Nazis

HOYGIDA: Rechter Mob statt Bürgernähe – mehr als 100 Menschen bei Gegenkundgebung

28. Januar 2015 - 00:42 Uhr

In Zusammenarbeit mit Mathias Grund

Etwa 350 Menschen demonstrierten am vergangenen Samstag in Hoyerswerda „Gewaltfrei und vereint gegen Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden!“, es war die erste Demonstration des PEGIDA-Ablegers HOYGIDA in der Kleinstadt in Ostsachsen (Fotos). An dem Aufmarsch nahmen zahlreiche, klar als solche erkennbare, gewaltbereite Nazis aus ganz Sachsen teil. Die Polizei beschlagnahmte mit Quarzsand verstärkte Lederhandschuhe, ein 59-Jähriger zeigte zudem den Hitlergruß, hieß es in einer Polizeimeldung. Am Treffpunkt der Demonstration fanden sich auch mehrere Nazis zusammen, die vor einem Jahr für einen Überfall auf ein antifaschistisches Pärchen in Hoyerswerda verurteilt worden waren. Neben dem schon aus Dresden bekannten „Wir sind das Volk!“ wurden auch rechte Parolen, wie: „Die Straße frei, der deutschen Jugend“, „Wir wollen keine Asylantenheime“, „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, „Ruhm und Ehre der deutschen Nation“ und „Lügenpresse auf die Fresse“. Auch wenn ein Sprecher der Demonstration daraufhin per Megaphonansage damit drohte, die Polizei werde „aussortieren“, wer weiter mitlaufen dürfe, wurden die zahlreichen Nazis bis zum Schluss in dem Aufzug toleriert. Einer der Redner auf der Demonstration war Edwin Wagensveld, „der Holländer“, der auch schon mehrfach in Dresden gesprochen hat. Der Aufmarsch am Samstag war die erste rechte Demonstration seit mehreren Jahren in Hoyerswerda. Sie führte vom Lausitzer Platz durch die Hoyerswerdaer Neustadt, die Demonstrierenden liefen damit nicht am Wohnheim für Asylsuchende in der Altstadt vorbei. Für den 7. Februar kündigte HOYGIDA bereits den nächsten Aufmarsch an.

Am Startpunkt hatten sich eine Stunde vor Beginn der rechten Demonstration über 100 Menschen hinter dem Banner „Hoyerswerda hilft mit Herz“ versammelt. Auf mehreren Tafeln mit der Aufschrift „Wir für Hoyerswerda. Bunt, weltoffen, tolerant.“ wurden Unterschriften gesammelt, ein Blasorchester spielte und schließlich der Beginn der Demonstration mit Pfiffen und Gesängen begleitet. Auf der Kundgebung sprach u.a. die Bundestagsabgeordnete Caren Lay (Die Linke). Sie betonte, dass die aktuellen Entwicklungen „nicht vom Himmel gefallen“ seien und berichtete von Problemen in der Stadt mit Nazis sowie Angriffen auf ihr Wahlkreisbüro im Zentrum der Hoyerswerdaer Neustadt. Trotzdem ihm nur wenige Meter entfernt Nazis gegenüberstanden, äußerte Bürgermeister Thomas Delling (SPD): „Wir demonstrieren heute ausdrücklich nicht gegen Menschen, die eine andere Meinung haben. Wir bieten allen den Dialog an. Wir sind alle Bürger von Hoyerswerda.“ Auch Grit Maroske vom Bürgerbündnis „Hoyerswerda hilft mit Herz“ betonte gegenüber addn.me: „Wir sind keine Gegendemo, dort drüben stehen genauso Bürger wie wir, wir sind auch das Volk und haben auch eine Meinung und das Recht, diese zu äußern.“ Maroske hatte das Bündnis mit gegründet, nachdem im vergangenen Jahr und damit 23 Jahre nach dem rassistischen Ausschreitungen von Hoyerswerda wieder ein Wohnheim für Asylsuchende in der Stadt eröffnet worden war. Seitdem organisiert sie mit „Hoyerswerda hilft mit Herz“ u.a. Deutschkurse für die Flüchtlingen, sammelt Spenden und organisiert Sportangebote für die Kinder im Heim.

Auf die Frage, ob denn angesichts rassistischer Einstellungen statt Gesprächsangeboten eine deutlichere Abgrenzung notwendig wäre, antwortete Grit Maroske gegenüber addn.me, „rassistischen oder offen faschistischen Ideologien“ eine Plattform zu bieten, sei „nicht Sinn und Zweck der Sache. „Es gilt, aufzuklären, denn viele Leute wissen gar nicht, dass das, was sie sagen, rassistisch ist. Aufklärung und politische Bildung ist deshalb das Gebot der Stunde. Da haben wir in den letzten 25 Jahren etwas verpasst“, betonte die Hoyerswerdaerin. Deshalb hatten Bürgerbündnis und Stadt einen Tag vor der Demonstration zu einem Dialogforum mit Vertreterinnen und Vertretern der lokalen Politik, Behörden, Kirche und Polizei eingeladen. „Du bist unzufrieden? Du möchtest mitreden und mitentscheiden? Du willst gehört werden? All das geht – ganz ohne PEGIDA“, lautete das Motto der Veranstaltung, die von 150 Menschen besucht wurde. Die Stimmung auf dem Bürgerforum sei zwar angespannt, aber nicht aggressiv gewesen, berichtete ein Besucher. Die Themen, die miteinander besprochen worden seien, reichten von Asylpolitik, falschen Gerüchten über ein zweites in der Stadt geplantes Heim für Asylsuchende, bis hin zu Rundfunkgebühren, Arbeitslosigkeit, dem Hoyerwerdaer Zoo und der Zukunft des Braunkohletagebaus. Etwa ein Drittel der Besucherinnnen und Besucher habe sich PEGIDA zugehörig gefühlt, ein weiteres Drittel sei unschlüssig gewesen. „Die Idee war: Wir bieten den Dialog und die Information, bevor irgendwelche Dinge eskalieren. Wir wollten Probleme miteinander angehen und gemeinsam nach Lösungen suchen“, so Maroske. Für viele Menschen in der Bevölkerung sei es neu, sich politisch auseinanderzusetzen und zuzuhören, sagt die Hoyerswerdaerin. Deshalb sind auch für die Zukunft weitere Termine geplant, „gestern ging es eher darum, sich Luft zu machen“, für die nächsten Bürgerforen sei deshalb die zentrale Frage: „Schaffen wir den Schritt von Kritik zu Lösungen und die Einbindung der Leute in einen demokratischen Prozess?“


Veröffentlicht am 28. Januar 2015 um 00:42 Uhr von Redaktion in Nazis

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