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Streit um Pressekonferenz in der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung

22. Januar 2015 - 10:39 Uhr - 3 Ergänzungen

Im Anschluss an eine Pressekonferenz von PEGIDA am Montag in den Räumlichkeiten der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB), wurde Kritik an dem Vorgehen der dem Papier nach „überparteilichen“ staatlichen Bildungsanstalt laut. Der Veranstaltung vorausgegangen war eine Anfrage von PEGIDA am Donnerstagnachmittag. Darin baten drei Organisatoren den Direktor der SLpB, Frank Richter, ihnen die Möglichkeit zu geben, eine Brücke zur Presse zu bauen. Zudem habe es im Netz „deutliche Hinweise“ darauf gegeben, „dass Antifa-Gruppen ihr Kommen“ für Montag angekündigt hätten. Richter, der bereits vor gut einem Jahr mit dem Versuch gescheitert war, die damals noch im Sächsischen Landtag vertretene NPD als Gesprächspartner für eine Podiumsdiskussion zu gewinnen, hatte in Dresden als Moderator einer städtischen Arbeitsgruppe zum 13. Februar einen großen Beitrag zur Beruhigung des in Dresden Jahr für Jahr begangenen Gedenktages beigetragen. Nach Kontroversen mit Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) über die inhaltliche Ausrichtung der städtischen Gedenkkultur war der einstige DDR-Bürgerrechtler im Oktober 2013 von seinem Amt als Moderator zurückgetreten.

In einer Talkrunde bei Günther Jauch, bei der sich neben Richter und Oertel auch der AfD-Landtagsabgeordnete Alexander Gauland, SPD-Politiker Wolfgang Thierse und Jens Spahn von der CDU gemeinsam über eine Fortführung des Dialogs verständigten, hatte Oertel nahezu unwidersprochen mit unkonkreten Phrasen zur besten Sendezeit über vermeintliche gesellschatliche Tabuthemen gesprochen und mehr Volkswillen in der Politik angemahnt. Widerspruch erfuhr sie, in der mit wenigen Kontroversen geführten Diskussion, lediglich durch den CDU-Mann. Frank Richter hatte in der Sendung nur sehr wenig neues beizutragen und beschränkte sich in seinem Selbstverständnis als neutraler Moderator vielmehr darauf, Oertel Tipps zu einer besseren Darstellung in der Öffentlichkeit zu geben und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre Neujahrsansprache zu kritisieren. Und während sich die Gäste von Jauch über die von den „Patriotischen Europäern“ geschürte Furcht vor einer angeblichen Islamisierung unterhielten, war von den für das Format verantwortlichen Personen nicht ein einziger muslimischer Gast in die Sendung eingeladen worden.

Die von mehreren Fernsehsendern live übertragene Pressekonferenz von PEGIDA am Montagvormittag brachte das Fass schließlich zum Überlaufen. Deutliche Worte zu dieser Entscheidung kamen unter anderem von Stefan Schönfelder, dem Geschäftsführer von Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen. Seiner Ansicht nach dürfe politische Bildungsarbeit „rassistischen, chauvinistischen, völkischen Ideologien nicht unwidersprochen eine Plattform [geben]. Wer seine Räume ‚PEGIDA‘ für Verlautbarungen zur Verfügung stellt, hat seine Rolle in der politischen Bildung aufgegeben. Frank Richter hat die Demokratie in Sachsen geschwächt, eine Rolle als Moderator ohne Haltung eingenommen und Seelsorge mit politischer Bildung verwechselt.“ Kritik kam auch vom Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Thomas Krüger (SPD). Dieser warf Richter im Tagesspiegel eine „einseitige Raumvergabe […] an eine parteiische Gruppierung“ vor. Wenn parallel dazu der Gegenseite nicht die gleiche Möglichkeit eingeräumt wurde, sei eine „rote Linie“ überschritten. „Die Sächsische Landeszentrale habe ein anderes Verständnis für politische Bildung als wir.“ „Wir sollten nicht den Steigbügelhalter für die Pegida-Bewegung geben. Man kann sie zum Gespräch einladen, aber man muss ihnen nicht bei der Übermittlung ihrer Botschaften helfen.“, so der Harald Parigger, der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Bayern.

