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Kunstaktion zum 13.2. in Dresden

4. Oktober 2009 - 19:50 Uhr - 3 Ergänzungen

In den Abendstunden und der Nacht vom 3. zum 4. Oktober fand in Dresden eine Kunstaktion zum nächsten 13. Februar statt. Eine Hamburger Künstlergruppe projezierte „Schattenbilder der Vergangenheit“ auf die bekanntesten Dresdner Sehenswürdigkeiten und unterlegte dies mit Parolen wie „Nie wieder Faschismus“. Zahlreiche TouristInnen und DresdnerInnen zeigten Interesse.

Punkt 22 Uhr startete die Aktion auf dem Theaterplatz. Auf die belebten Fenster und Eingänge der Semperoper wurde ein Beamerbild gerichtet, über das immer wieder überlebensgroße Soldaten entlangmarschierten. TouristInnen, die gerade in die andere Richtung den vollen Mond über der Hofkirche filmten und fotografierten, richteten nun instinktiv nach und nach ihre Kameras auf die bewegten Bilder. Dann wurde das Beamerbild noch größer gezogen und auf die Kuppel unter der Pantherquadriga gerichtet. Dort erschienen nun wild verwirbelte Schriftzüge. Schließlich war riesengroß in allen Sprachen zu lesen: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ und auch „NS-Verherrlichung stoppen!“ und „Gegen deutsche Opfermythen!“.

Der Theaterplatz wurde zur NS-Zeit wegen seiner Größe als Aufmarschplatz genutzt und erhielt den Namen Adolf-Hitler-Platz. Auch damals schon stand hier das monströse Reiterstandbild des sächsischen Königs Johann. Es verlockte die Künstlergruppe offensichtlich, ihre Pläne zu ändern und den mächtigen Sockel ebenfalls mit den aufmarschierenden Soldatenschatten zu bebildern. Und immer wieder dazwischen „Nie wieder Faschismus!“. Dann wird zusammengepackt und die Gruppe begibt sich auf den Neumarkt. Dort sind wie an einem sonnigen Tag Menschenmengen versammelt – allerdings verteilt in den unzähligen Cafés und Restaurants. Wieder beginnt die Projektion, eine Gruppe singender Kneipengänger streunt vorbei und läßt sich gleichmal vor den Bildern im Gruppenbild fotografieren.

Als die riesigen Schriftzüge auf der Frauenkirche erscheinen, motzt eine Dresdner Bürgerin herum: „Das kann doch nicht sein, das ist doch ein geschichtsträchtiges Bauwerk! Da kann man doch keine plakativen Aussagen draufbringen!“ Die Bürgerin hat von der Geschichtsträchtigkeit offenbar nicht viel Ahnung, steht doch gerade die Frauenkirche für den Spruch „Nie wieder Krieg“. Die Ruine galt zu DDR-Zeiten als Mahnmal gegen den Krieg und in den 80igern begannen Oppositionelle und Friedensgruppen am 13.2. Kerzen an der Frauenkirche abzustellen, ursprünglich um gegen die Militarisierung der DDR und die erstarrten Gedenktraditionen zu protestieren. Gerade deswegen ist es ja so wichtig, diesen Spruch wieder in den Zusammenhang mit der Kurzformel des Schwurs von Buchenwald zu bringen, in dem das „Nie wieder Faschismus“ betont wird. Denn gerade die Dresdner BürgerInnen halten recht gerne nur „Nie wieder Krieg“ für die Konsequenz aus dem 13.2. „Nie wieder Faschismus“ dagegen führt auf die Ursache dieses Krieges, ist also als Projektion an der Frauenkirche genau der richtige „platte Spruch“, zumal dahinter der durchaus nicht platte „Schwur von Buchenwald“ steht, in dem sich KZ-Überlebende gegen Militarismus und Faschismus aussprechen.

Das Oberlandesgericht am Fürstenzug diente in der nächsten Station als Projektionsfläche für eine „Straftat“, indem nämlich einige riesige Figuren schemenhaft „Hitlergrüße“ zeigten, dabei natürlich durchbrochen von „Nie wieder Faschismus“. Selbst Personen, die das Gebäude für eine Zigarette verließen, bemerkten offenbar nichts Ungewöhnliches – was ein Symbol sein könnte, für das teilweise Nichtstun der DresdnerInnen gegen Naziaufmärsche… Weiter ging es auf dem Terassenufer, von dem aus die Brühlsche Terasse bestrahlt wurde. Von der Dampferanlegestelle aus, gab es wieder ZuschauerInnen. Eine alte Frau wurde danach befragt wie es ihr gefallen hat – „Ja, ja, gut war es, schön, ja“ so die Antwort. Als letztes wurde dann der Zwinger „besucht“. Dann fuhr die Künstlergruppe in die Neustadt, um dort weitere Projektionsexperimente zu machen.

Vielen Dank an die zahlreich erschienenen UnterstützerInnen, die mit unauffälliger Präsenz für die Sicherheit der Aktion gesorgt haben.

