News

Grünen-Politiker stellen Strafanzeige

27. Juni 2013 - 16:24 Uhr - Eine Ergänzung

Zwei Landtagsabgeordnete der Grünen haben am Montag Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Dresden gegen den im Juli vergangenen Jahres zurückgetretenen ehemaligen Präsidenten des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Reinhard Boos, und den zum 1. Juli scheidenden Vizepräsidenten des Verfassungsschutzes, Olaf Vahrenhold, wegen des Verdachts auf uneidliche Falschaussage gestellt. Die Politiker sind der Ansicht, dass die beiden Beamten vor dem sächsischen NSU-Untersuchungausschuss „in einem entscheidenden Punkt nicht die Wahrheit gesagt“ haben sollen. Erst am vergangenen Freitag war ein von Johannes Lichdi im NSU-Untersuchungsausschuss eingereichter ähnlicher Antrag am Widerstand von CDU und FDP gescheitert.

In einem Interview mit dem Leipziger Universitätsradio mephisto 97.6 verwies Lichdi noch einmal auf die von Boos im NSU-Untersuchungsausschuss getätigte Aussage, wonach der Nationalsozialistische Untergrund für den Sächsischen Verfassungsschutz keine terroristische Vereinigung gewesen sei. Aus den erst kürzlich wiedergefundenen Akten geht jedoch hervor, dass eine damals von der parlamentarischen Kontrollkommission G-10 genehmigte Abhörmaßnahme „ausdrücklich“ mit der Gefahr einer terroristischen Gruppierung begründet und von Boos unterschrieben worden war. In dem Schreiben an den damaligen sächsischen Innenminister Klaus Hardrath (CDU) heißt es wörtlich: „Das Vorgehen der Gruppe ähnelt der Strategie terroristischer Gruppen, die durch Arbeitsteilung einen gemeinsamen Zweck verfolgen“. Bei dem untergetauchten Trio sei „eine deutliche Steigerung der Intensität bis hin zu schwersten Straftaten feststellbar“.

Die beiden Verfassungsschützer hatten jedoch zuvor in ihren Vernehmungen vor dem NSU-Untersuchungsausschuss unter dem Hinweis auf die mögliche Strafbarkeit wegen uneidlicher Falschaussage im Dezember 2012 bzw. März 2013 ausgesagt, sie hätten in ihrer Zeit beim Verfassungsschutz „keine“ (Vahrenhold) bzw. „keinerlei“ (Boos) Anhaltspunkte dafür gehabt, dass es in Sachsen Belege für Rechtsterrorismus gegeben habe und das obwohl im Zuge der Geheimoperation „Terzett“ im Chemnitzer Umfeld des seit 1998 abgetauchten rechten Trios Überwachungsmaßnahmen genau aus diesem Grund angeordnet worden waren. Der Grünen Politiker Miro Jennerjahn hatte schon frühzeitig auf die fehlerhaften Aussagen aufmerksam gemacht. Seiner Ansicht nach hätten die von Boos und Vahrenhold geäußerten Sachverhalte „offensichtlich“ im Widerspruch zur Begründung der Überwachungsmaßnahme“ gestanden. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) forderte er auf, personelle Konsequenzen zu ziehen.

Während die Polizei durch §100a der Strafprozessordnung und einem dafür notwendigen richterlichen Beschluss in die Lage versetzt wird, den Fernmeldeverkehr zu überwachen und unter dem Einsatz technischer Mittel bzw. verdeckter Ermittler im Fall von „schweren Straftaten“ ohne Wissen der Betroffenen die Telekommunikation zu speichern und aufzuzeichnen, muss der Verfassungsschutz für einen solchen schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte einen Vorschlag erarbeiten und dem Innenministerium zur Prüfung vorlegen. Im Anschluss daran entscheidet die G-10-Kommission des Sächsischen Landtages darüber, ob sie diesem Antrag zur Telefon- oder Briefüberwachung für notwendig erachtet und zustimmt. Im Fall des untergetauchten Nazitrios war die von Reinhard Boos unterzeichnete und von Olaf Vahrenhold erarbeitete Begründung für die Notwendigkeit der Überwachungsmaßnahme von insgesamt sieben Personen aus dem näheren Umfeld des NSU am 28. April 2000 beim damaligen Innenminister von Sachsen eingereicht worden. Obwohl das Gesetz dafür eine Maximaldauer von lediglich drei Monaten vorsieht, wurde sie bis ins Jahr 2006 hinein immer wieder mit der Begründung verlängert, dass es bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilung der Betroffenen, eine „Gefährdung des Zwecks der Beschränkung“ gegeben hätte.


Veröffentlicht am 27. Juni 2013 um 16:24 Uhr von Redaktion in News

Ergänzungen

  • „am 28. April 2000 beim damaligen Innenminister von Sachsen eingereicht worden. Obwohl das Gesetz dafür eine Maximaldauer von lediglich drei Monaten vorsieht, wurde sie bis ins Jahr 2006 hinein immer wieder mit der Begründung verlängert, dass es bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilung der Betroffenen, eine “Gefährdung des Zwecks der Beschränkung” gegeben hätte.“

    -Wahnsinn! Selbst hier wird beschissen! Gesetz und Verfassung, uns doch egal!! Für ein CDU-Verbotsverfahren!!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.