Soziales

„Wir haben Platz!“ – Sächsische Zivilgesellschaft appelliert bezüglich Lesbos an Landesregierung

17. März 2020 - 21:59 Uhr

Während die Corona-Pandemie endgültig das öffentliche Leben in Deutschland bestimmt, verschlechtert sich die Situation von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen und in den griechischen Lagern von Tag zu Tag. Besonders angespannt ist die Situation im Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos. In der Hoffnung das europäische Festland zu erreichen, harren dort zehntausende Menschen aus. Ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Gruppen aus Sachsen geht nun mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit, welche die Evakuierung der Lager fordert. 

Die wenigen Berichte, die hierzulande von der menschenunwürdigen Situation in den griechischen Lagern ankommen, hören sich apokalyptisch an. Die Menschen sind auf engstem Raum in unhygienischen Zuständen mit kaum gesundheitlicher Versorgung zusammengepfercht. Ein Feuer, das gestern im Lager Moria ausbrach, forderte mindestens zwei Menschenleben und stellt die Spitze der seit Jahren unmenschlichen Situation auf der Insel dar. Die ersten Meldungen von Corona infizierten Personen könnte die Situation noch einmal erheblich verschärfen und zu einer humanitären Katastrophe ungeahnten Ausmaßes führen. Im Gegensatz zu 2015 verschließen jedoch Europäische Union und Bundesregierung die Augen vor dem Leid der tausender Geflüchteter und setzen auf rigorose Abschottung.

„Evakuierung jetzt!“ 

Nicht nur in Hinblick auf die ersten Corona Infizierungen im Lager Moria drängt Julia Hartmann vom Sächsischen Flüchtlingsrat auf schnelles Handeln: „Bereits vor dem Ausbruch von Corona wie auch dem gestrigen Brand in Moria war die Lage auf allen Inseln jenseits humanitärer Standards. Die Evakuierung muss jetzt erfolgen!“ Dafür sollen alle Möglichkeiten des Aufenthaltsgesetzes ausgenutzt werden, so Julia Hartmann weiter. Die Zusicherung der Sächsischen Landesregierung, bis zu 20 Kinder aufzunehmen, sei aus Perspektive der Geschäftsleitung des Flüchtlingsrates „nicht genug“. 

Ahmad Muhebbi vom Dresdner Verein Afghanistan kritisiert vor allem die Aussetzung des Asylrechtes in Griechenland. Dies wäre ein No-Go. „Menschenrechte müssen gerade in Notzeiten gelten.“, so Muhebbi. In Anbetracht der Tatsache, dass der EU-Türkei Deal am heutigen Tag vier Jahre alt werde, erinnert Muhebbi an die kritischen Stimmen zu dem Deal: „Es wurde vor diesem Deal gewarnt, da war er noch gar nicht abgeschlossen. Jetzt zeigt sich, dass die Warnungen nur allzu berechtigt waren.“

Ob die Landesregierung jedoch auf die Forderungen der Kampagne eingehen wird, ist fraglich. Unlängst wurde Sachsens Ministerpräsident Kretschmer mit den Worten: „Unser Herz ist groß ,aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt“ zitiert. Dem widersprach Manfred Richter vom Paritätischen Wohlfahrtsverband: „Der Freistaat Sachsen hat seit 2015 erfolgreich ein vielfältiges und stabiles Netz zur Versorgung geflüchteter Menschen aufgebaut. Wir fordern die Sächsische Staatsregierung auf, hier zügig zu agieren.“ Johannes Richter vom Kulturbüro Sachsen sieht hierfür auch die sächsische Zivilgesellschaft gut aufgestellt: „In unserer täglichen Arbeit erleben wir, dass in den letzten fünf Jahren in Sachsen ein breites Unterstützer:innennetzwerk für Geflüchtete entstanden ist, dessen volles Potenzial jetzt aktiviert werden könnte, wenn die Geflüchteten endlich aus den Lagern evakuiert werden.“

Emiliano Chaimite vom Dachverband Sächsischer Migrantenorganisation fordert eine konsequente Umsetzung des Rechtsstaates: „Die, die Anspruch auf Familiennachzug haben, müssten sowieso schon lange hier sein. Sie jetzt unbürokratisch aus Griechenland zu holen, ist mit eines der wichtigsten Gebote der Stunde.“ Ein Rechtsgutachten der Universität Hamburg stützt dabei die Forderung, das Aufenthaltsrecht anzuwenden. Die Forscher:innen legen dar, dass ein Landesaufnahmeprogramm auch ohne eine aktive Zustimmung des Bundesinnenministerium (BMI) gestartet werden könnte. Der Bund habe lediglich dafür zu sorgen, dass sich verschiedene Programme nicht all zu sehr voneinander unterscheiden.   

Die Erklärung endet mit dem Aufruf, einen Brief oder per Mail an das Bundesinnenministerium, die sächsischen Minister:innen für Inneres (Roland Wöller), Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (Petra Köpping) sowie für Justiz, Demokratie, Europa und Gleichstellung (Katja Meier) sowie an den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zu schreiben, um so den politischen Druck zu erhöhen. Außerdem verweist der Sächsische Flüchtlingsrat auf eine Petition, welche Sachsen auffordert, zunächst 100 Menschen aus Griechenland aufzunehmen. In Zeiten von physical/social distancing oder gar Quarantäne, ist diese Form des Aktivismus besonders geeignet.     


Veröffentlicht am 17. März 2020 um 21:59 Uhr von Redaktion in Soziales

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