Quelle: Indymedia (04.10.09)


Veröffentlicht am 4. Oktober 2009 um 19:50 Uhr von Redaktion in Antifa, Kultur, News

Ergänzungen

  • Im Prinzip eine ganz gute Idee, doch wie gesagt, der Mehrheit der Dresdner geht die Problematik „neue Nazis im Lande und im Landtag“ am allerwertesten vorbei. Ich glaube, je mehr die Dresdner mit dem Thema „NPD, Alltags-Rassismus und rassistisch motivierte Überfälle und Mord“ GENERVT werden, desto GLEICHGÜLTIGER werden die Dresdner.
    Glückwunsch, wenn nächstes Jahr wieder 8000 bis 10 000 Nazis zum 13. Februar gemütlich durch die Stadt marschieren und die Dresdner einfach zum shoppen hindurchspazieren. Die Dresdner überrennen lieber einen neuen KONSUMTEMPEL, anstatt sich den Naziaufmärschen in großer Zahl gegenüberzusetzen.
    Die nächste Generation von Jugendlichen welche jetzt herangewachsen ist und als Erstwähler ihr Kreuz bei der NPD gemacht haben, marschieren im Gleichschritt zum 13. Februar 2010 mit. Die intelligenten Jugendlichen sind längst aus Dresden / Sachsen in die weite Welt abgewandert. Zurück bleiben „frustrierte, gelangweilte“ Jugendliche in gebräunten Jugendclubs und auf „Nazikonzerten mit Rassen- Hassmusik und steifem Arm“. Die anderen Parteien im Landtag wirken lächerlich mit ihren Lippenbekenntnissen, vermehrt in Richtung Jugendarbeit was zu tun, damit junge Menschen nicht in die Naziszene abgleiten. Dresdens Weltoffenheit ist das größte Lügengebäude der Welt… Es gibt viel zu tun, damit das hässliche, rassistische Bild von Dresden verschwindet.
    Die mit Hass erfüllte NPD und ihre überzeugten Wähler haben sich wie Unkraut festgefressen. Deswegen ist so eine „Kunstaktion“ nur ein Tropfen auf den heissen Stein, um Dresden das hässliche NAZIGESICHT zu nehmen…

  • Anzumerken ist jedoch das die Aktion auf den Anachronismus (und gleichzeitig dessen Ambivalenz) der Linken mit Auseinandersetzung mit dem Dresdner Gedenken hinweist.
    Schon das Motto: „Schatten der Vergangenheit“ impliziert einen, nur noch selbst gedachten Tabubruch im Namen privater historischer Aufklärung der Dresdner Bevölkerung.
    Die Vergangenheit wird eben nicht als „Schatten“ der über der Gegenwart liegt wahrgenommen, sondern wird ganz offensiv benutzt, um die „Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft“ zu formulieren. Es ist kein besonderer Verdienst die Dresdner darauf hinzuweisen das erst die Deutschen den Krieg begonnen haben in dessen Zuge später Dresden teilweise zerstört wurde. Nach Jahren der öffentlich formulierten Lügen und Legenden, nach der deutschen Wiedervereinigung, die damals ganz offensichtlich den Zeitgeist wieder gaben, änderte sich die Interpretation der Ereignisse in der Stadt, im wesentlichen bedingt durch die geschichtspolitischen Debatten in Deutschland nach 1998 und deren verspätete Reflektion in Dresden um und nach dem 60.Jahrestag 2005 und im Rahmen der größer werdenden Naziaufmärsche deren Position sich nicht von der alten Interpretation im bürgerlichen Lager unterschieden.
    Die Aktion spiegelt deshalb den Anachronismus und das nicht-verstehen in Teilen der Linken wieder, weil sie darauf abhebt mit deutlichen Verbildlichungen auf etwas hinzuweisen was so, im öffentlichen Diskurs nur noch bei den Nazis vorkommt, nämlich das Leugnen der deutschen Schuld. (Eine ähnliche Aktion, mit Bildern der Verbrechen der Nazis im Jahre 1998 wurde ja noch sträflich ignoriert oder angegriffen.)
    Das bürgerliche Lager dagegen ist in vielen Teilen schon lange weiter, weil man weis das nur die offensive Inbesitznahme der deutschen Vergangenheit politischen Handlungsfähigkeit sichert. Man muss es denn Dresdner Bürgern also eigentlich nicht mehr erzählen, es sei denn man ist auf Aufmerksamkeit und Schulterklopfen aus.
    Gleichzeitig zeigt sich das inhaltliche nicht-verstehen der Gegenwart in der ewigen Beschwörung des „Nie wieder krieg, nie wieder Faschismus“, die genauso common-sense, der Berliner Republik ist und auf die inhaltliche Leere von no pasaran und co. hinweist. Gerade in Dresden, im Kontext des 13. Februar, „Nie wieder krieg, nie wieder Faschismus“ zu fordern ist pervers. (Wie es genauso pervers bei den Bürgern ist, das Gedenken als kritische Auseinandersetzung mit den Nazis zu inszenieren, und es so am Leben zu erhalten)
    „Dresden“ war eine legitime militärische Aktion gegen die Infrastruktur der nationalsozialistischen deutschen Volksgemeinschaft im zweiten Weltkrieg. Nicht mehr, nicht weniger. Es eignet sich nicht als Symbol, um gegen den Krieg zu demonstrieren und schon gar nicht gegen „Faschismus“. (Was übrigen bereits die DDR-Obrigkeit tat und später auch die oppositionellen Bürger in den 80ern)

    Zu guter Letzt: Die Gründe dafür das die Aktion gerade am Tag der deutschen Einheit stattfinden musste bleibt wohl der eigenwilligen Logik der linken Schatten-Aktivisten überlassen. Ein Treppenwitz der Geschichte wird es bleiben, das dafür –natürlich- die Symbole des alten und neuen „Elbflorenz“ verwendet wurden. Bleibt einerseits zu hoffen, das am 09.November nicht die Synagoge für linke Geschichtsaufklärung herhalten muss und tatsächlich der Naziaufmarsch in Zukunft konsequent unterbunden wird.
    Dann gäbe es auch tatsächlich keinen Grund mehr am 13. Februar auf die Strasse zu gehen und vielleicht würde sich eine gewisse Normalisierung einstellen. Nämlich die Fresse zu halten und einen Sekt aufzumachen, statt vom eigenen Leiden (unter „Krieg“ und „Faschismus“) zu schwafeln.

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