Der Sprecher des Netzwerks „Dresden für Alle“, Eric Hattke, zeigte sich verwundert über die Entscheidung der SLpB, „schließlich hatten wir als demokratische Initiative schon vor langer Zeit den Kontakt zur Landeszentrale und zu Herrn Richter gesucht, bislang allerdings ohne Antwort“. Für ihn entstehe „der Eindruck einer Bevorzugung von Pegida e.V. durch eine staatliche Behörde“. Er forderte die Bildungsinstitution auf, „zeitnah“ mit denjenigen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Migrantenverbänden Kontakt aufzunehmen, die sich für ein weltoffenes Sachsens einsetzen. „Jeden Tag hören wir von den Ängsten, die Menschen mit einer anderen Hautfarbe haben. Wir führen das Gespräch mit denjenigen, die uns von Hass, Beschimpfungen, Aggression und körperlichen Übergriffen berichten, die in den letzten Monaten eine völlig neue und unerträgliche Dimension erhalten haben. Das ist in der Öffentlichkeit bisher viel zu wenig bekannt, all diese Menschen haben keine Plattform.“ Das Bündnis „Dresden Nazifrei“ kritisierte die Veranstaltung als „Schmierentheater“, „zu dem sich auch noch genau die Akteure einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft missbrauchen lassen, die von Pegida seit Wochen als „Lügenpresse“ diffamiert werden“. Nicht die von PEGIDA in den Räumen der SLpB inszenierte Bedrohungslage sei ein Problem, sondern die tatsächliche Bedrohung derjenigen, die unter dem rassistischen Klima in der Stadt besonders zu leiden haben.

Auch die Landesvorsitzende der sächsischen Jungsozialistinnen und Jungsozialisten (Jusos), Katharina Schenk, zeigte wenig Verständnis: „Durch sein Verhalten hat Herr Richter viel Porzellan zerschlagen“. Eine Schritt weiter ging die Grüne Jugend, deren Landessprecher Jan Estelmann den Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung sogar zum Rücktritt aufforderte. Richter habe nach der Einladung der NPD zu einer Diskussionsveranstaltung im Oktober 2013 abermals bewiesen, „dass ihm jegliches Bewusstsein für die Bedeutung seines Amtes fehlt und ist als Leiter der Landeszentrale für politische Bildung endgültig nicht mehr tragbar. Wenn Herr Richter sich nicht der Notwendigkeit seines Rücktritts bewusst wird, sollte er seines Amtes enthoben werden, auch um weiteren Schaden von der SLpB abzuwenden.“

