Ökologie

Der Dresdner Dürrestandort: Nächste Chipfabrik fürs Silicon Saxony angekündigt

24. März 2023 - 17:14 Uhr

Nach mehreren sich widersprechenden Medienberichten seit dem Ende des Jahres 2022, meldete die Nachrichtenagentur Reuters mit Bezug auf interne Quellen nun doch, dass der taiwanesische Großkonzern TSMC eine Chipfabrik in der Landeshauptstadt Dresden plane. Die Verhandlungen mit dem Freistaat Sachsen seien „ernst und fortgeschritten“. Nach Infineon und Bosch wäre dies die inzwischen schon dritte Fertigungsanlage für Halbleiterchips in Dresden. Klimafolgen bleiben bei den Neuansiedlungen bislang außen vor.

Chips für die Automobilindustrie

Die Chipindustrie ist kosten- und ressourcenintensiv. Doch gleichzeitig ist sie einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftssektoren weltweit, allen Umsatzeinbrüchen im letzten Jahr zum Trotz. Ein wichtiger Faktor dafür ist die Nachfrage der Industrie nach Halbleiterchips für die Elektromobilität. Mit dem European Chips Act will die EU die Chipherstellung in Europa vorantreiben. Kaum eine andere Industrie steht derzeit so im Fokus auch der Bundesregierung. 

Da der Verkehrssektor einen riesigen Anteil an den CO2-Emissionen ausmacht, der notwendigerweise reduziert werden muss, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist diese Aufmerksamkeit nicht von Grund auf falsch. Doch anstatt diese raumgreifende und materialintensive Form der Mobilität ad acta zu legen, setzt die Bundesregierung auf die Umstellung auf E-Autos. Genau für diesen Markt soll das neu geplante Werk von TSMC Halbleiterchips produzieren, die notwendig sind für die smarte, elektronische Ausstattung der Fahrzeuge.

Der Ressourcen- und Flächenverbrauch ist immens

Laut einer Havard-Studie sank der Energieverbrauch von Computersystemen aller Art durch den technischen Fortschritt stark. Hingegen wächst der Ressourcenverbrauch bei ihrer Herstellung, allen voran bei den Halbleiterchips. Einerseits legt jedes Einzelprodukt lange Wege um den Globus zurück, bis der Chip schließlich verbaut ist. Andererseits braucht es große Mengen Wasser und Energie für die Herstellung der Chips, die für die smarte Ausstattung von modernen Fahrzeugen außerdem in viel größerem Umfang gebraucht werden. Durch neue Brunnenbohrungen an der Dresdner Saloppe soll der Wasserbedarf der Industrie abgesichert werden, ohne die Privathaushalte zu belasten. Sparen mussten bisher vor allem letztere, wenn Wasser in den Sommermonaten knapp wurde.

Vollbild-Recherche über den Wasserverbrauch der Industrie

Zusätzlich haben auch Autos, ob mit oder ohne Elektro-Antrieb, neben ihrem Ressourcenverbrauch auch was ihren Flächenverbrauch angeht eine schlechte Bilanz. Jede Straße stellt eine Flächenversiegelung da, die zur Erderwärmung ungleich stärker beiträgt als Grünflächen und die für Überschwemmungen anfällig ist. Dennoch werden auch in der Bundesrepublik noch immer neue Autobahnen oder Vergrößerungen der bestehenden Infrastruktur geplant. In Sachsen steht derzeit ein Ausbau der A4 in Richtung Lausitz zur Diskussion. Der BUND Sachsen kritisiert derartige Vorhaben: „Wenn wir über den Ausbau der A4 von Dresden bis Bautzen reden, dürfen wir nicht mehr im heutigen Verkehrssystem denken.“ Stattdessen mahnte der Verband eine „Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und auch Verkehrsvermeidung durch eine andere Regionalentwicklung“ an.

Auch für den Artenschutz ist die Begrenzung der durch den Menschen genutzten Fläche von zentraler Bedeutung. Mit der Corona-Pandemie hat die Menschheit drastisch vor Augen geführt bekommen, welche Konsequenzen eine sinkende Artenvielfalt und fehlende Rückzugsräume für Tiere haben können. In diese Kerbe schlägt nun auch die Ansiedlung der zahlreichen neuen Chiphersteller bei Dresden. Eine Kleine Anfrage der Dissidenten-Fraktion aus dem Jahr 2021 bezüglich einer möglichen Intel-Ansiedlung ging von einem Flächenverbrauch von 500 Hektar, rund 1,5 % der damaligen Stadtfläche, aus. Intel entschied sich schlussendlich für eine Ansiedlung bei Magdeburg auf 1.000 Hektar, doch eine Fabrik der Firma TSMC in Dresden dürfte nun in ähnlichen Dimensionen gebaut werden. 

Deutschland verfehlte seine Flächennutzungsziele

Bei der UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt im Januar 2023 einigten sich die beteiligten 190 Nationen darauf, 30 Prozent der Erdoberfläche bis 2030 für die Natur zu sichern. Das Problem daran, die meisten konkreten Maßnahmen blieben durch Eingriffe von Unternehmen und Lobbyverbänden freiwillig. Außerdem kritisieren Ökosozialist:innen das 30%-Ziel als nicht weitreichend genug, um ein stabiles Ökosystem auf der Erde zu erhalten.

Die Bundesregierung hat schon seit längerem eigene Zielvorgaben für die Flächennutzung. Für das Jahr 2020 hatte sich die Regierung Merkel das Ziel gesetzt, nur noch 30 Hektar pro Tag zu vernutzen, scheiterte daran jedoch in erheblichem Maß. Stattdessen wuchs die durch Menschen genutzte Fläche im Durchschnitt der Jahre 2017-2020 um 55 Hektar pro Tag.

In seinem Grundsatzprogramm „Nachhaltige Siedlungsentwicklung“ mahnte der Umweltverband NABU im Jahr 2019 an, dass die Neuerschließung von Flächen außerhalb der existierenden Siedlungsgrenzen sofort gestoppt und stattdessen nach innerstädtischen Lösungen für Ansiedlungen gesucht werden müsse. Das Gegenteil also von dem, was derzeit im Dresdner Norden passiert, wo immer neue Flächen für Industrieanlagen erschlossen werden, ein Problem, welches sich so auch beim Industriepark Oberelbe bei Heidenau stellt. 

Auf Anfrage von addn, ob und wenn ja wie die Verträglichkeit neuer Chipfabriken mit den dringenden Erfordernissen des Klimaschutzes im Dresdner Stadtrat verhandelt würden, antwortete nur die Dissidenten Fraktion. Der Fraktionsvorsitzende Martin Schulte-Wissermann gab an, bisher seien ihm keine Pläne seitens des Stadtrates bekannt, Abkommen oder Verträge zur Klimaneutralität mit den Unternehmen Bosch oder Infineon anzustreben. „Man muss feststellen, dass Industrieansiedlungen dieser Größenordnung im Wesentlichen ohne (politische) Beteiligung des Stadtrats geschehen. Der ’süße Nektar von neuen Arbeitsplätzen‘ übertüncht so gut wie jegliche inhaltliche Auseinandersetzung“, so Schulte-Wissermann. Große Hoffnung hegt die Fraktion hingegen in Bezug auf die außerparlamentarische Klimabewegung. 

Titel: Symbolbild


Veröffentlicht am 24. März 2023 um 17:14 Uhr von Redaktion in Ökologie

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