Kultur

Kulturpolitische Debatte im Sächsischen Landtag

16. Juli 2019 - 11:54 Uhr

Am 4. Juli fand während der offenen Fragestunde im Sächsischen Landtag eine Debatte unter dem Titel: „Ist die Freiheit der Kunst eine Einbahnstraße?“ statt. Eingebracht wurde diese von Sachsens AfD-Landtagsfraktion. Anlass dafür war – laut Rednerin der AfD – die zwischenzeitliche Absage der Leipziger Jahresausstellung in diesem Jahr. Seit 1992 gibt der Verein „Leipziger Jahresausstellung e.V.“ jungen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, ihre Werke einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Diskussion ist nicht neu: Schon seit geraumer Zeit sieht sich das international anerkannte Festspielhaus Hellerau der Kritik der AfD ausgesetzt, welche einen Stopp der Millionenförderung durch die Sächsische Landeshauptstadt fordert. Das Festspielhaus hatte mit seinem Programm in der Vergangenheit immer wieder politisch Stellung bezogen.

Als antragsstellende Fraktion eröffnete Karin Wilke für die AfD die Debatte. Ihr erster Beitrag drehte sich vor allen um die Absage der Jahresaustellung in Leipzig, aufgrund der Teilnahme des Künstlers Axel Krause, der im Vorfeld immer wieder AfD-Positionen vertreten hatte und seit 2018 Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung ist. Die Absage wurde mittlerweile widerrufen und die Ausstellung zu einen späteren Zeitpunkt ohne Krause durchgeführt. Für Wilke stellte dies ein „Provinzposse“ dar. Laut der AfD-Politikerin zeigte sich daran, „dass Ideologie der Ästhetik übergeordnet“ sei. Hielt sich Wilke im ersten Beitrag noch sprachlich zurück, verfiel sie in der zweiten Rederunde in die übliche AfD-Rhetorik. So sei, laut Karin Wilke, die Besetzung der Hochschule für bildende Künste (HfbK) durch Studierende als Protest gegen die Kulturpolitik der AfD, „genau die Methode, die 1933 die Nazis anwandten“. Einer der wenigen Sätze, die Applaus aus den Reihen der AfD hervorrief. Gegenüber addn.me äußerte sich ein Beteiligter der „Aktion nicht Neutral“ zu den Äußerungen: „Wenn eine AfD-Politikerin unsere friedliche Besetzung mit der auf Vernichtung und Entmenschlichung ausgerichteten Politik der NSDAP vergleicht, zeigt das einmal mehr, dass die AfD keine Partei auf dem demokratischen Boden ist. Die Verharmlosung der Nationalsozialismus hat bei der Partei Programm“.

Über die Fraktionsgrenzen hinweg kritisierten die Rednerinnen und Redner die Position der AfD. So stellte Aline Fiedler von der regierenden CDU klar, dass nicht die AfD nach politischen Kriterien zu entscheiden hätte, wo die Freiheit der Kunst eingeschränkt werde, sondern unabhängige Gerichte. Auch der Sprecher der Linken, Franz Sodann, kritisierte die Zielsetzung des kunstpolitischen Programms der AfD sowohl im Bund, als auch auf Landesebene. „Sie wollen die Verschiebung des Diskurses, weg vom Demokratischen, hin zum völkisch Nationalen“, führte Sodann in seiner Rede aus. Zuvor bezog sich der in Leipzig geborene Schauspieler auf eine Aussage des kulturpolitschen Sprechers der AfD-Bundestagsfraktion, der den Kurs der AfD mit den Worten zusammenfasste: „Das oberste Ziel ist die Entsiffung des Kulturbetriebes […]. Wir wollen die Stimmung im Land insgesamt drehen. Man muss die Grenzen des sagbaren verschieben und rechte Positionen in der Öffentlichkeit normalisieren“.

