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Kurdische Initiative ausgeladen: Hat der Verfassungsschutz die Deutungshoheit über die Internationalen Wochen gegen Rassismus?

23. April 2021 - 16:59 Uhr

Vom 15. März bis zum 6. April fanden in Dresden die Internationalen Wochen gegen Rassismus (IWgR) statt. Unter dem Motto „Rassismus zur Sprache bringen – Solidarisch handeln!“ gab es ein vielfältiges Programm, welches mit einem Online-Rundgang zum 30. Todestag von Jorge Gomondai endete. Stellte Oberbürgermeister Dirk Hilbert die 2018 erstmals durchgeführte Veranstaltung als vollen Erfolg dar, kritisieren verschiedene Initiativen die Aktivitäten als Imagepolitik. Insbesondere die Ausladung einer kurdischen Initiative mit Bezugnahme auf den Verfassungsschutzbericht von 2019 sorgt für Ärger. Die Initiative „Frieden für Kurdistan Sachsen“ (IfK) ging zu Monatsbeginn mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit.

„Wir sind nicht nur verwundert, sondern auch wütend“, schreibt die IfK in ihrem offenen Brief. Anlass für diese drastische Aussage war die Ausladung der Initiative durch die Stadt Dresden im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Eigentlich plante die Initiative eine Veranstaltung über den 1994 in Hannover getöteten jungen kurdischen Aktivisten Halim Dener. Die Veranstaltung sollte in Abhängigkeit von der schwierigen Corona-Situation in den Räumen des Dresdner Vereins „Deutsch-kurdische Begegnungen“ stattfinden. Nach anfänglich positiver Rückmeldung am 02.02.2021 durch das zuständige Bürgermeisteramt der Stadt Dresden, sei der IfK wenige Tage später in einer formlosen E-Mail mitgeteilt worden, dass die Veranstaltung von den IWgR ausgeschlossen und dementsprechend auch nicht in das Programmheft aufgenommen werde, erklärten die Aktivist:innen gegenüber addn.me.

Als Begründung des Ausschlusses sei lediglich knapp auf den Verfassungsschutzbericht von 2019 verwiesen wurden. Dort wurde der Verein „Deutsch-kurdische Begegnungen e.V.“ als Unterorganisation der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geführt. Weitere Gespräche zum Sachverhalt wurden nicht angeboten, wie die Aktivist:innen erklärten. Alle Gesprächsgesuche durch das IfK blieben unbeantwortet. Für die Aktivist:innen sei dies ein de facto Ausschluss aus den IwgR. In den vergangenen Jahren war bereits der UTA Frauenrat von der Veranstaltungsreihe ausgeschlossen worden, erklärte die IfK. Dabei gehe es der Initiative mit ihren Brief nicht primär um den Ausschluss, „sondern um seine Bedeutung in der Gesamtschau von Repression gegen prokurdische Strukturen“.

In dem von UTA-Frauenrat, der „Initiative für Frieden in Kurdistan“ und dem „Verein deutsch-kurdische Begegnungen“ verfassten offenen Brief an die Stiftungsräte der IWgR wird die Ausladung nicht nur als eine rassistische Praxis, sondern auch die Bezugnahme auf den Verfassungsschutzbericht kritisiert: „Wir müssen also feststellen, dass die Stadtverwaltung migrantische Communities von einer Veranstaltungsreihe ausgeladen hat und das auf Grund unbelegter Behauptungen einer Institution, die nachweislich bis heute tiefe Verbindungen in das rechtsextreme Milieu pflegt und ohne deren Beteiligung, nach Einschätzung der Opferanwälte die Mordserie des sog. NSU nicht möglich gewesen wäre„.

Kritik am Vorgehen der Stadt kam jedoch nicht nur durch die IfK. Auch die Seebrücke Dresden übte Kritik an Organisator Dirk Hilbert. Auf der Kundgebung zum „Internationalen Tag gegen Rassismus“ am 21. März stellte die Initiative klar, dass für sie antirassistische Arbeit nicht nur auf ein Datum beschränkt bleiben könne: „Für uns als Seebrücke ist er wie alle anderen Tage im Jahr Verpflichtung, dem Rassismus in allen seinen Formen entgegen zu treten“. Eine Form davon sei den Aktivist:innen nach die Deklarierung Dresdens als sicherer Hafen. Insgesamt gibt es bundesweit bisher 237 sichere Häfen, die sich für die Aufnahme von Geflüchteten einsetzten. Nur zwei Landhauptstädte sind nicht vertreten – eine davon ist die Sächsische, ein entsprechender Antrag dazu wurde bisher zweimal im Stadtrat eingereicht. Beide Versuche scheiterten allerdings an der Enthaltung von Oberbürgermeister Dirk Hilbert sowie an den Stimmen von AfD, NPD, FDP, CDU und den Freien Wählern. Laut der Seebrücke habe Hilbert auch offen kommuniziert, einen solchen Antrag auch künftig nicht unterstützen zu wollen. Ungeachtet dessen, wollen die Aktivist:innen nun einen erneuten Versuch starten.


Veröffentlicht am 23. April 2021 um 16:59 Uhr von Redaktion in International

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