Soziales

„Pegida und AFD haben Rassismus wieder salonfähig gemacht.“ – Interview mit Aktiven des Afropa e.V. zu „Black lives Matter“ in Dresden

8. Juli 2020 - 18:54 Uhr - 2 Ergänzungen

Am 06. Juni zogen über 4.000 Menschen unter dem Motto „Blacklivesmatter“ durch Dresden. Es war eine der größten Demonstrationen im Jahr 2020. Organisiert wurde die Demo unter anderem aus dem Afropa e.V. sowie dem Weltclub Dresden. ADDN hat Aktive von Afropa e.V. getroffen, um mit ihnen über die Demo, das Leben von Schwarzen Menschen in Dresden und die Stimmung in der Stadt zu sprechen.

Hallo, schön, dass ihr euch die Zeit genommen habt, um mit uns über das Leben von Schwarzen Menschen in Dresden zu sprechen. Zunächst zu Beginn, wer seid ihr und was macht Afropa und der Weltclub in Dresden?

Der Afropa e.V. wurde 2003 gegründet, um die Verständigung zwischen dem afrikanischen und europäischen Kontinent zu fördern. Seit 2017 hat der Verein das Haus auf der Königsbrücker Straße 13 als Interkulturelles Stadtteilzentrum Weltclub übernommen. Im Weltclub treffen sich unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Kulturen. Der Weltclub ist ein Treffpunkt für Austausch, Veranstaltungen, Kunst und Kultur für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Montags und Dienstags findet in dem Haus Migrationssozialberatung (Afropa e.V. ist hier ebenfalls Träger) für den Bereich Dresden-Nord statt. Seit 2020 hat de Afropa e.V. das Projekt „Powerful Women* of Colour“ gestartet und arbeitet mit Frauen*, die von Rassismus betroffen sind.

Wir sind Mitarbeitende des Afropa e.V.s in unterschiedlichen Projekten.

Die Blacklivesmatter Demo war mit einer der größten Demos im Jahr 2020 und das trotz einer sehr kurzfristigen Mobilisierung. Wie fandet ihr die Demo und welche Eindrücke sind euch hängen geblieben?

Unsere Eindrücke:

  • es gab viele junge Menschen, was uns einen guten Blick in die Zukunft erhoffen lässt
  • auch viele weiß positionierte Menschen waren anwesend
  • Menschen mit vielen unterschiedlichen Kulturen haben sich getroffen und sich gemeinsam gegen Rassismus gestellt
  • Demo wurde nicht von linksradikalen Gruppen überlaufen

Skeptisch sind wir, weil wir uns die Frage stellen, ob BLM eine Trendbewegung ist oder eine Bewegung, die nachhaltig ist und bleibt. Wir hoffen, dass die Wirkung aktiv bleibt.

Im Vorfeld der Demo gab es von Schwarzen Aktivist:innen Kritik an der Organisation und dem Vorbereitungskreis der Demo, welches kurzzeitig für Unstimmigkeiten gesorgt hat. Wie blickt ihr auf diese Kritik und welche Tipps habt ihr für die Zukunft, damit solche Unstimmigkeiten und Kritik vermieden werden kann bzw. wo war die Kritik vielleicht berechtigt?

Die Kritik war berechtigt, da eine Schwarze Person aufgrund ihrer Berufsgruppe von dem Organisationsteam ausgeschlossen wurde. Die Demonstration sollte nicht von linksradikalen Bewegungen instrumentalisiert werden. Aufgrund der kurzen Zeit wurde die Demo von weißen Aktivist*innen organisiert. Kommende Demos werden von Schwarzen Menschen und People of Color organisiert, damit solche Ausschlüsse nicht noch einmal passieren können. Es geht um rassistische Polizeigewalt und die können wir nur bekämpfen, wenn wir fest im System auch in Polizeiberufen verankert sind.

Anmerkung der Redaktion von addn.me:
Nach Kritik und Anmerkungen zu dieser Passage soll hier auf Wunsch von Afropa e.V. eine Richtigstellung erfolgen: An der Organisation der BLM-Demo vom 06.06.2020 waren Schwarze Menschen und People of Color beteiligt, u.a. Aktive aus dem Verein selbst.

Unter dem Motto Blacklivesmatter könnte aktuell eine neue globale Bewegung entstehen und die politische Forderung ist gerade in aller Munde. Was bedeutet für euch konkret, dass Schwarzes Leben in Dresden und Sachsen von belang ist?

