Soziales

LKA Sachsen: Munitionsdiebstahl blieb jahrelang unbemerkt

1. April 2021 - 20:20 Uhr - 5 Ergänzungen

Einer Pressemitteilung des Sächsischen Landeskriminalamt (LKA) zufolge kam es am Dienstag zu Durchsuchungen von Privatwohnungen und Diensträumen von insgesamt 17 Mitgliedern einer Sondereinheit des LKA. Hintergrund der Durchsuchungen sind Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden/INES wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Diebstahls, des Verstoßes gegen das Waffengesetz und des Verdachts der Bestechlichkeit. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, bereits im November 2018 7.000 Schuss Munition entwendet und am Rande einer Ausbildungswoche auf einer privaten Schießanlage in Güstrow als Bezahlung an die Firma „Baltic Shooters“ verwendet zu haben. Da es sich bei den vier Hauptbeschuldigten im Alter zwischen 32 und 49 Jahren um den hiesigen Leiter und drei Schießtrainer des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) handelt, sprach Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der sächsischen Linken, von einer „Parallelstruktur […], die der LKA-Präsident nicht kannte und nicht unter Kontrolle hatte“. Der Grünen-Politiker Valentin Lippmann zeigte sich „fassungslos„. Nach dem gewerbsmäßigen Verkauf von gestohlenen Fahrrädern aus den Reihen der Leipziger Polizei, ist dies bereits der nächste größere Skandal unter dem umstrittenen Sächsischen Innenminister Roland Wöller (CDU) innerhalb kürzester Zeit.

Nachdem ein ursprünglich geplantes dienstliches Schießtraining durch einen Vorgesetzten der MEK-Beamten untersagt worden war, hatten sich diese über das Verbot hinweg gesetzt. Als erste Reaktion nach den Durchsuchungen war durch Petric Kleine, den Präsidenten des Sächsischen LKA, vier Beschuldigten ein „Verbot der Führung von Dienstgeschäften“ ausgesprochen worden, die verbliebenen 30 bis 54 Jahre alten Beteiligten wurden bislang lediglich von ihren Aufgaben beim MEK entbunden und in die Polizeidirektion Dresden versetzt. Die Dresdner Abteilung des MEK wurde vorerst aufgelöst. Das erst am 22. März durch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden übernommene Verfahren beruht auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Schwerin gegen den ehemaligen Inhaber der Firma „Baltic Shooters“, Frank Thiel, auf dessen privatem Schießplatz taz-Recherchen zufolge bis 2019 jahrelang Spezialkräfte aus Deutschland und ganz Europa trainierten und der einem Zeugen zufolge Mitglied der rechten Gruppe „Nordkreuz“ gewesen sein soll. Als später herauskam, dass sogar Mecklenburg-Vorpommerns damaliger Innenminister Lorenz Caffier (CDU) eine Waffe von Thiel erworben hatte, trat der Minister nach monatelangem Schweigen zurück.

Zwei Jahre nach dem ursprünglich untersagten Schießtraining waren am Dienstag sowohl Privat- als auch Diensträume durch 40 Beamt:innen des LKA auch auf Hinweise nach Querverbindungen zu „Nordkreuz“ durchsucht worden. Während die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in ihrer Pressemitteilung davon sprach, dafür keine Anhaltspunkte gefunden zu haben, lässt zumindest die Personalie von Marko Gross aufhorchen. Bei dem ehemaligen SEK-Beamten und Administrator der rechten Gruppe „Nordkreuz“ waren bei zwei Durchsuchungen 2017 und 2019 neben einer Reihe von Schusswaffen auch mehrere zehntausend Schuss Munition gefunden worden, Munition, die der Firma des bestens vernetzten Thiel zugeordnet werden konnten, in der Gross eine zeitlang als Schießtrainer arbeitete. Unter der beschlagnahmten Munition waren auch 102 Patronen, die im Mai 2018 an das Polizeiverwaltungsamt Sachsen geliefert worden waren. Gross war im Dezember 2019 unter Applaus vom Landgericht in Schwerin zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden, bei seinen Tatvorwürfen habe es sich nach Auffassung des Gerichtes „um eine einmalige […] Verfehlung gehandelt“. Ob im Publikum auch Dresdner Beamte zugegen waren, ist nicht bekannt.

Bildquelle: Norbert Csík


Veröffentlicht am 1. April 2021 um 20:20 Uhr von Redaktion in Soziales

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