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Querdenken und PEGIDA: Mit Antisemitismus gegen Klimapolitik und die Grünen?

9. Juni 2021 - 10:33 Uhr - Eine Ergänzung

Von Toni Weiß

Es war ein sonniger Tag in Dresden. Einige junge Menschen trafen sich in Parks oder an den Elbwiesen in Kleingrüppchen zum Sonnen, Abhängen und Grillen. Kontaktbeschränkungen, Abstand und Masken prägen auch weiterhin das Leben in Dresden. Am Montag unterschritt die Landeshauptstadt jedoch an fünf Werktagen in Folge den Inzidenz-Schwellenwert von 50 Neuinfektionen mit SARS-CoV 2. Weitere Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen sind wie in fast ganz Sachsen und Deutschland in Sicht. Auch die sogenannte „Bundesnotbremse“ soll am 30. Juni 2021 auslaufen. Etwas „Normalität“ in Pandemiezeiten. Zur „Normalität“ gehören in Dresden jedoch auch die seit 2014 demonstrierenden „Patriotischen Europäer“ (PEGIDA). Am vergangen Montag erhielt die Gruppe um Lutz Bachmann und Siegfried Däbritz prominente Unterstützung durch Jürgen Ellsässer und Andreas Kalbitz.

Zur „Normalität“ von PEGIDA und seit Beginn der Corona-Pandemie auch des „Querdenken“-Klientel gehören die montäglichen Kundgebungen. Am 31. Mai 2021 demonstrierten zum wiederholten Mal die beiden (mutmaßlich) vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen auf dem Dresdner Altmarkt. Begleitet wurden sie wie immer vom Gegenprotest um „Hope – fight racism„, welcher an diesem Tag Unterstützung von der „Banda Comunale“ und der Stadtratsfraktion „Die Grünen“ erhielt. Letztere kritisierten im Nachgang das restriktive Verhalten der Dresdner Versammlungsbehörde, welche erst durch „Hartnäckigkeit und einen anwaltlichen Brief“ die Versammlung genehmigte, wie Andrea Mühle addn.me gegenüber erklärte.

Wie in den letzten Wochen auch, begann der Nachmittag mit „Querdenken351“ um den ehemaligen Bautzner Kreiselternrat Marcus Fuchs und Katya Garcia. Bis zu 200 Menschen warteten auf die angekündigte Rede des Rechtsanwaltes Frank Hannig. Hannig, Stadtrat für die Fraktion „Freie Wähler Dresden“, engagiert sich seit längerem in Umfeld der Querdenker. Unter anderem fungierte er als anwaltlicher Notdienst bei den Demonstrationen der Dresdner Querdenker im vergangenen Herbst und macht mit beim Querdenken-nahen Verein „Anwälte für Aufklärung“ um Markus Haintz und Ralf Ludwig. Zu Pfingsten sprach der Strafverteidiger bereits im thüringischen Schmalkalden bei einer Veranstaltung des „Neuen schmalkaldischen Bund“.

Rede von Marcus Fuchs von Querdenken351

Zwei Tage nach der Rede in Schmalkalden sind die Kanzleiräume des umtriebigen Strafverteidigers durch die Staatsanwaltschaft durchsucht worden. Hannig bestätigte die Durchsuchung auf seiner Kanzleiseite. Zu den Hintergründen der Maßnahme will er sich jedoch nicht äußern. Für „Querdenken351“ ist jedoch klar: Das „System“ geht unter einem „Vorwand“ gegen den Querdenken- und PEGIDA-Anwalt vor. Daher: „JETZT ERST RECHT !!!(sic!)“. „Jetzt erst recht“ hieß es bei Querdenken bereits bei der Einführung des § 28a im Infektionsschutzgesetz (IfSG) im August 2020, bei der „Bundesnotbremse“, bei den Masken in der Schule, den Impfungen, zu den bundesweiten Demos im März, April und Mai 2021, sowie überhaupt.

