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Quo vadis Dresden Nazifrei?

14. Oktober 2012 - 14:36 Uhr - 4 Ergänzungen

Am 12. Oktober fand die Auftaktveranstaltung des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ für den 13. Februar im kommenden Jahr statt. Auf dem Podium des mit knapp 100 Menschen gut gefüllten Hörsaals der TU Dresden hatten sich neben Emiliano Chaimite (Afropa e.V.) und Stefan Brauneis (Jusos) auch Juliane Nagel (Leipzig nimmt Platz) eingefunden. Obwohl es nach Angaben eines Vertreters des Dresdner StuRas der TU zunächst von Seiten der Universitätsleitung Bedenken gegeben hatte, dem Bündnis für seine Veranstaltung Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, konnte die von Stadträtin Margot Gaitzsch (Die Linke) moderierte Podiumsdiskussion wie geplant stattfinden. Der Vertreter von Afropa e.V. verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass gerade das Studium an der Universität ein wichtiger Grund dafür ist, warum Migrantinnen und Migranten nach Dresden kommen.

Nach einem kurzen Exkurs zur Geschichte des erst 2009 gegründeten Bündnisses, folgte als erster inhaltlicher Schwerpunkt die Frage, ob das Bündnis eine Erfolgsgeschichte ist. Nach allgemeiner Zustimmung auf dem Podium meinte Stefan Brauneis aus dem Landesvorstand der sächsischen Jusos, dass das Dresdner Modell eines breit aufgestellten zivilgesellschaftlichen Bündnisses seiner Meinung nach erfolgreich in andere Städte „exportiert“ werden konnte. So seien inzwischen ähnliche Initiativen in zahlreichen weiteren deutschen Städten in Anlehnung an die Bezeichnung von „Dresden Nazifrei“ benannt worden. Dabei übersah Brauneis jedoch die Tatsache, dass Bündnisarbeit schon Ende der 90er Jahre zu Zeiten damals noch existierender bundesweiter Antifastrukturen Bestandteil linker Politik gewesen war. Nach Ansicht von Juliane Nagel, die eingeladen worden war, eine „Leipziger Perpektive“ darzustellen, würden die inzwischen sichtbar gewordenen Erfolge in den letzten Jahren darüber hinwegtäuschen, dass dabei vor allem die Auseinandersetzung mit der omnipräsenten Gedenkkultur in Dresden vernachlässigt worden ist. Auch erinnerte sie an die vielen Jahre antifaschistischen Protests in kleinerer Größenordnung, ohne die der Erfolg des spektrenübergreifendes Bündnisses wahrscheinlich undenkbar gewesen wäre.

Der für den diesjährigen taz-Panter-Preis nominierte Emiliano Chaimite machte im Anschluss daran noch einmal deutlich, welchen wichtigen Beitrag die Teilnahme an Protesten und Blockaden dazu leisten kann, die immer größer werdende „innere Ohnmacht“ vieler Menschen in Bezug auf ihren politischen Handlungsspielraum zu überwinden. So sei es beispielsweise für MigrantInnen und Flüchtlinge möglich, über Protest aus ihrer Rolle als Opfer herauszutreten, um selbst aktiv zu werden. Hier sah er auch die Bundesrepublik Deutschland in der Pflicht, zivilgesellschaftliches Engagement nicht zu verfolgen, weil das Wissen darum, insbesondere für Flüchtlinge aus Diktaturen, oftmals unbekannt ist, aber seiner Ansicht nach dennoch als integraler Bestandteil zu einem mündigen Staatsbürger dazugehört.

