Nazis

Neue Erkenntnisse zum Messerangriff auf einer FreeParty in der Dresdner Heide veröffentlicht

16. September 2020 - 16:50 Uhr

Nachdem am vergangenen Freitag 200 Personen in der Dresdner Neustadt demonstrierten und eine Aufklärung der Tatmotive der mutmaßlich rechtsmotivierten Messerangriffe vor rund zwei Wochen forderten, veröffentlichte das „Antifa Recherche Team Dresden“ (ART) gestern einen Beitrag, der sich mit den Verstrickungen des 16jährigen Täters ins rechte Milieu auseinandersetzt. Der Beitrag legt nahe, dass der Täter über vielfältige Kontakte in die rechte Szene verfügte und kritisiert die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die bisher ein politisches Tatmotiv ausschließen. Der Jugendliche hatte in der Nacht auf den 31. August auf einer Party unvermittelt mit einem 18 Zentimeter langen Messer auf zwei Besucher:innen der Veranstaltung eingestochen und diese lebensgefährlich verletzt. Mittlerweile sind beide Personen zwar außer Lebensgefahr, befinden sich jedoch nach wie vor im Krankenhaus.

Der Artikel des ART beschäftigt sich mit den Bezügen des Täters zur lokalen Naziszene. Eine Auswertung von Screenshots des Facebookprofils des 16-Jährigen habe nach Angaben der Gruppe ergeben, dass ein Großteil der Freund:innen neonazistische und gewaltverherrlichende Inhalte postete. Exemplarisch werden zwei überregionale aktive Nazis vorgestellt, die sich in den Freundeslisten wiederfanden. Die Recherchegruppe schlussfolgert daraus, „dass sich Rosenkranz in dieser Facebook-Welt ideologisiert und radikalisiert hat“. Gewaltverherrlichenden Sprüche und Bilder würden demnach die Bereitschaft Gewalt gegen politische Gegner:innen zu verüben, verstärken. Dies lässt sich auch an den Bildern im Instagram-Profil des Täters sehen, in dem neben NS-Sprüchen, auch schwarz-weiß-rote Fahnen abgebildet sind. Sowohl das Facebook Profil, als auch der Instagram-Account waren kurz nach der Tat gelöscht worden und auch für addn.me nicht mehr einsehbar.

Wie das ART herausfand, bewegte sich Florian Rosenkranz aber nicht nur in der medialen Welt in rechten Kreisen. Die Gruppe geht vielmehr davon aus, dass sich der Täter „wohl auch in der analogen Welt in rechten Kreisen“ bewegte und „mutmaßlich über seine Geschwister Kontakte ins gewaltbereite Neonazimilieu“ hatte. Sie arbeiten dabei heraus, dass sich bei mindestens einem seiner Brüder im Bekanntenkreis Personen aus dem Umfeld der Freien Kameradschaft Dresden (FKD) bewegten. Die Gruppierung war ab 2015 für eine Vielzahl von Übergriffen auf Geflüchtete, Antifaschist:innen und Asylunterkünfte verantwortlich. Seit 2017 müssen sich mehrere Personen der FKD vor dem Landgericht Dresden wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ verantworten und wurden teilweise zu Haftstrafen verurteilt. Erst im September vergangenen Jahres waren bei Durchsuchungen im Umfeld der Gruppe Waffen und Speichermedien beschlagnahmt worden.

Auch auf die konkreten Lebensumstände geht der Beitrag ein. So soll der zur Tatzeit 16 Jahre alte Jugendliche zuletzt in einem Heim in Dresden-Klotzsche gelebt haben. Im Umfeld des Heimes kam es im letzten Jahr immer wieder zu Stickereien und rechten Sprühereien. So wurden u.a. im September letzten Jahres auf dem Nesselgrundweg mehrere dutzend Graffitis mit rassistischen und rechten Inhalten gefunden. Nur wenig später griffen mindestens vier Personen eine Unterbringung für minderjährige unbegleitete Geflüchtete an und zerstörten mehrere Scheiben. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es diese brisante Mischung aus neonazistischer Social Media-Welt und Kontakten in die Dresdner Neonaziszene war, die die entscheidenden Impulse für den Angriff lieferte. Dies ist umso wahrscheinlicher, da der Täter in Verhältnissen groß geworden ist, die weder Stabilität noch ein ausreichendes Korrektiv bieten“, zieht das ART als Fazit zu den Lebensverhältnissen des Täters.

Abschließend kritisiert die Gruppe die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Ihrer Ansicht nach würde diese dem  bekannten Muster folgen und rechte Gewalt nicht nur ignorieren, sondern bewusst entpolitisieren. Es wäre nicht das erste Mal. Bekannt wurde vor allem der Fall von Christopher W. aus Aue, der im April 2018 von jungen Rechten in Aue brutal ermordet worden war. Tatmotiv war dabei seine Homosexualität, wegen welcher er von den Tätern schon zuvor immer wieder beschimpft worden war. Die Polizei ging damals von einem rechten Hintergrund aus und meldete dies dem Innenministerium, die die Tat „als einziges rechtsextremes Tötungsdelikt des Jahres 2018“ führte. Staatsanwaltschaft und Gericht hingegen konnten im anschließenden Prozess kein rechtes Tatmotiv erkennen. Für sie war der grausame Mord kein Hassverbrechen, sondern ein Exzess im Drogen- und Alkoholrausch. Erst durch Proteste von Opferberatungsstellen wurde Christoph W. als offizielles Mordopfer rechter Gewalt anerkannt – das 195. Opfer rechter Morde seit der Wende. Vielleicht auch unter diesen Eindrücken schließt das ART seinen Beitrag damit, dass es jetzt auf „engagierte Akteur:innen aus Zivilgesellschaft, Medien und Politik“ ankomme, „eine vollständige Aufklärung der Tathintergründe einzufordern und durchzusetzen“.


Veröffentlicht am 16. September 2020 um 16:50 Uhr von Redaktion in Nazis

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