Die stellvertretende Vorsitzende der sächsischen SPD-Landtagsfraktion, Hanka Kliese, stellte in ihrer Rede fest, dass es im Kulturprogramm der AfD keinen positiven Bezug zur Kunst gäbe. „Kulturpolitik bezieht sich da auf Denkmalschutz“. Oder, so Kliese weiter, „so könnte man es trivial zusammenfassen, irgendwas mit Heimat“. Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Maicher, griff daraufhin nicht nur das kulturpolitische Programm der AfD, sondern die gesamte Ausrichtung der Partei an. „Die AfD-Sachsen kämpft mit ihrem Programm gegen die Grundwerte unserer Demokratie“, resümierte Maicher in ihrer Rede. Die AfD stelle nicht nur die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Frage, sondern ebenso die Freiheit von Lehre, so die Grüne Landtagsabgeordnete weiter.

In den letzten Monaten gab es immer wieder heftige Diskussionen um kulturpolitische Themen. Angefangen bei einem kommunalpolitischen Streit im Freiberger Theater, wo Oberbürgermeister Sven Krüger (bis 2018 SPD) eine Veranstaltung der Reihe „Dialog – Wir haben die Wahl“, in der die Autorin Liane Bednarz mit dem örtlichen Pfarrer Michael Stahl über das in ihrem Buch „Angstprediger“ beschriebene Vordringen von Rechtspopulisten in die Kirchen diskutierte wollte, kurzerhand untersagte. Sven Krüger sah darin einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht und den Gesellschaftervertrag der Theater-gGmbH. Auch die Absage der Leipziger Jahresausstellung sowie die Besetzung und Aktionen im Rahmen des Konfliktes an der Dresdner HfbK sorgten für teils überregionale Diskussionen. Die erhöhte Polarisierung im Kulturbetrieb ist auch mit den bevorstehenden Landtagswahlen zu erklären. Eine Aktivistin der „Aktion nicht Neutral“ gegenüber addn.me: „Wir leben in dramatischen Zeiten. Vieles was vor ein paar Jahren noch klar war, ist gerade von Seiten der AfD einem erheblichen Angriff ausgesetzt. Wir müssen als Künstler und Künstlerinnen, vor allem aber als Menschen und Humanisten, den Angriff auf Kunstfreiheit, Mitmenschlichkeit und Demokratie die positive Utopie einer Gesellschaft der Vielen entgegensetzen“.

Im Juni 2017 gründetet sich der Verein „Die Vielen .e.V.“ dessen Ziel es unter anderem ist, „sich mit allen Aktiven der Kunst- und Kulturlandschaft und deren Institutionen, die von rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen attackiert oder in Frage gestellt werden“, zu solidarisieren. Mehrere dutzend Dresdner Kulturinstitutionen haben sich inzwischen mit der „Dresdner Erklärung“ dem Bündnis angeschlossen. Die unterzeichnenden Institutionen stehen „auf einem Boden, von dem aus die größten Staatsverbrechen der Menschheitsgeschichte begangen wurden“. Weiter heißt es in der Erklärung: „Kunst wurde als ‚entartet‘ diffamiert und Kultur flächendeckend zu Propagandazwecken missbraucht. Millionen Menschen wurden ermordet oder gingen ins Exil, unter ihnen auch viele Kunstschaffende“. Aus dieser historischen Verantwortung heraus sollen „die unterzeichnenden Kunst- und Kulturinstitutionen den offenen und kritischen Dialog über rechtspopulistische Strategien, die demokratische Grundwerte untergraben [führen]. Sie gestalten diesen Dialog mit Mitwirkenden und dem Publikum in der Überzeugung, dass die beteiligten Häuser den Auftrag haben, unsere demokratische Gesellschaft fortzuentwickeln“. Bisher haben unter anderen das Deutsche Hygiene-Museum, das Staatsschauspiel Dresden und das Projekttheater Dresden die Erklärung unterschrieben.

Titelbild: © Ralf Roletschek


Veröffentlicht am 16. Juli 2019 um 11:54 Uhr von Redaktion in Kultur

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