Freiräume

Schallende Ohrfeige für Kristina Schröder – Extremismusklausel rechtswidrig

28. April 2012 - 17:16 Uhr - 4 Ergänzungen

Begleitet von einem großen Medieninteresse wurde am Donnerstag im Dresdner Verwaltungsgericht über die so genannte „Extremismusklausel“ verhandelt. Dem Alternativen Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz (AKuBiZ e.V.) war für das Jahr 2011 eine Förderung in Höhe von 600 Euro für den Druck von Flyern aus dem Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ unter der Bedingung zugebilligt worden, eine als Formblatt beigefügte „Demokratieerklärung“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu unterzeichnen. Der Verein sah darin den Versuch, die Vertrauensgrundlage ihrer bisher erfolgreichen Demokratiearbeit unter Generalverdacht zu stellen und hatte im November vergangenen Jahres dagegen Widerspruch vor dem Dresdner Verwaltungsgericht eingelegt. Nach der Verabschiedung der Klausel hatte es massive bundesweite Proteste durch zivilgesellschaftliche Initiativen gegeben.

Nach dem Willen von Bundesministerin Kristina Schröder (CDU) müssen alle Initiativen die Klausel unterzeichnen, die mit staatlicher Unterstützung gegen Rechts aktiv sind. Die Klausel beinhaltet, dass Initiativen vorab prüfen müssen, ob Kooperationspartner, Referentinnen und Referenten sich den Zielen des Grundgesetztes verpflichtet fühlen und nicht den Anschein erwecken „extremistische Strukturen“ zu unterstützen. Das Ministeriums begründete die Erfordernis der Klausel mit dem Verdacht, Initiativen gegen Rechts würden von Linksextremisten unterwandert werden.

Das Gericht unter dem Vorsitz von Vizepräsidentin Claudia Kucklick erklärte am frühen Nachmittag die vom Ministerium Ende 2010 eingeführte „Einverständniserklärung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ nach einer halben Stunde Verhandlungszeit für rechtswidrig (Az. 1 K 1755/11). Das Gericht bewertete insbesondere die Forderungen in den Sätzen 2 und 3 der Erklärung als „zu unbestimmt“, weil unklar bleibt „wer etwa Partner ist und welches Verhalten dem Verein konkret abverlangt wird“. Der Verein sollte „im Rahmen seiner Möglichkeiten und auf eigene Verantwortung dafür Sorge tragen […] dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten“. Auch die Formulierung nach einer „Unterstützung extremistischer Strukturen“ in Form von „materiellen und immateriellen Leistungen“ bewertete das Gericht als zu unbestimmt. Den vom Verein ebenfalls kritisierten „Bekenntniszwang“ zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik (FDGO) im ersten Satz der Erklärung kritisierte das Gericht jedoch nicht. Gegen die Entscheidung ist eine Berufung vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen zugelassen.

Der Vorsitzende des Pirnaer Vereins, Steffen Richter, zeigte sich erfreut und bezeichnete die „Extremismusklausel“ im Anschluss als „aktive Behinderung der wichtigen Arbeit gegen Rechts vor Ort“. So habe das Gericht mit seinem Urteil bestätigt, „dass Demokratiearbeit nicht mit Misstrauen begegnet werden darf.“ Die Sprecherin für antifaschistische Politik, Kerstin Köditz von der Linken, bezeichnete das Urteil als „schallende Ohrfeige für Ministerin Schröder und Sachsens Innenminister Ulbig“ und äußerte den Wunsch, „dass mehr zivilgesellschaftliche Projekte in Sachsen ähnlich couragiert gehandelt hätten wie das AKuBiZ“. Zivilcourage fange dort an, wo auch eigene Nachteile in Kauf genommen würden, damit habe der Verein „beste Demokratieförderung im Wortsinne betrieben“. Auch der Grüne Landtagsabgeordnete Miro Jennerjahn sprach von einer „deftigen Niederlage für CDU-Bundesministerin Kristina Schröder“. Angesichts der „staatlichen Kriminalisierungsversuchen durch Schröder und Ulbig“ forderte er die Ministerin auf, sich bei den Menschen zu entschuldigen, „die sich für Demokratie und gegen Neonazis engagieren und die anderthalb Jahre lang ihrem unbegründeten Misstrauen ausgesetzt waren“. Der SPD Abgeordnete Henning Homann forderte die Landesregierung auf, die „Gesinnungsschnüffelei“ zu beenden.

Am Vorabend des Prozesses fand zu dem Thema im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal des Neustädter Kulturzentrums „Scheune“ eine prominent besetzte Podiumsdiskussion statt. Die Professoren Ullrich Gintzel und Uwe Hirschfeld kritisierten dabei die Klausel scharf hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts und ihrer Vereinbarkeit mit modernen demokratischen Werten. (Livemitschnitt der Veranstaltung von coloRadio) Dass sich auch nach dem Gerichtsurteil in Zukunft etwas an der Forderung nach einer Unterschrift ändern wird, bleibt fraglich, das zuständige Ministerium unter der Leitung von Kristina Schröder gab nach dem Urteil bekannt, die schriftliche Urteilsbegründung abwarten zu wollen. Bis dahin bliebe die „Demokratieerklärung Bestandteil unserer Bescheide“ hieß es zum Abschluss lapidar aus Berlin.

Zusammenfassung der Amadeu Antonio Stiftung: Extremismusklausel


Veröffentlicht am 28. April 2012 um 17:16 Uhr von Redaktion in Freiräume

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