Soziales

Nach Munitionsskandal – Expertenkommission nimmt Arbeit auf

20. Mai 2021 - 20:13 Uhr

In Zusammenhang mit der durch Angehörige der Spezialkräfte entwendeten Munition hatte Sachsens umstrittener Innenminister Roland Wöller (CDU) eine unabhängige Expertenkommission mit der Untersuchung der Vorfälle beauftragt. Am 18.05.2021 teilte dazu das Sächsische Ministerium des Innern (SMI) in einer Pressemitteilung mit, wer Teil dieser vom Minister als „unabhängig“ bezeichneten Kommission sein wird. Während ein Großteil der beteiligten Beamt:innen des mittlerweile aufgelösten Dresdner Mobilen Einsatzkommandos (MEK) lediglich in die Polizeidirektion Dresden versetzt wurde, zeigt die Besetzung der bereits in Mecklenburg-Vorpommern eingesetzten Kommission, dass für die Beteiligten kaum mit Konsequenzen zu rechnen sein wird.

Zwar seien die Mitglieder der Untersuchungskommission nach Angaben des Ministeriums „beauftragt, zu klären, ob und ggf. in welcher Weise Struktur und Organisation der Spezialeinheiten, deren Aus- und Weiterbildung sowie etwaige Defizite bei der Führung und der Dienst- und Fachaufsicht die Straftaten begünstigt haben“.  Aber die angedachte Prüfung für „tatsächliche Bezüge zur ’Reichsbürger’- oder ’Prepper’-Szene oder zu anderen extremistischen Milieus“ dürfte angesichts der Skandale in der Vergangenheit der Dresdner Polizei mit nie aufgearbeiteten Verbindungen zu Mitgliedern der später als Rechtsterroristen verurteilten „Gruppe Freital“ kaum zu erwarten sein. Vielmehr dürfte die Bestellung von drei mittlerweile schon in die Jahre gekommener ehemaliger Spitzenbeamter lediglich als Alibi für ein strukturelles Versagen und fehlende Kontrolle der Exekutive dienen.

Neben Heinz Fromm, in dessen Zeit als langjähriger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) die vom Generalbundesanwalt für Ermittlungen geforderten Akten im Zuge der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) vernichtet wurden und Friedrich Eichele, einem ehemaligen GSG 9 -Kommandeur, soll sich in der nächsten Zeit mit Manfred Murck ein zweiter ehemaliger Verfassungsschutzchef um Aufarbeitung bemühen. In ihrer ersten in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführten Untersuchung hatten die drei Experten davon gesprochen, dass es trotz jahrelang bekannter Hinweise in lediglich einer von drei Einsatzgruppen des SEK eine rechte Gruppe gegeben habe. Abgesehen von „Disziplinarmaßnahmen“ waren die Folgen für die beteiligten Beamt:innen überschaubar.

Wie sich der Wunsch nach Aufarbeitung in Wirklichkeit gestaltet, zeigt die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der sächsischen Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Die Linke) zu Einsätzen des nach Durchsuchungen im April aufgelösten MEK in Dresden. Trotz klarer Bezüge dieser Einheit zu einem privaten Schießplatz in Mecklenburg-Vorpommern mit nachweislichen Kontakten in das rechte Netzwerk „Nordkreuz„, verweigerte der zuständige Minister aus Gründen des „Geheimschutzes“ nach Artikel 51 Absatz 2 der Sächsischen Verfassung eine Beantwortung der Frage nach Einsatzorten der Spezialeinheit im Bereich „PMK Links“ seit 2018.

Die Aussage, wonach sich die Herausgabe dieser „sensiblen Informationen“ auf die „staatliche Aufgabenwahrnehmung im Gefahrenabwehrbereich wie auch auf die Durchsetzung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs außerordentlich nachteilig auswirken“ würde ist in Anbetracht der Einbettung von Teilen der Presse bei anstehenden Polizeimaßnahmen ebenso fadenscheinig, wie die nachfolgende Begründung, wonach mutmaßlichen Straftäter:innen damit ermöglicht werden würde, „polizeiliche Einsatzkapazitäten und -frequenzen sowie die taktischen Optionen dieser polizeilichen Strategien und Maßnahmen einzuschätzen und ihre kriminellen Strategien und Taktiken hieran auszurichten“.

Angesichts von insgesamt 87 Einsätzen seit 2018 dürfte eine Beteiligung der 17 beschuldigten Beamt:innen bei Hausdurchsuchungen und Festnahmen in Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen gegen mutmaßliche Mitglieder der linken Szene in dem von außen häufig als „problembehaftet“ wahrgenommenen Leipziger Stadtteil Connewitz klar sein. Da der mittlerweile in den Führungsstab der Polizei Görlitz beförderte ehemalige Abteilungsleiter Sven Mewes bereits 2017 schwerbewaffnete Spezialkräfte durch das Hamburger Schanzenviertel patroullieren ließ, liegt eine Beteiligung des Dresdner MEK auf der Hand. Wenn dann Mitglieder des Sächsischen Landtag als parlamentarische Kontrollinstanz keine Auskunft darüber erhalten, ob die 17 Beschuldigten bei solchen Einsätzen in Sachsen aktiv waren, kann von einer Aufklärung keine Rede sein.

Bildquelle: Norbert Csík


Veröffentlicht am 20. Mai 2021 um 20:13 Uhr von Redaktion in Soziales

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