Annekatrin Klepsch, Landtagsabgeordnete der Linken, würdigte zunächst Richters Verdienste bei der Organisation von Dialogforen und seinen Einsatz auf etlichen Diskussionsveranstaltungen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylsuchenden. „Dass nun allerdings eine Gruppierung, die in den Parolen und Reden ihres allwöchentlichen Auftretens faktisch Religionsfreiheit, Asylrecht und Pressefreiheit in Frage stellt, das Podium der steuermittelfinanzierten Landeszentrale für politische Bildung für eine Pressekonferenz nutzen kann“, bezeichnete die Parlamentarierin nicht nur als „Zumutung für alle Menschen, die sich kritisch mit PEGIDA auseinandersetzen“, sondern auch als „klare Überschreitung des Auftrages der Landeszentrale, sich um politische Bildung zu kümmern“. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Volkmar Zschocke, reagierte mit Unverständnis: „Es kann nicht Aufgabe der steuerfinanzierten Landeszentrale sein, eine politische Organisation exklusiv bei der Verbreitung ihrer Positionen zu unterstützen.“ Die Unterstützung einer Organisation, die seiner Auffassung nach diesen „ureigensten Aufgaben entgegenwirkt“, sei „bittere Ironie“.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Christian Piwarz, warnte davor, die Landeszentrale zum „Sündenbock“ im Umgang mit PEGIDA zu machen. Die Pressekonferenz sei „dringend notwendig“ gewesen, um die Öffentlichkeit über die Absage der Demonstration und die allgemeine Gefährdungslage am Montagabend zu informieren. Die Kritik daran wies er mit der Begründung zurück, dass es „genau dieses ausgrenzende Verhalten [sei], was am Ende immer mehr Menschen auf die Straßen treibt.“ Gegenüber MDR 1 Radio Sachsen zeigte sich Richter am Dienstag ebenfalls uneinsichtig. Die Veranstaltung am Montag habe im Einvernehmen mit dem Kuratoriumsvorsitzenen Lars Rohwer (CDU) stattgefunden. Er stehe dazu und würde in einer ähnlichen Situation wahrscheinlich wieder so entscheiden. Lars Rohwer hatte Richter am Montag als „integre Persönlichkeit“ verteidigt, „die mit hohem persönlichem Engagement und Sachverstand zwischen den verschiedensten Positionen vermittelt.“

Das von der Polizei durchgesetzte Totalverbot aller Versammlungen sowie die im Fernsehen und von der SLpB signalisierte Bereitschaft, PEGIDA ein noch größeres Forum als ihre montäglichen Massenaufmärsche zu geben, dürften der inzwischen nur noch dem Namen nach islamkritischen Bewegung in der nächsten Woche einiges an Mobilisierungsarbeit erspart haben. Eines jedoch haben die seit Wochen andauernden Diskussionen über den richtigen Umgang mit PEGIDA allerdings auch gezeigt, die von Migrantinnen und Migranten empfundenen Ängste und Bedrohungen spielten in der öffentlichen Wahrnehmung nur eine Woche nach der Ermordung von Khaled Idris Bahray weder in der Talkrunde in der ARD, noch bei der Pressekonferenz am Folgetag überhaupt eine Rolle. Einzig das sächsische Innenministerium reagierte auf den Wunsch der aus Eritrea geflüchteten Menschen, in ein anderes Bundesland verlegt werden zu dürfen, mit den knappen Worten: „Die Bundesrepublik Deutschland hindert niemanden, das Land zu verlassen.“, Willkommenskultur auf Sächsisch eben.

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Veröffentlicht am 22. Januar 2015 um 10:39 Uhr von Redaktion in News

Ergänzungen

  • Das war auch mein Verdacht als ich Günter Jauch gesehen habe,nicht Grundlos wird Herr Gabriel teilgenommen haben.
    Man sollte doch mal bedenken wer in Sachsen regiert, vielen CDU, FDP und NPD Wählern ist der Kurs zu lahm. Konservative Politik sieht anders aus.
    Posten in staatsgeführten Einrichtungen werden doch nicht nach Eignung sondern eher nach Parteinähe vergeben.
    Deswegen darf Frau Oertel und ihre Freunde jetzt auch gegen linken Terror hetzen der nie stattgefunden hat.
    Man bedenke auch die Rolle Sachsens bei der NSU! Wer solche Leute unterstützt will doch keine Gruppen die für Ausländer sind.
    Besonders denke ich dabei ans sächsische Innenministerium!

  • Die gleichen Leute, welche die Ausgrenzung der Asylsuchenden und Flüchtlinge bedauern, fordern diese für die PEGIDA. Wo ist da der Unterschied? Man muss sich auseinandersetzen, um zusammen zu finden. Mit Argumenten, zuhören und vor allem auf Augenhöhe. Wer glaubt denn, dass Woche für Woche tausende Nazis auf der Straße sind? Es sind alles Menschen und sie wollen gehört werden. Im Dialog kann man überzeugen und ehrlich für das berechtigte Interesse derjenigen ohne Stimme (Flüchtlinge, Asylsuchende, Arme, Besorgte) streiten.

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