Für uns ist das Leben von Schwarzen Menschen immer von belang! Gut ist, dass das Thema sichtbar ist! Wichtig ist, dass die Forderungen gehört und umgesetzt werden. Für uns ist es wichtig, dass wir darüber sprechen können und nicht von den Medien zensiert werden. Trotzdem ermüdet es uns ab und zu, wenn wir ständig über das Thema Rassismus sprechen müssen. Die Medien fordern uns ständig auf, über unsere eigenen persönlichen Rassismuserfahrungen zu sprechen. Das ist verletzend und mittlerweile auch nicht mehr notwendig. Es gibt genügend Erfahrungsberichte im Internet und nun sollte es bekannt sein, dass Rassismus existiert und auch Alltagsrassimus an der Tagesordnung von POCs steht. Trotzdem ist es wichtig, darüber zu sprechen und das Thema aufrecht zu erhalten.

In den USA ist der Protest durch den Mord an George Floyd und rassistische Polizeigewalt ausgelöst worden. In Dresden und Sachsen wiederum ist das Thema Rassismus sehr eng mit organisierten Nazis oder Akteuren wie PEGIDA und der AfD verknüpft – auch wenn diese nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Wie erlebt ihr die Stimmung in Dresden? Wie hat PEGIDA und eine starke AfD das Klima für Schwarze Menschen in Dresden verändert und was ist eure Erfahrung mit der Polizei in Sachsen?

Trotz PEGIDA wurde nicht viel zum Thema Rassismus gearbeitet. Die meisten Menschen in unserem Umfeld sprechen sich gegen AFD und PEGIDAa aus, trotzdem zeigen die Wahlergebnisse etwas anderes. PEGIDA und AFD haben Rassismus wieder salonfähig gemacht. Diese Bewegungen machen unseren Alltag schwieriger, weil es plötzlich erlaubt zu sein scheint, uns auf der Straße öffentlich anzuprangern und zu beleidigen. Jugendliche und Kinder übernehmen diese Einstellungen von ihren Eltern. Auch in Dresden und in Sachsen gibt es rassistische Polizeigewalt!

Welche politischen Forderungen und Wünsche verbindet ihr mit diesen Erfahrungen? Wo sollte dringend etwas getan werden und wo wünscht ihr euch von anderen sozialen Bewegungen (mehr) Unterstützung?

Im Kern können wir folgende Forderungen und Wünsche nennen:

  • diversere Kinderbücher in Kindergärten
  • Pflichtworkshop für Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen zur Sensibilisierung
  • monetäre Unterstützung für Schutzräume und Projekte, die Unterstützen
  • Unabhängige Stelle, an die sich Schwarze Menschen bei rassistischen Übergriffen von institutioneller Seite wenden können (Die auch bestimmte Stimmrechte/Machtbefugnisse hat)
  • Kolonialgeschichte im Geschichtsunterricht, die der Wahrheit entspricht und die Geschichte so darstellt, wie sie wirklich war
  • Keine rassistischen Lieder, Bilder und Motive in Kindergarten und Schule

In England, Belgien und in den USA sind Denkmäler von Sklavenhändlern und Rassisten aus der Kolonialzeit zum Gegenstand der Auseinandersetzung um das postkoloniale Erbe geworden. Seht ihr in Dresden auch den Bedarf einer tieferen postkolonialen Aufarbeitung und wenn ja wo?

Wir sehen auch in Dresden die Bedarfe. Was ist mit den Diamanten im Grünen Gewölbe? Was ist mit Museen und Austellungen? Dresdner:innen halten diese Dinge für ihr Eigentum, weil sie in diesen Museem ausgestellt werden. Aber wem wurden diese Dinge/Gegenstände entwendet?

Vielen Dank das Gespräch, gibt es noch Dinge die ihr loswerden wollt oder auf die ihr hinweisen wollt? 

Die Industrie sollte aufhören, Waffen zu schicken und Diktaturen zu unterstützen. Rassismus muss entlernt werden.Weiße Menschen müssen sich über ihre Privilegien im Klaren sein.

Vielen Dank für das Interview!


Veröffentlicht am 8. Juli 2020 um 18:54 Uhr von Redaktion in Soziales

Ergänzungen

  • Ich komme gerne, aber nur wenn ich nicht mit sonstigen linksradikalen Gruppen sichtbar in Verbindung gebracht werde.

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