Das in die Tastatur gebrüllte „JETZT“ musste an diesem Montag aber ebenso warten, wie die oft angekündigte Revolution gegen die vermeintliche „Corona-Diktatur“. Querdenken-Kopf Marcus Fuchs sagte auf der Bühne, Hannig könne heute nicht kommen. Der Strafverteidiger hätte weiteren Ärger aufgrund der Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft. Laut Recherchen von Tag24 gehe es um den Vorwurf der Geldwäsche. Es ist nicht die erste strafrechtliche Ermittlung gegen den ehemaligen Strafverteidiger von Stephan Ernst, dem Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU).

Nach dem gescheiterten Versuch der Querdenken-Bewegung und Corona-Rebellen in Berlin, am Pfingstwochenende das „System“ ins Wanken zu bringen, dürfte auch für Fuchs und Co. die Luft aus dem Thema Corona-Maßnahmen und Impfungen raus sein. Immer weniger Menschen folgen den Aufrufen zum montäglichen Protest auf dem Altmarkt. Auch die neuen Ideen und Konzepte wirken wenig erfolgsversprechend. So plant „Querdenken351“ am kommenden Montag gegen den virtuellen Besuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Eröffnung des neuen Bosch-Werkes im Dresdner Norden zu demonstrieren, wie „Straßengezwitscher“ auf Twitter berichtete. 

Nach dem Ende der Querdenken-Kundgebung wechselte ein Teil der Teilnehmer:innen zur PEGIDA-Kundgebung. Mithin nur ein kleiner Schritt vom verfassungsschutzrechtlichen Verdachtsfall zur „erwiesenen rechtsextremistischen Bestrebung„, wie das Sächsischen Landesamt für Verfassungschutz erst Mitte Mai feststellte. Am vergangenen Montag kamen auf der Versammlungsfläche bis zu 1.000 Menschen zusammen. Die Polizei Sachsen ließ im Laufe der Kundgebung keine weiteren Personen auf die Kundgebungsfläche. Rund 70 weitere Personen hielten sich im hinteren Bereich des Altmarktes auf oder hörten von der geöffneten Außengastronomie aus zu. Die Einhaltung von Abständen und der Maskenpflicht wurde durch die eingesetzten Beamt:innen allenfalls beim Gegenprotest kontrolliert.

Der Bundestagsabgeordnete der AfD – Jens Maier – besucht die PEGIDA Kundgebung

Neben Lutz Bachmann sprachen Jürgen Elsässer vom rechten „Compact Magazin„, Andreas Kalbitz (MdL in Brandenburg, ex-AfD und ex-Flügel) und „spontan“ Jens Maier (AfD-MdB und ex-Flügel) auf der PEGIDA-Bühne. Trotz der prominenten Unterstützung konnte PEGIDA erneut nicht erheblich mehr Menschen mobilisieren. Schon seit längerer Zeit kämpft PEGIDA gegen den Verlust an Themen, der Teilnehmer:innenzahl und an Bedeutung. Die deutsche Bundeskanzlerin möchte bei den anstehenden Bundestagswahlen nicht mehr antreten. Mit ihr und „ihrer Politik“ – gerade ab Ende 2014 in der sogenannten „Flüchtlingskrise“ – fällt ein maßgebliches Feindbild der islamfeindlichen und rassistischen Bewegung weg. Die Themen Zuwanderung und Islam ziehen nur noch vereinzelt. Zudem hat es inzwischen der parlamentarische Arm der extremen Rechten, die AfD, in den Bundestag und alle Landtage geschafft.

Um dem Bedeutungsverlust zu begegnen, versucht die neue und extreme Rechte die Themen Klimawandel, Klimaschutz und insbesondere die Partei „Bündnis 90/ Die Grünen“ als neues Feindbild zu etablieren. Schließlich drohe nach dem Corona-Lockdown ein Klima-Lockdown, so die Logik. Dies war dann auch bei der Veranstaltung von PEGIDA zu beobachten.

