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Verwaltungsgericht Dresden hält Versammlungsverbot aufrecht

31. März 2020 - 20:12 Uhr

Mit seiner Entscheidung vom 30. März hat das Dresdner Verwaltungsgericht das vom Sächsischen Sozialministeriums (SMS) am 20.03.2020 erlassene totale Versammlungsverbot aufrecht erhalten. Der Antrag auf Zulassung einer kleinen Kundgebung auf dem Postplatz, mit der auf die Gefahren der Corona-Pandemie für Strafgefangene und Geflüchtete aufmerksam gemacht werde sollte, wurde am Montag abgelehnt. Mehr zu dem Antrag in unserem Artikel vom vergangenen Donnerstag.

Ihren Beschluss begründeten die Richter:innen der 6. Kammer des Verwaltungsgerichtes einerseits damit, dass sie – anders als ihre Kolleg:innen in München – die Verfügung nicht als formell rechtswidrig einstufen. In ihrer Augen handelt es sich bei den weitgehenden und in verschiedenste Bereiche des gesellschaftlichen Lebens eingreifenden Regelungen der sächsischen Allgemeinverfügung um „einen einzelnen und konkret erkennbaren Sachverhalt“. Andererseits verneint der Beschluss alle Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Grundrechtseinschränkungen mit dem Argument, die „Beschränkung der Versammlungsfreiheit“ sei gegenüber den durch COVID-19 drohenden Gefahren für die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen als angemessen zu werten. Richtiger wäre allerdings, hier von einem ausnahmslosen Verbot zu sprechen. Anders als bei vergleichbaren Versammlungen in anderen Bundesländern wurden die vom Antragsteller vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verringerung des Infektionsrisikos als vernachlässigbar eingeschätzt. 

„Deutlicher geht die Nichtachtung der Versammlungsfreiheit als grundlegendem Pfeiler des demokratisch verfassten Gemeinwesens nicht. Im Gegensatz zum ‚Fortbestand der Wirtschaft‘ scheinen Grundrechte nicht systemrelevant. Anders lässt sich nicht erklären, warum jede berufliche Tätigkeit im Prinzip uneingeschränkt gestattet bleibt, während selbst kleinste Kundgebungen ohne jede Abwägung verboten werden.“ kritisiert Rechtsanwalt Mark Feilitzsch die Entscheidung des Gerichtes.  

Die Fragwürdigkeit der Entscheidung zeigt sich nicht zuletzt darin, dass das Gericht der geplanten Versammlung ein „unkalkulierbare[s] Risiko einer größeren Ansammlung von Menschen“ attestiert, nur um wenige Sätze später davon zu sprechen, dass angesichts der erwarteten geringen Zahl von Teilnehmer:innen von vornherein nur „eine geringe Außenwirkung und Strahlkraft“ gegeben sei. Neben dem logischen Widerspruch in der eigenen Argumentation ignorierten die Richter:innen dabei, dass die Versammlungsfreiheit nicht zuletzt als minderheitsschützendes Recht angelegt ist. Damit verbietet es sich, die Größe einer Versammlung oder ihre Chance, tatsächlich Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen, als abwägungsrelevantes Kriterium heranzuziehen.

Feilitzsch dazu: „In hehrer Verfassungslyrik wurde die Versammlungsfreiheit vom Bundesverfassungsgericht als ‚unentbehrliches Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens‘ besungen. Die Nonchalance, mit der in Dresden dieses Grundrecht anderen Zwecken geopfert wird, zeigt, dass im Ernstfall auf die staatlichen Garantien wenig zu geben ist.“ Gegenüber addn.me erklärte der Antragsteller, dass gegen die Verlängerung der Maßnahmen ebenfalls Klage eingereicht werden soll. „Dass das Dresdner Verwaltungsgericht sich nicht gegen die sächsische Staatsregierung stellt, ist bedenklich, war aber zu erwarten. Ich hoffe, dass die Gerichte mit größerem zeitlichen und politischem Abstand einer Grundrechte schützenden Argumentation offener gegenüber stehen.“

Das Gericht führte zwar aus, dass die Beschränkungen nur für einen sehr kurzen Zeitraum gelten, wurde dabei allerdings von den politischen Entwicklungen gleich wieder überholt. Nach der Ankündigung von Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) am Montag, die am kommenden Sonntag auslaufende Allgemeinverfügung durch eine inhaltsgleiche Rechtsverordnung zu ersetzen, stellte er heute gemeinsam mit Sozialministerin Petra Köpping die mit dem Landeskabinett abgestimmte Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vor, die bereits ab 1. April in Kraft tritt und bis mindestens 20. April gelten soll. Die Ministerin begründete die vor allem durch auffallend hohe Bußgelder versehene Rechtsgrundlage mit dem hohen Altersdurchschnitt im Land. Bereits das Verlassen des eigenen Haushaltes ohne „triftigen Grund“ soll demnach ab 1. April 150 Euro kosten.

Foto: https://twitter.com/osmanooguz/status/1241490180013465600/photo/1


Veröffentlicht am 31. März 2020 um 20:12 Uhr von Redaktion in Freiräume, Soziales

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