats und erzählen Sie, wie wohl Sie sich hier gefühlt haben“. Fazit des Sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) auf das Treffen

Angesichts ständiger Personaldiskussionen bei der Sächsischen Polizei und dem enormen Personalaufwand von mindestens 2.300 Einsatzkräften, die das Treffen rund um die Uhr begleiteten, stellt sich im Nachgang die Frage, mit welchen Bedrohungsszenarien im Vorfeld gerechnet wurde und welche Behörden für die Beurteilung der Lage zuständig waren. Trotz monatelanger Vorbereitung durch die Dresdner Polizei blieb es in den letzten Tagen, mit Ausnahme eines stetig über der Stadt kreisenden Polizeihubschraubers, ruhig. Statt protestierender Menschen bestimmten schwer bewaffnete Beamtinnen und Beamte hinter den eigens für den Gipfel aufgestellten 80.000 Euro teuren Betonmauern das Bild und gaben der Öffentlichkeit damit wenigstens einen kleinen Eindruck dessen, was die angekündigten Proteste gegen das G7-Gipfeltreffen in Schloss Elmau zu erwarten haben. Lediglich am Dienstag war es am Rande einer gegen den G7 gerichteten Spontandemonstration von knapp 50 Menschen in der Äußeren Neustadt zur vorläufigen Festnahme von sieben Personen gekommen (Fotos). Im Nachgang hatte die Dresdner Linksjugend das Polizeiaufkommen in dem Viertel als „immens“ bezeichnet. Mehrere ihrer Mitglieder waren zuvor offenbar willkürlich durch die Polizei kontrolliert worden. Gerüchte, wonach in der Neustadt ein „Kontrollbereich“ bis zum Ende des Gipfels eingerichtet wurde, hatte Polizeisprecherin Jana Ulbricht später zurückgewiesen.

Mit der zumindest fragwürdigen Begründung, die Anreise „potentieller Gewalttäter“ zu verhindern und einen „störungsfreien Verlauf“ der Veranstaltungen zu garantieren, hatte zuvor der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den deutschen Binnengrenzen im Zeitraum vom 26. Mai bis zum 15. Juni 2015 beschlossen. Die in Artikel 23 des Schengener Abkommens eingeräumte Möglichkeit von Grenzkontrollen darf von Mitgliedsstaaten nur im Fall einer „schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit“ für höchstens 30 Tage beschlossen werden. Im Nachgang ist das für die Grenzkontrollen veranwortliche Land verpflichtet, einen Bericht über die Wirksamkeit der Maßnahme zu verfassen. Die Polizei nutzte die Gelegenheit für öffentlichkeitswirksame Großkontrollen, bei denen in den vergangenen Tagen nach Angaben der Bundespolizei zahlreiche „allgemeinpolizeilichen Feststellungen“ durchgeführt wurden, bei denen allein durch die Bundespolizeidirektion Pirna mehr als 80 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz festgestellt werden konnte. Nach Deutschland gereiste „Polit-Terroristen“ konnten bei den umfassenden Kontrollen nach Darstellung eines Sprechers der Bundespolizeidirektion Pirna allerdings nicht festgestellt werden. Diese seien „wahrscheinlich von unseren Kontrollen abgeschreckt“ worden.

Als Abschluss steht in der kommenden Wochen ein zweitägiges EU-Innenministertreffen in Moritzburg auf dem Programm. Dabei wollen die Innenminister der fünf einwohnerstärksten EU-Mitgliedstaaten gemeinsam mit US-Justizministerin Loretta Lynch, dem amerikanischen Heimatschutzminister Jeh Johnson und Dimitris Avramopoulos, dem EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft von Montag an über Migrations- und flüchtlingspolitische Fragestellungen, den Islamistischen Terrorismus sowie die internationale Zusammenarbeit Bereich der Organisierten Kriminalität diskutieren. Vor einigen Jahren war es unweit des Tagungsortes in der Dresdner Innenstadt zu Protesten von etwa 100 Menschen gekommen, die sich für die Einhaltung von Menschenrechten gegenüber geflüchteten Menschen einsetzten. Ein Thema, welches hinsichtlich dem vom EU-Ministerrat Mitte des Monats beschlossenen Militäreinsatz gegen „Menschenschmuggler Netzwerke“ im Mittelmeerraum, im Augenblick wichtiger denn je sein dürfte.

Radiobeitrag: G7 in Dresden – Keine Pegida, keine Proteste


Veröffentlicht am 30. Mai 2015 um 10:51 Uhr von Redaktion in News

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