Trotz Vorlage vom Podium, verzichteten die Diskussionsteilnehmerinnen und Teilnehmer darauf, eine Debatte über die Legitimität von Blockaden zu führen. Massenblockaden seien, so Brauneis, ein Indiz dafür, dass „Demokratie mehr ist, als nur Rechtsstaat“. Eine der zentralen Fragen, was dafür getan werden könnte, die Zahl der Dresdnerinnen und Dresdner an den Protesten zu steigern, konnte letztendlich nicht beantwortet werden. Einzig der große Erfolg des „Täterspuren“-Rundgangs wurde von allen Parteien als positives Beispiel für eine breite Wirkung in die Bevölkerung hinein erwähnt. Für die Zukunft plant das Bündnis verstärkt regional zu arbeiten, da sich die Mobilisierungserfolge der vergangenen drei Jahre nur schwer wiederholen lassen. Dazu sollen rechte Aktivitäten im Umland künftig mehr Beachtung finden und durch das Bündnis dafür genutzt werden, auch außerhalb von Dresden zu intervenieren. Den eigentlichen Skandal, dass erst auf Grund einer bundesweiten Mobilisierung dem Spuk Einhalt geboten werden konnte, sprach niemand als solchen an, obwohl gerade dieser Umstand genug Erklärungen für eine Bewertung der Mobilisierungsfähigkeit innerhalb der Stadt hätte liefern können.

Am darauffolgenden Samstag diskutierten im Gewerkschaftshaus auf dem Schützenplatz zahlreiche Menschen über mögliche Naziaktivitäten und Gegenstrategien. Dazu hatte das Bündnis etliche Workshops und Referate organisiert, in denen sich über viele wichtige Themen im Zusammenhang mit dem kommenden Februar ausgetauscht und diskutiert werden konnte. Im Augenblick ist noch nicht klar, wo und wie viel Nazis in Dresden versuchen werden, ihren traditionellen Aufmarsch in den Abendstunden des 13. Februars durchzuführen.


Veröffentlicht am 14. Oktober 2012 um 14:36 Uhr von Redaktion in Antifa, Freiräume

Ergänzungen

  • „Dabei übersah Brauneis jedoch die Tatsache, dass Bündnisarbeit schon Ende der 90er Jahre zu Zeiten damals noch existierender bundesweiter Antifastrukturen Bestandteil linker Politik gewesen war.“

    Ohne jetzt die antifaschistische Vernetzung „in den 90ern“ klein reden zu wollen … aber das sind dann doch 2 Paar Schuhe. Es ist 2009 sehr deutlich geworden, dass eine Bündnisstruktur wie no pasaran über ein symbolisches Agieren hinaus keinen Einfluss auf den Naziaufmarsch und die Gedenkpolitik hatte. Das ist _genau_ der Grund, warum man letztlich einen spektrenübergreifenden Ansatz gewählt hat: um den Spielraum für antifaschistische Intervention zu vergrößern, über die „üblichen Verdächtigen“ hinaus. Damit war man m.M.n. sehr erfolgreich und auch Bündnisse, die „nur“ von der Antifa gestützt werden, können von der breiteren Akzeptanz des Blockadeansatzes profitieren. Davon hat Brauneis gesprochen. Er hat nichts übersehen, sondern ihr habt, Sorry, wahrscheinlich einfach nicht verstanden, was er meinte.

  • …dass eine Bündnisstruktur wie no pasaran über ein symbolisches Agieren hinaus keinen Einfluss auf den Naziaufmarsch und die Gedenkpolitik hatte…

    Im Bezug auf die Gedenkpolitik der Stadt sehen wir bis jetzt keine Veränderung, eher im Gegenteil. Genau das ist ja eines der Gründe für das geringe Mobilisierungspotential innerhalb der Stadt.

    Das ist _genau_ der Grund, warum man letztlich einen spektrenübergreifenden Ansatz gewählt hat: um den Spielraum für antifaschistische Intervention zu vergrößern, über die “üblichen Verdächtigen” hinaus.

    Genau das war aber schon in den späten 90ern der Ansatz von Politik als sich antifaschistische Gruppen in zivilgesellschaftlichen Bündnissen mit Gewerkschaften und Parteien zusammengetan hatten. Siehe: München 1997 oder Berlin 2000

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