Freiräume

Absehbare Reaktion auf offenen Brief von Thierse

9. August 2011 - 22:22 Uhr - 2 Ergänzungen

Wolfgang Thierse am 19. Februar 2011 in Dresden (Quelle: flickr.com/photos/pm_cheung/5460009064/)

Am Wochenende hat sich der ehemalige Chef des LKA Sachsen Paul Scholz in einem Artikel zur so genannten Handyaffäre in Sachsen und der Empörung Wolfgang Thierses (SPD) gegenüber einer Anzeige des Vizechefs der Polizeidirektion Oberes Elbtal/Osterzgebirge Andreas Arnold im Februar geäußert. Grund für die Anzeige des Beamten war eine Aussage Thierses, der den Polizeieinsatz zum Schutz der Nazis gegenüber dem MDR als „sächsische Demokratie“ bezeichnet hatte. Daraufhin hatte neben dem sächsischen CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt in der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ den Rücktritt von Thierse als Bundestagsvizepräsident gefordert. Das Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft Wochen später mit dem Verweis auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eingestellt.

In seinem Brief kritisiert Scholz die Vorwürfe Thierses als „unerträglich“ und wies die Vorwürfe an Polizei und Justiz als „Pauschalkritik“ zurück. In Anbetracht der aktuellen Debatte zur Funkzellenabfrage zehntausender Bürgerinnen und Bürger sprach sich Scholz für eine Untersuchung „mutmaßlicher Fehler beim Umgang mit rechtmäßig erhobenen Mobilfunkdaten“ und vor allem für eine „Versachlichung“ der Diskussion aus. Er verwies auf eine Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27. Juli. Darin setzen sich die Datenschutzbeauftragten nach den Erfahrungen von Dresden beim Gesetzgeber für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des §100g unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und für eine nichtindividualisierte Funkzellenabfrage ein. Das Ziel soll nach Ansicht von Scholz „die Schaffung einer klaren und praxistauglichen Regelung“ sein, um auch in Zukunft „schwere Straftaten“ aufklären zu können.

Scholz war im Frühjahr nach mehr als 40 Jahren Arbeit bei der Polizei und davon sechs Jahren beim LKA Sachsen mit 59 Jahren in den Ruhestand getreten und durch Jörg Michaelis (CDU) ersetzt worden. Eine seiner ersten Amtshandlungen waren Hausdurchsuchungen gegen Teile der linken Szene in Sachsen und Brandenburg. Dabei wurden von der Polizei insgesamt 21 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht. Den Verdächtigen werden zahlreiche Übergriffe auf Nazis und die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

Ende Juli hatte sich Thierse mit einem offenen Brief in der Sächsischen Zeitung an Sachsens CDU-Innenminister Markus Ulbig gewandt. Darin warf er den an den massenhaften Datenerhebungen beteiligten Beamten und Staatsanwälten eine „Geisteshaltung“ vor, die „zu einer Bedrohung für die Demonstrationsfreiheit, für den Rechtsstaat und die Demokratie werden“ können und kritisierte die Ermittlungsmethoden der sächsischen Polizei als „befremdlich“ und „besorgniserregend“. Den sächsischen Innenminister forderte er auf, die Bevölkerung über das „Ausmaß der polizeilichen Eingriffe in die Grundrechte der Bürger“ aufzuklären.

Artikel zum Thema: Die Härte des Systems (Quelle: Der Spiegel Ausgabe 31/2011)


Veröffentlicht am 9. August 2011 um 22:22 Uhr von Redaktion in Freiräume

Ergänzungen

  • (…)In seinem Brief kritisiert Scholz die Vorwürfe Thierses als “unerträglich” und wies die Vorwürfe an Polizei und Justiz als “Pauschalkritik” zurück.(…)

    Ich finde unerträglich, dass es, in diesem „Rechtsstaat“, keine unabhängig arbeitende Kontrollinstanz/Institution, zur Untersuchung bei Verdacht auf Fehlverhalten von Polizeibeamten und ausgestattet mit entsprechenden Befugnissen, gibt! Doch erst die Begründung, von offizieller Seite, ist wirklich entlarvend und der absolute Gipfel: „Unsere Beamten handeln IMMER auf rechtsstaatlicher Grundlage …­blah… ­blah… ­blah…“! Das bedeutet also, SIE machen keine Fehler und würden nie etwas verschweigen oder verdrehen. Und wenn, dann wollen SIE es nicht wissen. „Deshalb brauchen WIR so etwas in der BRD nicht!“

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