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Grundrechtsfreie Zone nach Terrorwarnung

19. Januar 2015 - 10:46 Uhr - 6 Ergänzungen

Die für heute auf dem Theaterplatz geplante 13. Demonstration der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ wurde am Sonntag abgesagt. Als Hintergrund der Absage gelten Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes (BKA) und des Landeskriminalamts Sachsen, wonach es zu Anschlagsdrohungen auf einen namentlich genannten Organisatoren von PEGIDA gekommen sein soll. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden soll ein Attentäter demnach geplant haben, sich am Montagabend unter PEGIDA-Anhängerinnen und Anhänger zu mischen, um anschließend eine „Einzelperson des Organisationsteams“ zu töten. Da der Hinweis einer bei Twitter verbreiteten Nachricht ähneln soll, in der auf Arabisch PEGIDA als Feindin des Islam bezeichnet wurde, blieb der Dresdner Polizei auf Grund der „Charakteristik terroristischer Anschläge“ keine andere Möglichkeit, als in einer Allgemeinverfügung ein generelles Versammlungsverbot für Dresden zu erlassen. Das Verbot gilt Montag von 0 bis 24 Uhr und betrifft ausnahmslos „alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge innerhalb der Ortsgrenzen der Landeshauptstadt Dresden“. Bereits am Freitag hatte der Spiegel in seiner Onlineausgabe vor Anschlagsplänen auf den Dresdner Hauptbahnhof durch islamistische Terroristen gewarnt.

Die Entscheidung für diesen in Sachsen bisher einmaligen Eingriff in eines der elementarsten demokratischen Grundrechte begründete Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll damit, dass es im Augenblick nicht möglich sei, über Ermittlungen potentielle Täter zu identifizieren. Damit würden der Polizei „keine geeigneten polizeilichen Mittel [verbleiben], um die vorliegende Gefahr abzuwehren“. Angesichts einer „unmittelbaren Gefährdung von Leib und Leben“ bei der auch am Montag wieder zu erwartenden großen Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sei nach Auffassung der Dresdner Polizei eine „Beschränkung des Versammlungsrechts auch unter Berücksichtigung des hohen Stellenwerts des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht nur erforderlich, sondern auch verhältnismäßig.“ Die Lokalausgabe der BILD-Zeitung hatte zudem von 48 Reisebussen der Antifa berichtet, welche am Montag aus dem gesamten Bundesgebiet zu Protesten gegen PEGIDA nach Dresden kommen wollten. Grundlage für die Warnung vor „unkontrollierbaren Straßenschlachten“ seien ebenfalls Polizeiangaben gewesen, so die BILD-Zeitung in der inzwischen wieder gelöschten Meldung.

Ob sich die in den sozialen Netzwerken sichtlich aufgebrachte Anhängerschaft von PEGIDA am Montag an das Verbot halten wird, bleibt unklar. Das Organisationsteam jedenfalls nahm die Einladung der Polizei dankend an und rief als Reaktion auf das polizeiliche Versammlungsverbot „alle Europäer“ dazu auf, am Montag stattdessen eine Kerze sowie eine Landesflagge „als Zeichen für unsere Rechte“ im Fenster zu platzieren. Weitere Einzelheiten sollten am Mittag auf einer Pressekonferenz in der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) bekannt gegeben werden. Auf der Facebookseite von PEGIDA kündigte der Dresdner NPD-Stadtrat René Despang an, am Montag dennoch in die Innenstadt zu gehen. Zur Wendezeit, so die Begründung des einstigen sächsischen Landtagsabgeordneten, habe die Bevölkerung auch Angst gehabt und sei dennoch auf die Straße gegangen. Ob das Verbot auch für die am Mittwoch geplante Demonstration von LEGIDA in Leipzig ausgesprochen wird, prüft derzeit die Polizei. Erst in der vergangenen Woche hatte Polizeipräsident Kroll das Demonstrationsgeschehen in Dresden als Einsatz bezeichnet, welcher „an rechtliche, tatsächliche und an Personalressourcen gebundene Grenzen stößt“.

Für PEGIDA dürfte die Absage ihrer Veranstaltung genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen sein, um sich in Anbetracht einer diffusen Bedrohungslage als Märtyrer der Meinungsfreiheit zu stilisieren. Der Bedeutungsgewinn dürfte für PEGIDA nach der gestrigen Teilnahme von Kathrin Oertel in der Talkrunde bei Günther Jauch und der für heute ausgesprochenen Einladung in die Räumlichkeiten der SLpB immens sein. Beides sind Indizien dafür, dass die islamkritische Bewegung mit ihrem bunten Potpourri aus Themen ihrem regionalen Nischendasein entwächst und Teil der tagesaktuellen Politikdebatte wird. Die Sicherheitsbehörden müssen in den nächsten Wochen transparent machen, welche konkreten Belege als Grundlage für das Versammlungsverbot vorlagen. Denn ein Szenario, was eher an eine Kriegsregionen, als an eine intakte Demokratie erinnert, dürfte nur bei den Menschen gefallen finden, die von einem Klima der Angst profitieren. Heute wird sich zunächst der zuständige Innenausschuss des Sächsischen Landtag auf Antrag der CDU Fraktion mit dem befürchteten Terroranschlag und dem für diesen Tag verhängten Demonstrationsverbot beschäftigen.


Veröffentlicht am 19. Januar 2015 um 10:46 Uhr von Redaktion in News

Ergänzungen

  • So eine Verarschung hab ich ja noch nie gesehen. Wegen nem lächerlichen Twitterpost werden alle Demos verboten, obwohl nichts konkretes in dem Post gesagt wird und ein Bachmann-Foto dranhängt. Das ist nicht nur ein einmaliger Grundrechtseingriff, das ist auch die einmalige Gelegenheit die Pegida-Bewegung massiv zu unterstützen. Danke für dieses klare Statement an das BKA, LKA und an die Dresdner Polizei. Letztere tut ja so einiges um die Pegidademos zu überschätzen.

    Boah… Terrorgefahr. So ein Quatsch. Unglaublich eindrücklich war aber die Auswirkung. In der Altmarktgalerie lief ein nach gläubiger Muslim aussehender Mensch mit seinem durchschnittlich aussehenden deutsch-arabischen Kumpel und der wurde angeglotzt! Ein Mann schaute sich mehrmals ängstlich in dessen Richtung. Kurz darauf lief dann auch die Polizei durch (allerdings weiß ich nicht, ob wegen den beiden). Und das alles ohne das irgendeine Gefahr bestand.

    Sehr schön dazu passt Fefes „retweet“ eines Artikels über die Gefahr von Terror.

    http://blog.fefe.de/?ts=aa493aab

    2013 kamen in den USA mehr Menschen durch Kleinkinder als durch Terroristen ums Leben.

  • @Anne-Marie: Wunderbares, gefährliches Halbwissen. Erstens: Der Tweet ist konkret genug, wenn Du allein dessen Inhalt und die Inhalte/Unterhaltungen innerhalb des Accounts kennen würdest! Zweitens fußt die Entscheidung von Dresdens Polizeipräsident nicht auf dem Eintrag als solchem. Es gab weitere Indizien, die nicht nur von LKA und BKA, sondern auch von Auslandsdiensten entsprechend eingestuft worden sind. – Darüber hinaus: Besser diesen einmaligen „Joker“ ziehen, anstatt danach Halbmast flaggen zu müssen.

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