Kultur | Soziales

Die Toten kommen nach Dresden

24. Juni 2015 - 01:14 Uhr

In Anlehnung an eine Kunstaktion des Zentrum für politische Schönheit (ZPS) kam es in den vergangenen Tagen auch in Dresden zu mehreren anonymen Bestattungen, um damit an das Schicksal tausender Menschen an den Europäischen Außengrenzen zu erinnern. In der Begründung des ZPS heißt es dazu: „In Italien und Griechenland stehen aufgrund der Vielzahl der Opfer des Europäischen Abwehrkrieges keine ausreichenden Bestattungsplätze zur Verfügung. Direkt vor den politischen Entscheidungsträgern ist aber noch genug Platz. Die letzte Ruhe der Mauertoten muss unsere politischen Unruhe werden.“

Erst vor einer Woche hatte die Gruppe den in Italien exhumierten Körper einer vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohenen vierfachen Mutter auf dem muslimischen Teil des Friedhofs in Berlin-Gatow beerdigt. Die Frau soll zusammen mit einer ihrer Töchter Anfang März auf der Überfahrt von Libyen nach Lampedusa nach dem Kentern ihres Bootes ums Leben gekommen sein. Ihr Ehemann und drei weitere Töchter sollen das Unglück überlebt und mittlerweile in Deutschland Asyl beantragt haben. Das für die Überführung und Beerdigung der Toten benötigte Geld war durch eine Crowdfunding-Kampagne eingenommen worden.

Bereits am Sonntag hatten im Anschluss an einen „Marsch der Entschlossenen“ mehrere hundert Menschen auf der abgesperrten Wiese vor dem Reichstagsgebäude dutzende Gräber geschaufelt (Fotos 1 | 2 | 3 | 4). Im Anschluss daran war die Polizei immer wieder gewaltsam gegen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung vorgegangen. Insgesamt 91 Menschen wurden vorläufig festgenommen, zwölf Beamtinnen und Beamte sollen zudem verletzt worden sein. Ihr ursprünglicher Plan, auf dem Vorplatz des Kanzleramtes ein „Friedhofsfeld der Superlative“ zu errichten, war zuvor durch Auflagen der Berliner Polizei verhindert worden.

Das Zentrum für Politische Schönheit bezeichnet sich selbst als „Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit – zum Schutz der Menschheit“. Sie sind der Überzeugung, „dass die Lehren des Holocaust durch die Wiederholung von politischer Teilnahmslosigkeit, Flüchtlingsabwehr und Feigheit annulliert werden und dass Deutschland aus der Geschichte nicht nur lernen, sondern auch handeln sollte.“ Dazu hatte die Gruppe mit ihren Aktionen in den letzten Jahren immer wieder die deutsche Außenpolitik kritisiert. „Von Bosnien-Herzegowina über Aleppo bis in die Waldberge vor Melilla künden die Aktionen von der Kunst als fünfter Gewalt im Staate.“


Veröffentlicht am 24. Juni 2015 um 01:14 Uhr von Redaktion in Kultur, Soziales

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