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Kunst, Kultur, Krise? – welche Unterstützung notwendig ist

27. März 2020 - 22:16 Uhr

Im Bereich der Kultur tätige Menschen sind derzeit stark von den Ausgangsbeschränkungen und finanziellen Konsequenzen im Zuge der Corona-Pandemie betroffen. Da große Menschenansammlungen ein hohes Infektionsrisiko bedeuten, waren Museen, Theater, Kinos, Opern, Ausstellungen und Kulturveranstaltungen aller Art sofort betroffen. Für die meist freischaffenden Künstler:innen in Musik, Literatur, Tanz, Theater und Bildender Kunst verschlimmert sich die Lage gerade zunehmend. Mit jedem Tag, an dem keine Veranstaltungen stattfinden können, fallen Aufträge weg, Honorare werden nicht gezahlt und es entstehen massive Lücken im sowieso schon knappen Geldbeutel. 

Für die meisten dieser Menschen ist Prekarität aber traurige Normalität und Alltag. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der Bildenden Künstler:innen liegt bspw. bei knapp 18.000 Euro, wobei Frauen dabei nochmal einige tausend Euro weniger verdienen (14.899 Euro) als ihre männlichen Kollegen (20.737 Euro). Die darstellende Kunst liegt hier ungefähr gleichauf, die Musik mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 14.628€ noch darunter.

Seit einigen Tagen sind verschiedene Petitionen im Umlauf und erste Diskussionen für Notfallhilfen wurden angestoßen. So heißt es in einer bereits von fast 300.000 Menschen unterzeichneten Petition: „Aufgrund dieser Freiberuflichkeit leben viele dieser Künstlerinnen und Künstler […] ohnehin am Rand des Existenzminimums, aber durch die derzeitige massenhafte Absage von Veranstaltungen drohen sie über diesen Rand gestoßen zu werden.“

Um dieses Szenario zu verhindern stehen bereits verschiedene Vorschläge im Raum. Fast 400.000 Menschen unterschrieben die Petition der Berliner Modedesignerin Tonia Merz, die ein zeitlich befristetes, bedingungsloses Grundeinkommen zwischen 800 und 1.200€ fordert. Denn trotz „überdurchschnittlich viel Arbeit“ sei es ihr, wie vielen anderen auch, nie gelungen, Rücklagen zu bilden, die in einer solchen Krise die Rettung seien. Auch Christian Höppner, Generalsekretär des deutschen Musikrates, argumentiert für ein solches Grundeinkommen freiberuflicher Künstler:innen und Musiker:innen.

Erste Schritte sind eingeleitet: Der Bundesverband Deutscher Stiftungen ruft zur Bildung eines Fonds auf, um Künstler:innen zu unterstützen (keep the arts alive). Kulturstaatsministerin Monika Grütters versprach, „bei vom Bund geförderten Projekten und Veranstaltungen, die wegen des Coronavirus abgesagt werden müssen, auf Rückforderungen so weit wie möglich zu verzichten.“

Klar ist: Hier muss eine sofort wirksame, unbürokratische und vor allem bedingungslose Unterstützung her. Denn auch Darlehen, so der Autor der Petition David Erler, helfen nicht weiter: „Finanzkredite oder Darlehen, selbst ohne Kopplung an Bonität & aufwendige Bewerbungsverfahren, helfen uns NICHT weiter, da viele von uns sich bereits JETZT in einer Schuldenspirale befinden.“

Dresden sieht sich gerne als Kunst- und Kulturstadt. Und trotz des teilweise regressiven politischen Klimas der letzten Jahre leben und arbeiten in Dresden viele Künstler:innen. Der Künstlerbund Dresden zählt über 600 Mitglieder. Dennoch lässt es sich nur schwer von der Hand zu weisen, dass es eher die Alten Meister der Staatlichen Kunstsammlungen sind, die das sächsische Herz höher schlagen lassen, und weniger die vielen Freiberufler:innen in zeitgenössischer Kunst und Kultur, die Freiräume und gute Arbeitsbedingungen einfordern.

In Dresden sind Spendenaktionen wie #supportyourlocalartist angelaufen. Die Stadt Dresden diskutiert eine einmalige Soforthilfe von 1.000 Euro für Freiberufler:innen. An dieser Stelle sei jedoch kurz innegehalten. Denn so erfreulich es ist, dass die Lage von Freiberufler:innen jetzt auch außerhalb der Kulturbranche Gehör findet, ist doch die Frage, ob Feuerwehr-Maßnahmen wie ein schneller Scheck oder Charity-Aktionen wirklich die richtige Antwort auf die prekäre Lage von Kulturakteur:innen ist. Denn nicht wegen Corona ist deren Lage prekär. Sie ist es für fast alle immer. 

Die Diskussion um die Grundrente, die fast keine Künstler:in nach den momentanen Rechnungen bekommen wird, fand vor einigen Wochen noch sehr wenig Resonanz. Eine Gesellschaft, die Kultur also nicht als Luxus betrachtet, der schlimmstenfalls gestrichen werden kann, sondern als ein geistiges Fundament, auf dem unsere Gemeinschaft gebaut ist, sollte jetzt mehr Vorschläge parat haben, als schnell zusammengespendete tausend Euro. 

Genau jetzt wäre ein guter Zeitpunkt sich zu überlegen, wie es um dieses Fundament bestellt ist und welche Rolle Kunst und Kultur in schwierigen Zeiten spielen kann. Denn ob es nun das „Bella Ciao“ des serbischen Nationalorchesters ist oder die online-Partys der Berliner Clubs, die Kultur ist samt ihrer Akteur:innen sowieso jetzt schon Teil der Krisenbewältigungsstrategie. Analog zu dem medizinischen Personal, sollte auch im Fall der Kulturarbeiter:innen die Frage erlaubt sein, welche Wertschätzung unsere Gesellschaft zukünftig dieser wichtigen und notwendigen Arbeit angedeihen lassen wollen. 

Fotoquelle: https://pixnio.com/de/kunst/skulpturen/skulptur-frau-statue-kunst-denkmal-antike-alt-kultur


Veröffentlicht am 27. März 2020 um 22:16 Uhr von Redaktion in Freiräume, Kultur, Soziales

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