News

Stühlerücken beim sächsischen Verfassungsschutz

27. Juli 2012 - 08:05 Uhr - 10 Ergänzungen

Aktensortierung auf sächsische Art (Quelle: flickr.com/photos/sumit/)

Sachsen hat seit heute einen neuen Verfassungsschutzpräsidenten. Nach dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden Reinhard Boos hat das Innenministerium heute bekannt gegeben, wer ab 15. August zu seinem kommissarischen Nachfolger ernannt wird. Den Posten bekommt mit Gordian Meyer-Plath ein ehemaliger Mitarbeiter des Brandenburger Verfassungsschutzes. Der 44jährige war seit 1994 in der Behörde tätig und arbeitete zuletzt als Leiter der Abteilung zur „Auswertung und Beschaffung des politischen Extremismus“. Ab August soll Meyer-Plath nach Angaben des Sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) für zunächst ein halbes Jahr die kommissarische Leitung des sächsischen Verfassungsschutzes übernehmen. Ein Wechsel war notwendig geworden, nachdem der bisherige Verfassungsschutzpräsident nach dem plötzlichen Auftauchen neuer Akten seinen Rücktritt erklärt hatte.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) bedankte sich bei seinem Brandenburger Amtskollegen Dietmar Woidke (SPD) dafür, dass die „verantwortungsvolle Führung des Verfassungsschutzes“ in den kommenden sechs Monaten von einem „erfahrenen Verfassungsschützer“ übernommen wurde. In der Vergangenheit hatte er mehrfach Vorträge zu Nazis im Fußball gehalten. Auf einer VS-Fachtagung gegen Extremismus hatte Meyer-Plath zum Thema des „Autonomen Linksextremismus“ referiert und dabei Brandenburg nicht als „Heimat des schwarzen Blockes“ eingeordnet. Dennoch versuchte er während seiner Darstellung zu den klassischen Themengebieten linker Politik, ganz nach der Sächsischen Definition des politischen Extremismus die Bedrohung durch „Linksextremisten“ herauszuarbeiten, ohne dazu zwischen inhaltlichen Auseinandersetzungen und tatsächlich stattgefundenen Aktionen zu unterscheiden. Der Linke Landtagsabgeordnete Rico Gebhardt bezeichnete in einer Pressemitteilung die Ernennung eines neuen kommissarischen Präsidenten als „ersten Schritt zur Auflösung des sächsischen Verfassungsschutzes“ und sprach angesichts der Taten des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ von einem „Totalversagen“ der Behörde „gegenüber Nazi-Terroristen und ihrem Umfeld“.

Inzwischen hat der Grüne Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi wegen der vernichteten Akten Strafanzeige gegen Reinhardt Boos, Olaf Vahrenhold und weitere Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Staatsanwaltschaft Dresden eingereicht. Lichdi begründete seine Anzeige damit, dass Sachsens umstrittener Innenminister Ulbig „bis heute keinerlei Anweisung zur Verhinderung der fortgesetzten Schredderung getroffen“ habe. So seien nach seinen Angaben bisher „über 800 Aktenstücke mit Personenbezügen zu sächsischen Neonazis einfach unwiederbringlich vernichtet“ worden. Im Fall einer Verurteilung wegen so genannten Verwahrungsbruchs drohen Amtsträgern für die Zerstörung oder Beschädigung von dienstlichen Schriftstücken Haftstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. Bereits zuvor hatte der Abgeordnete die Vernichtung von Teilen der rund 5.000 Akten zu Nazis in Sachsen als „Skandal“ bezeichnet und die Aktion für rechtswidrig erklärt, da nach §7 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes (SächsVSG) Akten nur dann vernichtet werden dürfen, wenn die gesamte Akte nicht mehr benötigt wird.


Veröffentlicht am 27. Juli 2012 um 08:05 Uhr von Redaktion in News

Ergänzungen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.