Nazis

Umstrittener Jugendbund „Sturmvogel“ auf großer Fahrt

15. April 2017 - 12:31 Uhr

Gastartikel des Presseservice Rathenow

Es war nicht gerade einsam auf dem Dresdner Hauptbahnhof am vergangenen Samstagmorgen. Die Bahnhaltestelle am südwestlichen Ende der Seevorstadt ist ein internationaler Eisenbahnknotenpunkt mit direkten Zugverbindungen nach Tschechien oder Ungarn und am zurückliegenden Wochenende gleichzeitig auch Standort des 9. Dresdner Dampfloktreffens. Doch nicht nur die historischen Schienenfahrzeuge fielen dem aufmerksam Beobachtenden dabei ins Auge. Vor dem Bahnhof, am Ausgang zur Bayrischen Straße, traf sich nämlich auch eine zumindest äußerlich nicht zeittypisch, bisweilen uniformiert gewandete Gruppe Jugendlicher mit schwerem Marschgepäck. Bei dieser Gruppe soll es sich um Angehörige des umstrittenen deutschen Jugendbundes „Sturmvogel“ gehandelt haben. Die Gruppe könnte sich vor dem Dresdner Hauptbahnhof getroffen haben, um, anlässlich der Osterferien, von dort aus eine der für die Organisation typischen Fahrten ins nähere europäische Ausland durchzuführen. (Fotos)

Nähe zur extremen Rechten

Der „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ gilt als umstritten, weil ihm Nähe zur extremen Rechten nachgesagt wird. Tatsächlich hat der Jugendverband Wurzeln in der inzwischen verboten „Wiking-Jugend“. Von ihr sollen sich die späteren Gründer des „Sturmvogels“ allerdings Mitte der 1980er Jahre losgesagt haben, da ihnen angeblich der neonazistische Kurs der Mutterorganisation und die damit verbundene Annäherung dieser an die inzwischen ebenfalls verbotene, neonazistische „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) missfiel.

Die ausgetretenen Funktionäre sollen dann am 5. September 1987 in Lippoldsberg (Hessen) den „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ gegründet haben.

In seinem Selbstverständnis soll sich der neue Jugendverband als nicht religiös und parteipolitisch ungebunden sehen. Außerdem lägen ihm die ideale des „Wandervogels“ zu Grunde, einer Bewegung von bürgerlichen Jugendlichen, die sich vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts, im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung und im Geist der Romantik von ihrem schulischen und gesellschaftlichen Umfeld lösten und in der freien Natur ein eigene Lebensart zu entwickeln hofften.

In den 1990er Jahren sollen sich aber wieder extrem rechte Positionen im „Sturmvogel“ durchgesetzt haben. Darüber hinaus soll es personelle Schnittstellen zur NPD bzw. zu dessen Unterorganisation „Ring Nationaler Frauen“ (RNF), zur „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH) und zu den Republikanern gegeben haben.

Aktuell soll sich außerdem mindestens ein höherer Funktionär des „Sturmvogels“ Ende 2015 auch an Aufmärschen des von der NPD dominierten PEGIDA-Ablegers „MVgida“ sowie an Stammtischen einer Regionalsektion der „Identitären Bewegung“ (IB) in Mecklenburg-Vorpommern beteiligt haben.

Vom Verfassungsschutz wird der „Sturmvogel“ jedoch bisher nicht beobachtet. Angeblich lägen dafür keine Grundlagen vor. Eine „extremistische Ausrichtung“ des Jugendverbandes sei nicht erkennbar, so die Bundesregierung zuletzt im Jahre 2010 als Antwort auf eine kleine Anfrage der SPD.

Aktuelle Entwicklungen

Dennoch bleibt das Auftreten der Organisation markant. Das Verbandswappen ist möglicherweise betont in Schwarz-Weiß-Rot gehalten und die Tracht der jugendlichen Mitglieder sieht der von völkischen Siedlern zum Verwechseln ähnlich.

In einem konspirativ eingerichteten Jugendcamp des Sturmvogels in Südschweden wurden im Jahr 2015 außerdem auch Tendenzen einer vormilitärischen Ausbildung festgestellt. Vom Morgenappell, über die Gewöhnung an hierarchisch organisierte Befehlsketten bis in zum Erlernen von praktischem Grundwissen im Felde, wie Tarnung der Zelte mit Material aus der Umgebung usw., soll praktisch alles dabei gewesen sein, was offenbar für eine von den Eltern angedachte, möglicherweise auch politische Zukunft ihrer Kinder mit den dabei erlernten Handlungswerkzeugen vorgesehen ist.

Die Fahrten des „Sturmvogels“ dürften deshalb nicht zufällig ins Nahe europäische Ausland, nach Skandinavien oder Südosteuropa gehen, fernab der sozialen Kontrolle durch die Gesellschaft.

Auch das Ziel der Dresdner Gruppe dürfte das umliegende Ausland: Tschechien, die Slowakei, Ungarn oder Österreich gewesen sein. Sie startete gegen 10.30 Uhr vom Hauptbahnhof Dresden aus mit einem Fernbus auf große Fahrt.


Veröffentlicht am 15. April 2017 um 12:31 Uhr von Redaktion in Nazis

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