Jürgen Elsässer vor seiner antisemitischen Rede

„Ich bin Deutscher und will nicht zulassen, dass unser schönes Vaterland zu Grunde geht. Und es wird zu Grunde gehen, wenn wir die da oben nicht vom Hof jagen.“, begann Elsässer seine Rede. Er appellierte: „Die Machtergreifung der Grünen“ unter Annalena Baerbock müsse verhindert werden. Schließlich stünden hinter den Grünen ganz andere Kräfte, „viel einflussreichere Strippenzieher“, so Elsässer. Seiner Meinung nach gehören dazu George Soros, Klaus Schwab vom Weltwirtschaftsforum (WEF), welcher den „Great Reset“ als „neue Normalität“ propagiere, der „Blutsauger“ Jeff Bezos, sowie der „Impfdiktator“ Bill Gates. Beim WEF handele es sich um einen „Club der Milliardäre“ aus „Raubtierkapitalisten“. Sie würden durch „Ausbeutung“ der Menschen ihre Profite steigern. Die „normale“, fleißige Bevölkerung und „unsere Kinder [sollen] vergiftet werden“, so der Compact-Chefredakteur. Der „normalen Bevölkerung“ drohe Terror: Mal von links, mal von rechts. Auch hinter der Roten Armee Fraktion (RAF) und dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) dieselben Hintermänner: „die Raubtierkapitalisten“.

Mit seiner Rede bediente Jürgen Elsässer typische antisemitische Denkmuster und Chiffren von „Strippenziehern“, die im Hintergrund die Politik beeinflussen und als „Blutsauger“ die „normale Bevölkerung“ zur Profitmaximierung ausbeuten und „vergiften“ würden. Ein angeblich drohender Klima-Lockdown solle „The Great Reset“ einläuten. Nach dieser Verschwörungserzählung soll jeglicher Besitz der „normalen Bevölkerung“ auf die „Raubtierkapitalisten“ übertragen werden. Antisemitismus bei PEGIDA ist jedoch kein neues Phänomen, wie auch aus dem Bericht von „RIAS“ für Sachsen hervorgeht. Die Verquickung bekannter antisemitischer Verschwörungserzählungen mit der Klimapolitik und der Partei „Die Grünen“ zeigt jedoch, dass die neue und extreme Rechte an einer weiteren „Hasskampagne“ arbeitet.

In der Rede von Andreas Kalbitz ging es hingegen um altbewährtes: Um „Heimat, Identität und Werte“, die es gegen ein „Linkskartell“ u.a. aus „Salonbolschewisten“ zu verteidigen gelte. Auch der extrem Rechte Kalbitz sieht in der Partei „Die Grünen“ eine Gefahr. Er nutzte hierfür den Begriff des „Kulturmarxismus„. Der extrem Rechte Jens Maier sprach anschließend von „dunklen Zeiten“, die mit einer schwarz-grünen oder sogar grün-rot-gelben Bundesregierung drohe. Jedoch würde „Am sächsischen Wesen […] Deutschland genesen“. Zuerst müsse aber Sachsen und Dresden in Ordnung gehalten werden. Dies müsse das gemeinsame Ziel von AfD und PEGIDA sein. Maier war aufgrund seiner Aussagen im Herbst vergangenen Jahres vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft worden.

Andreas Kalbitz – der geschasste Landesvorsitzender der AfD in Brandenburg auf der PEGIDA Kundgebung.

Noch ist unklar, ob sich „Querdenken351“ in ihrem Radikalisierungsprozess inhaltlich auch den Themen Klimawandel und Klimapolitik stärker zuwenden wird. Zumindest PEGIDA, AfD und Co. haben anscheinend bereits ihr „neues Feindbild“ gefunden: Annalena Baerbock und die Grünen. Die Konstante bleibt jedoch: antisemitische Verschwörungserzählungen, Rassismus und Antifeminismus. Und der Sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer? Dieser erklärte jüngst in einem Interview zur Debatte um eine Äußerung des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), auch weiterhin mit jedem Reden zu wollen (außer mit der Linken).


Veröffentlicht am 9. Juni 2021 um 10:33 Uhr von Redaktion in Nazis

Ergänzungen

  • Was auch von Interesse sein dürfte: Von was eigentlich lebt der Pegida Frontmann Bachmann? Von Arbeit sicherlich nicht… Wer finanziert ihn?

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